Die Gewinnwarnung war deftig. Geely erwartet 50 Prozent Einbruch für 2014 beim Nettoergebnis. Schon die ersten neun Monate waren nicht gut gelaufen. Das Absatzvolumen ging um 26 Prozent zurück, auf den Auslandsmärkten sogar um 49 Prozent. Markenvorstand Sun Xiaodong nahm seinen Hut. Als dann im Zuge der Russland-Sanktionen auch noch der Rubel abschmierte, war die Katastrophe perfekt. Innerhalb weniger Tage fiel der Kurs von 38 auf 26 Cent. Damit ist die massive Unterstützung bei 24 Cent in greifbare Nähe gerückt, was das Papier für spekulative Investoren interessant macht. Denn schon mehrfach markierte dieses Tief einen Wendepunkt.

Zudem ist nach der Flut an Horrormeldungen das Sentiment so negativ, dass gute Nachrichten schlicht ignoriert werden - vorerst jedenfalls. Vergessen scheint, dass Geely-Chef Li Shufu bei seinem Auftritt auf dem Global Automotive Forum im Oktober in Wuhan von Chinas Branchenvertretern noch mit lautem Applaus gefeiert wurde - für die erfolgreiche Übernahme einer europäischen Premiummarke, die jetzt wieder vorn mitfährt. 1,3 Milliarden Euro zahlte Geely 2010 für Volvo, was sich langsam, aber sicher amortisiert. "2014 haben wir den Rekordverkaufswert aus dem Jahr 2007 getoppt", so Volvo-Chef Hakan Samuelsson. 467 000 neu zugelassene Volvos waren es per 31. Dezember weltweit (bisheriger Rekord 2007: 458 000).

Wichtiger noch als Absatzrekorde ist Samuelssons Botschaft, dass Volvo im soeben abgelaufenen Geschäftsjahr erstmals seit Langem wieder schwarze Zahlen geschrieben haben dürfte. Auch für 2015 zeigt sich der einstige MAN-Boss vorsichtig optimistisch. Zumindest will er trotz weltweiter Krisen das 2014er-Niveau halten. Der Grund für das gelungene Comeback: Geely lässt dem Volvo-Management freie Hand. "Wir lernen voneinander und miteinander", sagt Samuelsson. "Die Chinesen bringen uns in Sachen Einkauf einiges bei, während wir Technologien beisteuern."

Zum Lernprozess gehört auch eine neue Modellplattform, die in vier Jahren in alle Modelle integriert sein soll und die Kosten weiter drücken wird. Die Sparstrategie in der Produktion geht auf. Dank verbesserter Effizienz kann Volvo die Modellpalette bis 2020 komplett erneuern.

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Die Zeiten des Bling-Bling sind vorbei

Der soeben frisch präsentierte Offroader XC 90 wird dann das älteste Fahrzeug der Flotte sein. Der XC 90 wird ab der fünften Kalenderwoche 2015 produziert und im Mai in den Verkauf kommen. Volvo erhofft sich von dem Flaggschiff hohes Eroberungspotenzial. Wachstumstreiber dürfte künftig der für Volvo inzwischen größte Absatzmarkt China sein, glaubt Alain Visser, der für den weltweiten Vertrieb zuständig ist. Zum einen, weil das Land im Begriff ist, die USA als größte Volkswirtschaft der Erde zu überholen. Zum anderen, weil das bewusst zurückhaltende Design dem Wunsch der explosionsartig wachsenden chinesischen Mittelschicht nach gewolltem Understatement, aber trotzdem hohem Maß an Wiedererkennungswert und Individualität entspricht. Vissers Prognose: "In China dreht sich gerade der Geschmack. Die Zeiten des Bling-Bling sind vorbei. Eine neue Bescheidenheit hält Einzug. Dadurch treffen wir mit unserem klaren und zurückhaltenden skandinavischen Design ins Schwarze."

Volvo wird im Reich der Mitte nach wie vor als europäische und nicht als chinesische Marke wahrgenommen. Das macht die Fahrzeuge in China begehrenswert. Theoretisch können nach Angaben des Volvo-Chefs in China 600 000 Einheiten gefertigt werden, an den europäischen Standorten Torslanda und Gent kommen nochmals jeweils 300 000 dazu, wenn die Werke Volllast fahren. Mit diesem Fertigungspotenzial sieht sich Volvo für das Absatzziel von 800 000 Stück im Jahr 2020 gut gerüstet.

Doch nicht nur für die Premiumtochter, auch für den Geely-Gesamtkonzern sind in den kommenden Jahren deutliche Verbesserungen in Sicht. Ein Förderprogramm vom Staat und die neue Regel, dass alle öffentlichen Fuhrparks und staatlichen Einrichtungen mindestens 15 Prozent Elektro- oder Hybridfahrzeuge nachweisen müssen, lassen China zum Massenmarkt für alternative Antriebe werden. Dazu kommen die Taxiflotten, die in den kommenden Jahren ebenfalls umrüsten müssen. Um vorn dabei zu sein, kann Geely auf die Plug-in-Hybridtechnologie zurückgreifen, die Volvo in allen neuen Modellen anbietet. Darüber hinaus nutzt Geely Volvos Kompetenz bezüglich des autonomen Fahrens. Davon verspricht man sich vor allem in China große Absatzchancen in den Metropolen, in denen Dauerstau herrscht.

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Risikogeschäft Russland

Da 50 Prozent der Geely-Fahrzeuge nach Russland exportiert werden, laufen Gegenmaßnahmen an, um die finanziellen Risiken der Rubel-Turbulenzen zu reduzieren. Zum einen stehen Preiserhöhungen an - in der Hoffnung, die Abwertung der Währung ausgleichen zu können. Zudem will man vor allem in den Vertrieb investieren und die Produktion sehr schnell im Ausland aufbauen, um das Währungsrisiko zu minimieren. Rückenwind kommt auch von der Regierung, die ihre Wünsche klar formuliert hat: China soll nicht nur größter Automarkt, sondern auch größter Exporteur werden. Bislang leiden alle Hersteller unter Absatzrückgängen, vor allem im Ausland. Nun wollen die Chinesen ihre Kräfte bündeln. "Go abroad together" heißt die Initiative der führenden Hersteller, um gemeinsame Ressourcen zu nutzen.

Last but not least hat sich auch die Regierung der Währungsproblematik mit Russland angenommen. Die Bestrebungen, sich vom Dollar abzukoppeln, zeigen erste Ergebnisse. Künftig wird der direkte Devisenhandel zwischen China und Russland unter Ausschluss des Dollars möglich sein, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf staatliche chinesische Quellen berichtet. Unter diesen Voraussetzungen ist Geely zum aktuellen Kurs eine zwar riskante, langfristig aber sehr aussichtsreiche Kaufchance.