Für die deutsche Politik und Wirtschaft konnte es nicht schnell genug gehen: Sofort nach Unterzeichnung des Atomabkommens zwischen dem Iran und den Vereinten Nationen reiste Vizekanzler Sigmar Gabriel zusammen mit einer Wirtschaftsdelegation zum Staatsbesuch in den Iran. Der SPD-Chef war der erste Spitzenpolitiker aus dem Westen, der das Land besuchte, nachdem die Regierung in Teheran erklärt hatte, sie werde von jetzt an vom Bau einer Atombombe absehen. Im Gegenzug lässt der Westen seine stetig verschärften Wirtschaftssanktionen fallen.

Die Eile der deutschen Wirtschaftsvertreter hat einen einfachen Grund: Im Iran locken Milliardengeschäfte. So glaubt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dass sich die Exporte von zuletzt 2,4 Milliarden Euro mittelfristig auf zehn Milliarden Euro vervierfachen könnten. Und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) schätzt, dass die Ausfuhren in das Land schon in den kommenden zwei Jahren auf fünf Milliarden Euro steigen könnten.

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Wirtschaftliche Aufholjagd



Die Gründe für diese Erwartungen: Der Iran hat mit 78 Millionen Einwohnern fast so viele Bürger wie Deutschland. Zudem ist die Hälfte der Iraner jünger als 30 Jahre. Und: Der Iran besitzt die viertgrößten Erdöl- und die größten Gasreserven der Welt. Doch wegen der Wirtschaftssanktionen konnte das Land sein wirtschaftliches Potenzial bisher nur eingeschränkt nutzen. Wenn die Handelsschranken fallen, sollte das jährliche Wirtschaftswachstum auf sechs bis sieben Prozent anziehen.

Aufgehoben werden die Embargos jedoch nicht vor 2016. So lange hat der Iran Zeit, seine Zusicherungen umzusetzen, beispielsweise die Zahl der Anlagen zur Herstellung waffenfähigen Plutoniums zu reduzieren. Erst wenn internationale Kontrollen dies bestätigen, werden die Sanktionen schrittweise fallen. Einfach wird es daher nicht, am Wirtschaftswachstum des Landes mitzuverdienen.

Das gilt selbst für internationale Ölkonzerne wie Total oder Eni, die bereits vor Verhängung der Sanktionen im Iran förderten. Deren früheres Engagement dürfte zwar die Verhandlungen um neue Förderrechte beschleunigen, doch Experten zufolge dauert es mindestens fünf Jahre, bis die Quellen in einem neu zugewiesenen Fördergebiet sprudeln. Hinzu kommt, dass der Ölpreis durch das nun hinzukommende iranische Angebot weiter unter Druck bleiben dürfte. Die Suche nach neuen Ölquellen ist damit eher unrentabel, Gleiches gilt für die Modernisierung bestehender Förderanlagen. Die Aussichten für Firmen, die nach Öl suchen oder Förderer ausrüsten, bleiben damit trübe. Auch der Modernisierungsbedarf der iranischen Ölindustrie von geschätzt 100 Milliarden Dollar wird das kurzfristig nicht ändern.

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Profiteure des Abkommens



Doch es gibt auch Firmen, deren Geschäfte von dem Atomabkommen profitieren. So etwa die türkische Raffinerie Tüpras. Vor den jüngsten Sanktionen bezog das Unternehmen rund die Hälfte seines Rohöls aus dem Iran. Weil dieses schwerer zu raffinerieren ist als die Nordseesorte Brent, ist es im Einkauf günstiger. Da niedrigere Einkaufskosten die Marge steigern, rechnet die Bank of America Merrill Lynch 2016 mit einem um zehn Prozent höheren operativen Ergebnis. Vorausgesetzt, Irans Liefermenge steigt wieder auf das alte Niveau. Problem für deutsche Anleger: Die Tüpras-Aktie wird nur an der Börse in Istanbul gehandelt. Jedoch ist der Einstieg über einen Discounter möglich, der bis Laufzeitende am 17. Juni 2016 eine Maximalrendite von 12,2 Prozent abwerfen kann (WKN: RC0 A4D).

Auf gute Geschäfte können auch die Flugzeugbauer Airbus und Boeing hoffen. Da das Land seit Jahren keine neuen Flugzeuge kaufen darf, sind die iranischen Jets mit 24 Jahren mehr als doppelt so alt wie im internationalen Durchschnitt. Um die Flotte zu modernisieren, will der Iran nach dem Ende der Sanktionen jährlich jeweils 45 Flieger bei Airbus und Boeing ordern.

Auch die Autos der Iraner sind alt, weshalb Peugeot und Renault auf steigende Absatzzahlen in dem Land hoffen. Dank eines Marktanteils von 30 Prozent erzielte Peugeot vor Verlassen des Markts 2011 ein operatives Ergebnis von rund 70 Millionen Euro im Iran - drei Prozent des Gesamt-Ebit. Renault erzielte früher mit einem Marktanteil von zehn Prozent etwa ein Prozent des Gesamt-Ebit im Iran. Jedoch war Frankreich ein Befürworter der Sanktionen, weshalb der Iran nicht allzu gut auf diese beiden Firmen zu sprechen ist.



Für gute Geschäfte im Iran ist auch nach dem Auslaufen der Wirtschaftssanktionen weiterhin viel politisches Fingerspitzengefühl gefragt.



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