Wenn die Schweizer Nobelmanufaktur Patek Philippe einen runden Geburtstag feiert, ist das für Uhrenconnaisseure ein Ereignis, vergleichbar mit der Präsentation der neuen S-Klasse von Mercedes-Benz oder der Vorstellung des neuesten iPhones von Apple. Monatelang rätseln Sammler und Fans im Vorfeld, welche uhrmacherische Innovation die Genfer Uhrenmanufaktur wohl aus dem Hut zaubern wird.

Das ist dies Mal nicht anders gewesen. Im Oktober haben die Genfer aus Anlass ihres 175. Geburtstags die Grandmaster Chime präsentiert. Neben anderen Neuheiten verfügt die in acht Jahren entwickelte Uhr über eine Datumsrepetition. Mit Hilfe eines hochkomplexen Schlagwerks wird auf Wunsch das jeweilige Datum akustisch wiedergeben. Das kann keine andere Uhr weltweit. Es sind solche mechanischen Meisterleistungen und die lange Geschichte, die den Nimbus von Patek Philippe als edelste Uhrenmarke der Welt begründet haben.

Herr Stern, Patek hat gerade seinen 175. Geburtstag gefeiert. Aus diesem Anlass haben Sie mit der Grandmaster Chime das aktuelle Nonplus-Ultra eidgenössischer Uhrmacherkunst vorgestellt. Der Preis ist dabei allerdings mindestens genauso atemberaubend wie Ihr neues Meisterwerk: 2,5 Millionen Schweizer Franken. Ist das noch Luxus oder schon eine besonders teure Form von Rinderwahn?

Nein (lacht). Das ist nicht Luxus, sondern Feinmechanik und Kunsthandwerk auf allerhöchstem Niveau. An der Entwicklung der Grandmaster Chime haben Ingenieure, Uhrmacher, Graveure und andere Spezialisten sieben Jahre lang gearbeitet. Die Uhr hat 1580 Bauteile, manche davon sind feiner als ein menschliches Haar. Weltweit gibt es nur sehr wenige Unternehmen, die solche Bauteile herstellen und so aufwendig bearbeiten können. Diese Präzision, diese Schönheit und die entsprechende Seltenheit machen den Wert der Uhr aus.

Die Uhrzeit liefert heute doch jedes Handy. Wer zahlt so viel Geld für eine Uhr?

Das sind Menschen, die ein Höchstmaß an Handwerkskunst zu schätzen wissen. Heutzutage sind viele Dinge doch Massenartikel: Sie werden gekauft, und wenn sie nicht mehr funktionieren, einfach weggeworfen. Bei unseren Kunden ist das anders: Sie wissen, wie viel Arbeit in diesen Produkten steckt und erfreuen sich daran. Im übrigen sind solche Uhren ja nicht nur Zeitmesser, sondern wertvolle Kunstgegenstände. Das ist wie bei einem schönen Bild: Niemand braucht es. Aber nur ganz wenige Menschen auf der Welt sind in der Lage, solch ein Bild zu malen.

Ihre Uhrmacher sind also lauter kleine Picassos?

So weit würde ich nicht gehen (lacht). Aber es gibt auf der ganzen Welt vielleicht fünf Menschen, die eine Grandmaster Chime überhaupt fertigen können.

Der frühere Chef des Schweizer Luxusuhrenmarke Hublot, Jean-Claude Biver, hat mal gesagt, eine Uhr sei die Handtasche des Mannes: Sie sagt vor allem etwas darüber aus, wer man ist. Die Zeitanzeige ist nur der Vorwand beim Kauf. Ist das nur ein netter Aphorismus oder tiefe Uhrmacherweisheit?

Natürlich ist eine Uhr ein Statussymbol, aber es gibt Unterschiede: Niemand würde eine Patek Philippe so tragen (zieht den Hemd-Ärmel nach oben). Wenn Sie eine Rolex haben, dann machen Sie das vielleicht. Eine Patek tragen Sie dezent, und Sie wissen: Sie sind Teil einer kleinen Familie von Uhren-Connaisseuren.

Also doch eine Handtasche, nur in klein und richtig teuer?

Ich glaube, es ist mehr als das. Natürlich zeigt auch eine Patek die Zeit an. Wenn wir eine neue Uhr entwickeln, muss die Zeit leicht ablesbar sein. Das ist unser erstes Ziel. Doch es geht auch um Schönheit. Männer können keine Rubine tragen oder Ketten. Der einzige Schmuck für einen Mann ist seine Uhr. Das wollen wir miteinander verbinden: Zeit, Ästhetik und Wert. Unsere Kunden sind bereit zu investieren, aber sie wollen etwas, was den Wert erhält und vielleicht sogar im Wert steigt.

