Die Allgegenwärtigkeit der Digitalisierung in jedem Winkel des gesellschaftlichen Lebens kann niemand mehr ignorieren. Dennoch erscheint die Entwicklung rund um Social-Media-Angebote wie Facebook, LinkedIn, Twitter oder YouTube vielen immer noch wenig verständlich. Für einige ist das Ganze einfach nur "irgendwas mit Katzenbildern", für andere sind die Geschäftsmodelle dahinter ein Hype, der genauso platzen wird wie die Dotcom-Blase im Jahr 2000.

Beides ist jedoch nicht der Fall! Durch Social Media ist heute jeder Internetnutzer in der Lage, Texte, Videos und Bilder an eine prinzipiell unbegrenzte Zahl von Menschen zu senden. Andere können auf diese Meldungen durch einen einfachen "gefällt mir"-Klick, einen ausführlicheren Kommentar oder das Weiterleiten an die eigenen Kontakte reagieren. Dieses "Gesprächsprinzip" haben alle Sozialen Netzwerke von Facebook über Xing und LinkedIn bis Google+ etabliert und auch auf externen klassischen Webseiten verfügbar gemacht.

Entscheidend für Unternehmen ist, dass sich Menschen in Sozialen Netzwerken nicht nur über Trivialitäten austauschen, sondern auch ihre Meinungen zu Marken, Firmen und Produkten kundtun. Viele der täglich 4,5 Milliarden "gefällt mir"-Klicks allein auf Facebook haben einen solchen geschäftlichen Bezug und stellen damit direkte oder indirekte Empfehlungen dar - genauso kann natürlich auch explizit vor Angeboten gewarnt werden. Kunden haben somit über Smartphones und Social Media immer und überall Zugriff auf die Meinungen zu Produkten, siekönnen sie kommentieren oder eigene Meinungen abgeben. Wenn man dabei berücksichtigt, dass weltweit in fast jeder Umfrage über Kaufentscheidungen Kunden die Meinungen von Menschen, die sie kennen, als die wichtigste und vertrauenswürdigste Informationsquelle betrachten - und das weit vor jeder Form von Unternehmenskommunikation oder journalistischen Inhalten -, dann wird deutlich, worum es eigentlich geht: um eine gigantische Marktmachtverschiebung hin zur Kundenseite. Neu ist nicht, dass Menschen am ehesten Bekannten vertrauen, denn diese haften schon sei jeher bei einer Empfehlung mit ihrem "sozialen Kapital der Freundschaft" - empfiehlt jemand etwas, was er selbst nicht wirklich gut findet, riskiert er die Freundschaft. Neu ist die allgegenwärtige Verfügbarkeit!

Auf Seite 2: Das Geschäft mit dem Vertrauen



Facebook hat aus diesem Vertrauens- und Empfehlungsgeflecht der digital vernetzten Menschen ein Geschäftsmodell entwickelt: Werbung wird im individuell sozialen Kontext ausgespielt. Konkret bedeutet dies, dass ein Nutzer bei Facebook nicht nur klassische Online-Werbung angezeigt bekommt, die auf seinem eigenen Klickverhalten oder seinen demografischen Daten basiert, sondern auch Werbung, die auf den "gefällt mir"-Angaben der eigenen Kontakte im Netzwerk beruht. Da die Information "hier sagen ihre Freunde, dass ihnen das gefällt" die Relevanz und Passgenauigkeit erhöht, wird Facebook mit jedem dieser Klicks wertvoller. Seit das Netzwerk dieses Prinzip in den Nachrichten-Ticker der Statusmeldungen installierte, in dem Facebook-User 90 Prozent ihrer Nutzungszeit verbringen, hat sich der Aktienkurs des Unternehmens verdreifacht. Von dieser sozialen Relevanz von Werbung für ihre Leser und Zuschauer können klassische Medien nur träumen.

Unternehmen aller Branchen sollten von der digitalen Vernetzung und der Einbeziehung der Kundenseite lernen: Denn wer es versteht, diesen Milliarden Meinungsäußerungen "zuzuhören", kann bessere Entscheidungen für seine Kunden und damit den eigenen Erfolg treffen. Für eine solche größere Marktnähe bedarf es jedoch einer Anpassung der Unternehmensstruktur durch entsprechende Technologien - und oftmals auch eines Kulturwandels, weg von Hierarchie und Push-Kommunikation hin zu mehr "Zuhören und Einbinden". Erst dann können aus weitgehend isolierten Wertschöpfungsketten integrative Wertschöpfungsnetzwerke entstehen. Die digitalen Helden machen es vor, andere Unternehmen sollten ihren eigenen Weg finden und beherzigen, dass man mit altem Denken unter neuen Rahmenbedingungen langfristig nicht erfolgreich sein kann!

deutsche-bank.de/jahresausblick2015