Viele Unternehmen operieren nach wie vor in einem Umfeld, das es schwierig macht, ein dauerhaftes Wachstum zu verbuchen. In einer besseren Ausgangslage befinden sich dagegen theoretisch die Pharmabranche. Denn hier sorgen eine wachsende und alternde Weltbevölkerung für einen stetig größer werdenden Absatzmarkt. Vor diesem Hintergrund liegt es nur an den Gesellschaften selbst, mit entsprechenden Produkten die Nachfrage zu befriedigen.

Auf einem neuerdings wieder besseren Weg, diese Bedingung zu erfüllen, ist der US-Pharmakonzern Eli Lilly & Co. (WKN: 858560, 83,69 Dollar, 73,84 Euro, Kurse vom 30.09.), der mit Produktionsstätten in 13 Ländern und verkauften Produkten in 120 Ländern zu den weltgrößten Vertretern seines Faches gehört. Das bereits 1876 gegründete Unternehmen hat wie etliche andere Konkurrenten unter auslaufenden Patenten zu leiden, denn diese sorgten für schlechter laufende Geschäfte. Doch inzwischen scheint man ein Gegenrezept dagegen gefunden zu haben. Beim Versuch, den Hebel wieder auf Wachstum umzulegen, soll unter anderem der für 5,4 Milliarden Dollar übernommene Tierpharma-Bereich von Novartis beitragen, wodurch Eli Lilly in diesem Gebiet zum weltweit zweitgrößten Anbieter aufgestiegen ist.

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Umsatzpotential für Diabetes-Produkt deutlich angehoben



Mut macht aber vor allem ein kürzlich erzielter Forschungserfolg. Den Angaben zufolge hat das zusammen mit Boehringer Ingelheim, dem nach Bayer zweitgrößten deutschen Pharmaunternehmen, entwickelte Diabetes-Mittel Jardiance in einer klinischen Studie mit Typ-2-Diabetikern einen Zusatznutzen gezeigt und damit deutlich besser abgeschnitten hat, als von vielen Analysten erwartet. Das Medikament verringerte demnach als Zusatztherapie zu Standardbehandlungen das Risiko von kardiovaskulären Todesfällen, Herzinfarkten und Schlaganfällen. Konkret wurde im Rahmen einer Studie bei bestimmten Hochrisiko-Patienten ein Absinken der Sterblichkeitsrate um 38 Prozent registriert.

Zu Diabetes Typ 2 sollte man für den Hintergrund wissen, dass es sich dabei um eine Diabetesform handelt, die meist erst im Erwachsenenalter auftritt und deshalb auch als "Altersdiabetes" bezeichnet wird. Allerdings sind heutzutage immer mehr jüngere Menschen betroffen, weil sie aufgrund von Übergewicht und Bewegungsmangel ein erhöhtes Erkrankungsrisiko haben. Zu Diabetes allgemein ist noch anzumerken, dass Erhebungen zufolge im Vorjahr fast jeder zehnte an dieser Krankheit leidet und es sich somit um einen riesigen Markt handelt.

Weil das jüngste Studienergebnis das das erste Mal ist, dass ein Diabetesmittel kardiovaskuläre Ereignisse ernsthaft verringert hat, könnte daraus ein wichtiger Wettbewerbsvorteil entstehen, falls das Mittel tatsächlich zugelassen wird. Was das bedeuten könnte, beschreibt Vermögensberater Jens Ehrhardt wie folgt: "Jardiance gehört zu den sogenannten SGLT-2-Hemmern, die langfristig die bisher etwa doppelt so häufig verschriebenen sogenannten DPP-4-Hemmer (gegen die es Vorwürfe von ungewollten Risiken gibt) überholen können.

Die Verschreibungszahlen dürften zukünftig erheblich zunehmen, denn Ärzte kommen nach diesen herausragenden Forschungsergebnissen fast nicht mehr daran vorbei, ihren Patienten Jardiance zu verschreiben. Zudem sind die Vorteile medizinisch gesehen auch so klar, dass für Lilly (entgegen der weitverbreiteten Marktentwicklung) gute Chancen bestehen, die eigenen Preisvorstellungen gegenüber den Krankenversicherungen durchzusetzen. Folglich wurde das geschätzte Spitzen-Umsatzpotential des Produktes von etwa 1,25 Milliarden Dollar auf fünf bis sechs Milliarden Dollar im Jahr 2020 angehoben."

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Produktpipeline lässt hoffen



Zu ähnlich vorteilhaften Schlüssen kommt auch Chi Tran-Brändli, Aktienanalystin bei der Schweizer Bank J. Safra Sarasin AG. Sie sieht die frühere Nummer eins (Eli Lilly verkaufte 1924 das erste Insulinpräparat gegen den bis dahin tödlichen Diabetes mellitus) vor einem erfolgreichen Comeback mit Medikamenten aller wichtigen Diabetes-Behandlungskategorien. Stark begünstigt wird dies nach ihrer Einschätzung durch die jüngsten Erfolge von Jardiance. Jardiance dürfte zum bevorzugten oralen Anti-Diabetikum vor der DPP-4-Klasse werden, die 2014 Umsätze von acht Milliarden Dollar generierte.