Wenn man die Ergebnisse der Auktionen nimmt, dann klappt das ganz gut. Die begehrtesten Stücke auf Auktionen sind regelmäßig Uhren von Patek Philippe. Wie erklären Sie sich diesen Nimbus?

Das liegt sicher an unserem Know-how. Wir machen seit 175 Jahren Uhren und entwickeln immer neue Werke. Wir haben die Komplikationen, also die uhrmacherisch anspruchsvollsten Werke wiederbelebt. Denken Sie an die Minutenrepetition...

... bei der die aktuelle Uhrzeit wie bei einer Kirchturmuhr akustisch gemeldet wird...

...Wir waren 1984 die Ersten, die die Minutenrepetition wieder auf den Markt gebracht haben. Damals gab es keine Uhren mit Minutenrepetition. Beim Tourbillon, also einem winzigen Mechanismus zum Ausgleich der Erdanziehung, oder beim Ewigen Kalender war es genauso. Das hat uns eine Menge Glaubwürdigkeit unter Uhrenliebhabern eingebracht. Nicht nur, weil wir die Komplikationen wieder belebt haben. Sie gab es ja zuvor auch in Taschenuhren. Sondern, weil wir in der Lage waren, diese Komplikationen auch in eine Armbanduhr zu bauen. Das ging nur über eine deutliche Miniaturisierung. Ein kleineres Werk bauen kann jeder. Die große Herausforderung ist, die Präzision und Zuverlässigkeit zu übertragen. Das ist eine der Stärken von Patek Philippe.

Das alleine erklärt aber noch nicht Ihren Erfolg bei Auktionen?

Aus Gesprächen mit Sammlern und Uhrenkennern wissen wir, dass viele es besonders goutieren, dass wir jede Patek-Uhr reparieren können, egal ob sie vor 50 Jahren gebaut wurde oder vor 150 Jahren.

Warum ist das so wichtig?

Für unsere Uhren wird bei Auktionen zum Teil sehr, sehr viel Geld bezahlt. Für viele Kunden ist es sehr beruhigend zu wissen, dass Patek diese Uhren immer noch reparieren kann. Ich erhalte oft Anrufe von Kunden, die sagen: Ich habe hier die Uhr meines Großvaters. Ich würde Sie gerne behalten und tragen, aber sie geht nicht. Ich weiß, dass man sie nicht reparieren kann, weil sie schon so alt ist, aber vielleicht könnten Sie dieses Stück aufpolieren? Sie können sich nicht vorstellen, wie die Kunden reagieren, wenn wir sagen: Natürlich können wir diese Uhr aufpolieren und wir können sie sogar reparieren und zwar exakt so, wie die Uhr einst gebaut wurde.

Das klingt ein bisschen altmodisch?

Mag sein, und es ist auch nicht sehr profitabel. Aber unser Atelier für Reparaturen war niemals ein Profit-Center und wir wollen das auch nicht ändern. Ich glaube nicht, dass das sehr weise wäre. Das ist Service. Natürlich kostet die Wartung Geld, denn wir haben Mitarbeiter dort, die wir bezahlen. Aber wir wollen damit kein Geld verdienen. Das wissen unsere Kunden zu schätzen.

Weltweit sind Luxus-Uhren weiter sehr gefragt. Viele Wettbewerber weiten Ihre Kapazitäten aus, Sie nicht. Wieso?

Die Frage der Kapazität hängt ja unmittelbar davon ab, welches Qualitätsniveau man erreichen will. Wenn man ein solch hohes Niveau hat wie wir, kann man die Kapazität nicht einfach um 20 Prozent erhöhen, ohne dass die Qualität leidet. Das geht schon wegen des Personals nicht. Bis ein Uhrmacher das Niveau erreicht hat, das wir voraussetzen, muss er mindestens 10 Jahre Erfahrung sammeln, für die großen Komplikationen 15 Jahre. Das geht nicht von heute auf morgen.

Sie könnten mehr Maschinen einsetzen?

