Der Energiekonzern E.ON bereitet sich nach den Empfehlungen der Atomkommission für den Ausstieg aus der Kernenergie auf milliardenschwere Zusatzbelastungen vor. "Zehn Milliarden Euro geht an Geld ab", sagte Finanzchef Michael Sen am Mittwoch. Das sei aber nur eine grobe Schätzung. Für einen Teil davon müsse E.ON eventuell zusätzliche Gelder flüssigmachen. Hierzu könnten Unternehmensteile verkauft werden, ab 2018 etwa weitere Anteile der neuen Tochter Uniper. Auch eine Kapitalerhöhung sei möglich. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission hat empfohlen, dass die vier AKW-Betreiber - E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall - insgesamt 23,3 Milliarden Euro in einen staatlichen Fonds einzahlen, aus dem die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls finanziert wird.

Für den größten Teil davon, 17,2 Milliarden Euro, haben die Versorger Rückstellungen gebildet. Hinzu kommt aber noch eine Risikoprämie von 6,1 Milliarden Euro, wovon etwa zwei Milliarden auf E.ON entfallen. Finanzchef Sen verwies darauf, dass der Konzern zwar über liquide Mittel in Milliardenhöhe verfüge, dennoch müsse der Versorger womöglich Zukunftsinvestitionen verschieben und zusätzliche Kosten einsparen. "Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden." Auch eine Kapitalerhöhung sei möglich. "Es ist verfrüht zu sagen, dass wir etwas derartiges ergreifen würden. Gleichwohl ist es nicht mehr ausgeschlossen." Die E.ON-Aktie verlor daraufhin zeitweise mehr als fünf Prozent an Wert.

E.ON STREBT VERTRAG ZUR FINANZIERUNG DER ATOMMÜLLKOSTEN AN



Die AKW-Konzerne hatten insbesondere die Zusatzprämie kritisiert. Die Empfehlungen der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK), die in ein Gesetz einfließen sollen, überstiegen ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Sie setzen darauf, in den kommenden Monaten in den Gesprächen mit der Bundesregierung noch Zugeständnisse erreichen zu können. Den Versorgern sitzen wegen der Kosten für den Atomausstieg die Ratingagenturen im Nacken. Nach dem Ausstiegsbeschluss soll 2022 der letzte Meiler in Deutschland abgeschaltet werden.

E.ON-Chef Johannes Teyssen hatte am Dienstag versöhnlichere Töne angeschlagen und war auf die Bundesregierung zugegangen. "E.ON ist dennoch - besonders im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Konsenses zum Ausstieg aus der Kernenergie - an einer baldigen und endgültigen Klärung des Themas in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung auf Basis des Vorschlags der KFK interessiert", erklärte er auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters. Finanzchef Sen zufolge strebt E.ON neben dem Gesetz auch einen Vertrag mit der Bundesregierung an. Der große Vorteil an den Vorschlägen sei, dass die Versorger die Verantwortung für den Jahrtausende strahlenden Atommüll an den Staat abgeben könnten. Für den zeitlich überschaubaren Abriss der Meiler bleiben sie zuständig.

Teyssen will den Konzern neu ausrichten. Während E.ON sich vor allem auf das Ökostromgeschäft konzentrieren will, werden die Kohle- und Gaskraftwerke in die Tochter Uniper ausgelagert. Im Herbst will E.ON Uniper an die Börse bringen und 53 Prozent der Papiere den eigenen Aktionären in ihr Depot buchen. Im ersten Quartal konnte E.ON dank günstigerer Gasbezüge vom russischen Gazprom -Konzern seinen Gewinn steigern. Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) verbesserte sich um acht Prozent auf 3,1 Milliarden Euro.

Reuters