Die Konsenserwartungen müssen aus ihrer Sicht stark angehoben werden und weil Eli Lilly damit ein ähnliches Wachstumsprofil wie Bristol Myers habe, aber mit einem Bewertungsabschlag gehandelt werde, rät sie bei der Aktie im Zuge einer Ersteinschätzung des Titels zum Kauf. Insgesamt sei 2015 bei Eli Lilly mit einem Umsatz von rund 20 Milliarden Dollar zu rechnen. Wichtige Patentabläufe seien weitgehend überstanden, und ab 2016 dürfte Lilly Umsätze und Gewinne wieder mit zahlreichen neuen Portfolio- und Pipeline-Produkten steigern können. Als weitere Stärke hebt Tran-Brändli zudem die solide Bilanz hervor, die Platz lasse für eine mögliche Dividendenerhöhung. Auch andere Analysten beurteilen die Ergebnisaussichten ähnlich und sie rechnen im Schnitt von 2014 bis 2018 mit einem Anstieg beim Gewinn je Aktie von 2,78 Dollar auf 4,67 Dollar (KGVe: 17,9). Auf Basis dieser Annahmen wäre der Wert mit einer interessanten Wachstumsstory ausgestatteten, was in einer eher wachstumsarmen Welt bei vielen Anlegern auf positive Resonanz stoßen würde.

Zusätzlich verbessern würde sich die Anlagestory außerdem für den Fall, dass es Eli Lilly mit Jardiance gelingen sollte, bei oralen Anti-Diabetika oder ganz allgemein mit der Anti-Diabetika-Palette Marktanteile zu gewinnen, die über den derzeitigen Konsenserwartungen liegen. Im Idealfall liefern zudem auch riskantere Pipeline-Produkte wie Solanezumab gegen Alzheimer unerwartet gute klinische Ergebnisse ab. Allerdings rät Ehrhardt dazu, derzeit das Alzheimer-Produkt noch nicht als sicheren Blockbuster einzuschätzen, weil sich einfach branchenweit betrachtet viele Hoffnungen in der Alzheimer-Forschung bislang nicht unerfüllt hätten. Aber auch nach dem Urteil des deutschen Vermögensverwalters verfügt Eli Lilly wieder über eine insgesamt wieder gut gefüllte Pipeline, in der obendrein mehrere der interessanten Projekte bereits relativ weit vorangeschritten seien. Erwähnenswert in der Forschungspipeline sind neben Jardiance und Solanezumab ein Lipidsenker in Forschungsphase III (Zulassung Ende 2016 möglich), ein Krebspräparat (Zulassung gegen Lungenkrebs möglich 2016) und ein Produkt gegen Psoriasis (voraussichtliche Zulassung noch 2015).

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Charttechnischer Aufwärtstrend intakt



Bei aller Zuversicht wegen der jüngsten Nachrichten rund um Jardiance muss aber auch Eli Lilly konzernweit mit der Herausforderung klar kommen, dass Generika oder inzwischen wirksamere Medikamente zu stagnierenden oder sinkenden Umsätzen bei bisher verkaufsstarken hauseigenen Medikamenten führen. Außerdem steht der US-Konzern vor der Aufgabe, Marktanteile gegen zwei etablierte Mitbewerber erobern zu müssen und die meisten neuen und Late-Stage-Pipeline-Produkte haben mindestens zwei Konkurrenten am Markt. Als mögliche Risiken nennt Tran-Brändli außerdem eine möglicherweise unerwartet starke Konkurrenz durch Sanofi und Novo Nordisk, regulatorische oder klinische Rückschläge bei wichtigen Pipeline-Mitteln und bessere klinische Daten bei direkten Konkurrenzpräparaten. Darüber hinaus könnten konjunkturelle Schwächen oder Währungsverwerfungen in den Schwellenländern unerwartet starke Belastung für das Finanzergebnis mit sich bringen.



Mögliche Einflussfaktoren wie diese gilt es zu natürlich zu beobachten, die Analysten bei der US-Investmentbank Jefferies hat das aber nicht davon abgehalten, jüngst in Reaktion auf die Jardiance-Nachrichten das Kursziel von 105 auf 115 Dollar anzuheben. Geht diese Prognose auf, würde bei einer Kurszielerreichung auch das noch aus dem Jahr 2000 stammende Rekordhoch von 108,56 Dollar überwunden werden. Charttechnisch betrachtet spricht für den Titel grundsätzlich ein seit 2009 intakter langfristigen Aufwärtstrend. Dank der Meldungen zu Jardiance hat die Notiz jüngst auch nach oben hin einen Beschleunigungsversuch unternommen. Dabei wurde auch knapp ein neues Mehrjahreshoch aufgestellt. Doch auch im Zuge eines schwachen Gesamtmarktes ist der Kurs wieder zurückgefallen. Setzt sich diese Abwärtsbewegung noch etwas fort, sollten Anleger dies als Einstiegsgelegenheit nutzen. Zumindest rät Ehrhardt dazu, Kursrücksetzer zum Aufbau von Positionen zu nutzen.