Natürlich könnten wir auch Maschinen nutzen. Aber die Endbearbeitung wäre dann nicht mehr so aufwendig und am Ende ginge die Uhr womöglich kaputt, vielleicht schon nach einem Monat. Das wäre der GAU. Unsere Kunden sind extrem anspruchsvoll. Es gibt auf Youtube ein Video von einem Chinesen, der mit seinem Lamborghini zwei oder drei Mal hintereinander in der Werkstatt war - vergeblich. Danach hat er sich ein paar Jungs geholt, die seinen Lamborghini kurz und klein geschlagen haben - vor laufender Kamera und das Video dann hochgeladen. Das ist nicht die Art von PR, die man sich wünscht. Im übrigen ist Patek auch nicht für riesige Stückzahlen geschaffen. Wir wollen Handwerkskunst, Komplexität, Perfektion. Das geht nicht über Masse. Und wir müssen es auch gar nicht. Wir sind ein privates Unternehmen - ohne Aktionäre, die immer höhere Renditen fordern wie bei den großen Konzernen. Am Ende geht es da doch eh immer nur um Geld.

Sie wollen jetzt nicht erzählen, dass Sie kein Geld verdienen möchten?

Selbstverständlich wollen wir Geld verdienen. Aber ich habe keinen Ferrari, keinen Rolly-Royce, keine Yacht und keine fünf Häuser weltweit. Natürlich müsste ich nicht mehr arbeiten. Ich könnte Patek morgen verkaufen für - sagen wir - zehn Milliarden Euro. Aber ich werde es nicht tun. Und wissen Sie, warum? Weil ich liebe, was ich tue. Vielleicht ist das einer der wichtigsten Unterschiede zwischen einer Aktiengesellschaft und einem Familienunternehmen: Leidenschaft. Wenn man ein Familienunternehmen führt, braucht man das, sonst respektiert sie niemand.

Was ist Luxus für Sie? Service.

Und für Sie persönlich?

Service. Heute kann doch jeder Luxusgüter herstellen, wenn er sich an ein paar Grundregeln hält. Louis Vuitton ist heutzutage Luxus. Aber stimmt das wirklich? Für mich ist wahrer Luxus das Wissen, seltene und feine Dinge herzustellen, aber vor allem Service. Wie oft geht ein Fernseher oder die Waschmaschine kaputt und dann überlegt man sich, ob man eine neue kauft. Ich hasse das.

Haben Sie nicht manchmal das größte Problem, bei gegebener Kapazität die Nachfrage auszutarieren und Händlern und Kunden zu sagen: Sorry, aber ich habe heute leider keine Uhr für Dich?

Leider viel zu oft. Aber ich versuche das immer zu erklären: Wollen sie wirklich, dass ich etwas liefere, was nicht perfekt ist und in fünf Jahren kaputt? Oder wollen sie lieber warten, dafür aber eine Uhr bekommen, die ihren Wert noch sehr, sehr lange haben wird? Dann ist die Antwort meistens klar.

Es gibt Schätzungen, wonach die Nachfrage zehn Mal höher ist?

Das ist schwer zu sagen, aber das kann schon sein.

Es soll ja immer wieder Angebote zur Übernahme geben?

Ein Mal im Jahr, meistens bei der Uhrenmesse in Basel, klopft irgendjemand mal leise an. Häufig sind das sehr reiche Leute, die sehr, sehr viel Geld für Investitionen haben, aber nicht so viel Ahnung von der Uhrenbranche, die fragen dann schon mal. Die großen Marken fragen schon seit Jahren nicht mehr, ob wir verkaufen wollen.

Patek ist jetzt in vierter Generation in Familienhand. Ihr Vater stand 32 Jahre an der Spitze. Sie haben 2009 seine Nachfolge angetreten. Wie war das damals: Eher Last oder Lust?

Ganz ehrlich: Das war nur eine Unterschrift. Ich habe mit meinem Vater 20 Jahre vorher zusammengearbeitet und ich war zu diesem Zeitpunkt bereits zehn Jahre in der Geschäftsleitung.

Und es hat sich nichts geändert?

Nichts. Mein Vater hat mir in all den Jahren viele Dinge erklärt, aber auch Freiräume gegeben, meine Ideen einzubringen. Das war kein abrupter Übergang. Eigentlich war es eher ein bisschen traurig. Denn ich habe mit meinem Vater sehr gerne zusammengearbeitet und es war damals nicht schön, zu erkennen, dass diese Ära vorbei sein würde. Mein Vater und ich haben dieselbe Leidenschaft für Uhren, die Gestaltung, die Schaffung neuer Uhren.

Hatten Sie seither jemals Zweifel, dass Sie das Unternehmen erfolgreich führen könnten?

Jeden Tag. Aber das muss so sein. Man muss Zweifel haben, die ganze Zeit. Sehen Sie: Ich bin sicher kein Finanzexperte. Aber ich habe tolle Mitarbeiter. Wenn die Selbstzweifel aufkommen, denke ich einfach an sie. Das sind alles tolle Leute, die das Geschäft kennen, und wissen, was zu tun ist. Das hilft mir.

