"Wir stehen in Kontakt zu den US-Behörden", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Mit einem Großaufgebot von rund 250 Polizeibeamten und Staatsanwälten hatten die Strafverfolger in dieser Woche an Daimler-Standorten nach Beweisen für eine Manipulation von Diesel-Abgasen gesucht, mit der Mercedes-Benz seine Käufer betrogen haben könnte.

Technisch sind die Fälle bei Daimler und Fiat ähnlich gelagert: Es geht es um Abschalteinrichtungen, die die Abgasreinigung von gesundheitsschädlichen Stickoxiden zeitweise abstellt, um den Motor zu schonen. Nach EU-Recht ist das wegen einer dehnbaren Ausnahmeregel möglich. Doch dieses "Thermofenster" nutzten viele Autobauer nach Ansicht des Bundesverkehrsministeriums zu sehr aus, weshalb es Daimler und andere Hersteller im vergangenen Jahr zu einer "freiwilligen" Rückrufaktion verdonnerte. Nach US-Recht müssen solche Abschalteinrichtungen bei der Zulassung offengelegt und von den Behörden genehmigt werden, sonst sind sie illegal.

Eine andere Qualität hatte das sogenannte "Defeat Device" von Volkswagen. Der Konzern hat mithilfe einer Software die Autoabgase systematisch nur auf dem Prüfstand gereinigt, um die Emissionsgrenzen einzuhalten. Auf der Straße lagen die Stickoxid-Werte viel um ein Vielfaches höher. Im Rahmen eines Vergleichs mit dem US-Justizministerium bekannte sich VW in allen drei Anklagepunkten für schuldig: Der Verschwörung zum Betrug, der Behinderung der Justiz sowie dem Verkauf von Waren unter falschen Angaben. Dafür müssen die Wolfsburger insgesamt 22,6 Milliarden Euro an Strafen und Entschädigungen in den USA zahlen.

ERHEBLICHE FOLGEN FÜR DIE ERTRAGSLAGE



Im Geschäftsbericht von Daimler heißt es dazu, es handele sich bei AECDs (Auxiliary Emission Control Devices) um übliche Funktionalitäten, die in den USA als möglicherweise unzulässig identifiziert wurden. Ohne Fiat namentlich zu nennen, erklärten die Stuttgarter, es sei nicht auszuschließen, dass die Behörden wie im Fall der italo-amerikanischen Herstellers zum Schluss kommen könnten, bei Mercedes seien "ähnliche Funktionalitäten enthalten". Der Dax-Konzern sprach deshalb die Warnung vor potenziellen erheblichen Folgen für Ertragslage und Ansehen aus, zu der ein börsennotiertes Unternehmen verpflichtet ist.

Auch vor Hausdurchsuchungen, wie nun geschehen, hatte Daimler gewarnt und andere rechtliche Konsequenzen aufgezählt, wie sie Fiat jetzt getroffen haben: Im Januar prangerte die US-Umweltbehörde EPA einen Rechtsverstoß (notice of violation) an, am Dienstag folgte die Zivilklage der US-Regierung mit einem maximal möglichen Bußgeld von etwa 4,6 Milliarden Dollar. Auch Daimler haben die US-Umweltbehörden EPA und CARB wegen überhöhter Emissionen im Visier, da sie seit VW-Dieselgate bei anderen Diesel-Herstellern genau hinschauen. Das US-Justizministerium erlegte den Schwaben auf, selbst mit Hilfe externer Berater ihre Zertifizierungsprozesse zu untersuchen. Die Prüfung laufe noch, sagte ein Daimler-Sprecher.

DAIMLER SCHWEIGSAM, FIAT "ENTTÄUSCHT"



Daimler und Fiat gehen in der öffentlichen Kommunikation über die US-Untersuchungen, die von den Behörden aufmerksam verfolgt werden dürfte, unterschiedlich vor. Fiat-Chef Sergio Marchionne berief auf die Anzeige der EPA hin im Januar eilig eine Pressekonferenz ein. "Wir haben nichts getan, was illegal ist", entgegnete er den Vorwürfen. Der Autobauer bemühte sich dann, die Sache mit einem Software-Update per Rückruf aus der Welt zu schaffen. Doch es kam trotzdem zur Milliardenklage. Darüber sei Fiat Chrysler "enttäuscht", erklärte das Unternehmen. Es werde sich entschieden zur Wehr setzen.

Entschieden wehrte sich Daimler bislang nur gegen Rechtsbruchvorwürfe in Europa, aber zum Thema Diesel in den USA bleiben die Schwaben in Deckung. Daimler-Chef Dieter Zetsche enthält sich jedes kritischen Wortes über die Vorgänge in den USA, auch über die Wirtschaftspolitik von US-Präsident Donald Trump. Der Konzern hatte sich in der Vergangenheit US-Strafen wegen Bestechung eingehandelt und daraus Lehren im Umgang mit der amerikanischen Justiz gezogen. "Wir kooperieren weiterhin vollumfänglich mit den Behörden", bekräftigte ein Sprecher. Den deutschen und amerikanischen Behörden seien die gleichen Informationen zur Verfügung gestellt worden. Über die Durchsuchungen in Deutschland informierte der Konzern gleichzeitig mit den Behörden. Es habe sich gezeigt, "dass unsere konservative Kommunikation den konstruktiven Dialog vor allem mit den US-Behörden unterstützt", betonte Daimler.

rtr