Wann war klar, dass Sie in die Fussstapfen Ihres Vaters treten wollten?

Ich war sechs Jahre, als ich diesen Wunsch hatte.

Mit sechs?

Ja, ich war im Büro meines Vaters, er arbeitete und ich sah eine wunderschöne Taschenuhr in seiner halb geöffneten Schublade. Und mein Vater sagte mir: Du kannst die Schublade ganz aufziehen, aber die Uhr nicht anfassen.

Ihr Vater kannte bei Uhren keinen Spaß? So ähnlich. Das waren sehr teure Stücke, die unsere Sammlung mit begründet haben. Und wissen Sie was: Das hat sich bei mir ganz tief eingegraben.

Inwiefern?

Ich habe noch heute Hemmungen, solche Unikate anzufassen. Es ist noch gar nicht so lange her, dass mein Vater neue Stücke für unser Uhrenmuseum erstanden hat und sie uns gezeigt hat. Er sagte: Schau, das sind unsere neuen Uhren. Nimm Sie ruhig in die Hand. Sie gehören uns. Aber ich konnte es nicht.

Sie sind in jede Entwicklung eines neuen Modells eingebunden. Ist das eine der wichtigsten Aufgabe, die Sie haben?

Das ist nicht eine der wichtigsten Aufgaben, sondern die wichtigste.

Sie arbeiten so wie der ehemalige Apple-Chef Steve Jobs: Er hat sich um jedes Detail gekümmert?

Das ist der schönste Teil meiner Arbeit. Ich würde das niemals delegieren. Das war bei meinem Großvater so, bei meinem Vater und bei mir auch. Und offen gestanden glaube ich auch nicht, dass es ein anderer machen könnte. Ich habe zwar eine Uhrmacher-Lehre, aber kein Design-Studium oder sonst eine Ausbildung dafür. Meine einzige Qualifikation kommt aus dem Umstand, dass ich schon so lange dabei bin. Manchmal glaube ich, dass das in meinen Genen ist.

Sie und Ihre Schwester haben insgesamt fünf Kinder. Gibt es schon einen potenziellen Nachfolger, der sein Erweckungserlebnis hatte?

Dafür ist es noch zu früh. Jede Generation muss ihren eigenen Führungsstil haben und braucht andere Fähigkeiten als die Generation zuvor. Als ich das Unternehmen übernommen habe, war ich genauso alt wie mein Vater, als er die Geschäfte von meinem Großvater übernommen hatte. Das war zwar nur Zufall. Aber er hatte 150 Mitarbeiter, bei mir waren es schon über 1500. Schon deshalb muss man das Unternehmen anders führen. Und bei der nächsten Generation wird es auch so sein. Gefragt sind andere Fähigkeiten - bis auf eine Sache: Sie müssen ganz nahe an den Produkten sein. Ich bin nicht eingestiegen, um irgendwelche Finanzberichte zu lesen. Das ist langweilig. Aber ich liebe es, mich um die Uhren zu kümmern.

Das heißt?

Dass mein Nachfolger Leidenschaft für Uhren haben muss, für das Design und Kommunikationstalent. In meinem Job müssen Sie viel reisen, mit Kunden sprechen, mit Händlern und der Presse.

Haben Ihre Kinder und Neffen und Nichten diese Leidenschaft?

Es ist noch zu früh, das zu beurteilen. Der Älteste ist 14 Jahre. Aber eines ist mir ganz wichtig: Niemand muss das Unternehmen übernehmen. Das ist nicht fair. Wenn ich wählen müsste zwischen Patek und dem Glück meiner Kinder, würde ich Patek aufgeben. Sorry, aber das ist ganz klar.

Ihre Kinder haben also die freie Wahl?

Ja, natürlich. Alles andere wäre zu viel Druck.

Hatten Sie diese Freiheit auch?

Ich habe diesen Druck früher schon gespürt, obwohl mein Vater mich nie gedrängt hat. Und es ist nicht leicht, so zu leben. Vor einiger Zeit kam mein Sohn zu mir und sagte: Papa, ich bin so froh, dass ich die Schule gewechselt habe. Und ich fragte ihn: Wieso? Und er antwortete: Weil hier niemand weiß, wer ich bin.

Einer der populärsten Claims der Branche ist: Eine Patek gehört einem nie ganz allein. Man bewahrt sie schon für die nächste Generation auf. Wer ist auf diesen Spruch gekommen?

Die Kunden. Wir hatten vor ein paar Jahren mit Leagas Delaney eine neue Werbeagentur ausgesucht und sie darum gebeten, eine weltweite Kundenumfrage bei Händlern und Endkunden durchzuführen. Und nach ein paar Monaten präsentierten Sie uns die Ergebnisse und sie sagten: Wissen Sie was: Auf der ganzen Welt sagen die Leute praktisch das Gleiche: Ich hatte mich schon auf das Schlimmste eingestellt.

Nämlich?

Dass Sie sagen, die Uhren funktionieren nicht (lacht). Aber die Werbeleute sagten, Nein, nein. Fast alle Befragten sagen etwas anderes, nämlich: Wir haben eine Patek in der Familie, die schon mein Großvater besaß und mein Vater und jetzt ich. Viele haben sie zu einem ganz besonderen Tag in ihrem Leben bekommen: Zur Hochzeit, zum Studienabschluss oder einem ganz anderen wichtigen Tag im Leben. Für viele ist der Kauf einer Patek verbunden mit einem wichtigen Ereignis in ihrem Leben. Das ist schön.

Aber niemand kauft sie für sich allein?

Jeder kauft sie für sich allein - am Anfang. Aber viele sagen, es ist schön zu wissen, dass diese Uhr auch noch in der Familie sein wird, wenn ich nicht mehr da bin.

Angeblich verlässt keine Minutenrepitition das Haus, ohne, dass sie von Ihnen freigegeben wird. Ist das ein Markenmythos oder Realität?

Das stimmt, absolut. Das ist sehr wichtig

Und wenn Sie nicht da sind?

Dann warten die Kunden. Natürlich reden wir hier nicht von mehreren 100 Uhren. Das sind nur wenige. Aber ich nehme jede einzelne Minutenrepetition ab.

Wie muss man sich das vorstellen?

Normalerweise kommt ein Uhrmacher mit seiner Uhr in mein Büro und ich höre den Ton an. Bei Minutenrepetitionen benötigen Sie - je nach Referenz - rund 100 bis 180 Stunden nur für den Ton. Es ist sehr wichtig, den Klang genau zu regulieren. Ich prüfe den Ton im Schnitt fünf Minuten je Uhr, aber meistens weiß ich schon nach ein paar Sekunden, ob der Klang perfekt ist oder nicht. Wenn ich dem Uhrmacher sagen muss, dass der Klang noch nicht perfekt ist, sind die meisten zu Tode betrübt.

Und stürzen sich aus dem Fenster?

Manche sehen so aus (lacht). Manchmal passt eben die Harmonie des Klangs der Minuten und der Stunden nicht zusammen, oder die Viertelstunden-Schläge kommen zu schnell hintereinander oder der Ton ist nicht laut genug. Das sage ich den Uhrmachern dann. Die wissen dann meistens ziemlich genau, was ich meine. Manchmal hilft zum Beispiel ein kleinerer Gong. In vier von fünf Fällen höre ich am Klang, wie groß der Gong ist. Die Uhrmacher sind dann häufig sehr verblüfft. Aber wenn man das schon so lange macht wie ich, können sie solche Unterschiede hören.

Und Sie verkaufen, die Grandes Complications nur an Kunden, die persönlich bekannt sind?

Bei den Grandes Complications, ja. Meine Aufgabe ist es, die Kunden zu schützen. Wir haben leider häufig erleben müssen, dass ein unbekannter Käufer die Uhr direkt nach dem Kauf weiter veräußert hat - mit einem satten Aufschlag. Auf manche Modelle müssen Kunden zwei bis drei Jahre warten. Sie können sich vorstellen, dass andere Kunden, die schon lange warten, dann sehr erbost sind und mich fragen, warum haben Sie dieses Modell an jemanden verkauft, der nur schnell was verdienen will.

In Deutschland ist die Nachfrage nach Schweizer Uhren im laufenden Jahr etwas zurückgegangen. Merken Sie das?

Nein. Wir produzieren insgesamt pro Jahr 55.000 Uhren. Wenn also die Nachfrage in einem Land um zwei oder drei Prozent sinkt, verkaufen wir die entsprechenden Uhren eben in einem anderen Land.

Wie viele Uhren werden Sie 2015 produzieren?

Wir erwarten etwa eine Produktion auf dem Niveau dieses Jahres von insgesamt rund 55.000 Uhren. Unsere Strategie ist nicht auf Sicht von drei, vier oder fünf Jahren ausgerichtet. Wir denken eher darüber nach, wo wir in zehn Jahren stehen, in 20 oder 25 Jahren.

Und, wie viele Uhren wird Patek in 25 Jahren bauen?

Vielleicht 57.000, vielleicht 58.000, vielleicht 60.000 (lächelt). Wir sind da sehr entspannt.