Die RWE-Aktie legte um 3,75 Prozent zu. Die Papiere von E.ON verteuerten sich um 5,8 Prozent.

Doch mit den Milliardensummen, auf die Versorger mit ihren Klagen gehofft hatten, dürfen sie wohl nicht rechnen. Denn der 2011 besiegelte Ausstieg aus der Atomenergie stelle entgegen der Argumentation der Konzerne keine Enteignung dar, erläuterte das oberste deutsche Gericht. Es forderte den Gesetzgeber dazu auf, bis Ende Juni 2018 den Ausgleich für die Investitionen zu regeln. Über die genaue Höhe könnte noch lange gestritten werden.

Die Konzerne hatten auf milliardenschwere Entschädigungen auch für entgangene Gewinne gehofft. So hatte allein E.ON seinen Schaden auf über acht Milliarden Euro beziffert. Bei RWE schätzten Analysten die Summe auf rund sechs Milliarden Euro. Vattenfall fordert 4,7 Milliarden Euro und klagt zudem vor einem internationalen Schiedsgerichtshof in den USA. Dem Gericht zufolge sind aber nur die Investitionen zu entschädigen, die nach der Verlängerung der AKW-Laufzeiten 2010 in dem Vertrauen getätigt wurden, dass dieser Beschluss Bestand hat. 2011 hatte die Bundesregierung nach der Katastrophe im japanischen Fukushima dann den beschleunigten Atomausstieg beschlossen.

BUNDESREGIERUNG SIEHT NUR KLEINE MÄNGEL



Die Höhe der Ausgleichszahlung bleibt damit zunächst unklar. RWE rechnet allerdings nicht mit Unsummen: "Für uns ist wichtig, dass wir Klarheit in einer für uns wichtigen Frage bekommen haben. Der Atomausstieg war in Teilen verfassungswidrig", sagte eine Sprecherin. Der Konzern werde erstmal das Vorgehen der Bundesregierung beziehungsweise des Gesetzgebers abwarten. "Dass es dabei nicht um die Milliardenentschädigungen geht, die in den Medien so häufig kolportiert worden sind, das ist mit Sicherheit richtig." E.ON erklärte, der Konzern habe ab Ende 2010 "hunderte Millionen Euro" in einen längeren Betrieb der Kernkraftwerke investiert. Man sei zu konstruktiven Gesprächen mit der Bundesregierung über die Umsetzung des Urteils bereit. Das könnte einige Zeit in Anspruch. "Mit kurzfristigen Zahlungen rechnet das Unternehmen daher nicht."

Auch Die Bundesregierung äußerte sich zufrieden mit dem Urteil. "Die Milliardenforderungen, wie sie den Konzernen vorgeschwebt haben, sind damit vom Tisch", sagte der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth. Die Kernelemente des Atomausstiegs von 2011 seien mit dem Grundgesetz vereinbar, es habe nur einzelne Mängel gegeben. Dafür solle es nun einen angemessenen Ausgleich geben und nicht zwingend einen vollständigen Wertausgleich. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley kritisierte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit ihrem Hin-und-Her bei der Atompolitik habe sie den Streit um Entschädigungen der Versorger erst ermöglicht.

Das Urteil bewege sich in einem Rahmen, mit dem Fachleute gerechnet hätten, sagte Union-Fraktionsvize Michael Fuchs der Nachrichtenagentur Reuters. Im welchem Umfang ein Teil der Betreiber darauf aufbauende Schadensersatzforderungen geltend machen könne, sei noch nicht seriös absehbar. "Ich erwarte hier keine Unsummen." Die Anti-Atom-Bewegung äußerte sich erleichtert. "Statt der geforderten 19 Milliarden Euro werden die AKW-Betreiber nur einen dreistelligen Millionenbetrag als Entschädigung für den Atomausstieg erhalten", schätzte der Sprecher der Anti-Atom-Organisation "ausgestrahlt", Jochen Stay.

GERICHT: EIGENTUM WURDE BEEINTRÄCHTIGT





Der beschleunigte Ausstieg aus der Atomenergie erweise sich "weitgehend als eine zumutbare" Beschränkung des Eigentums, heißt es in dem 129-seitigen Urteil des Verfassungsgerichts. Auch die fixen Abschaltzeiten wurden vom Ersten Senat im Grundsatz gebilligt. Aber das Gesetz enthalte keine Ausgleichszahlungen für Investitionen, die von den Energiekonzernen zwischen 2010 und 2011 vorgenommen wurden. Also in der Zeit, in der ihnen eine Verlängerung der Laufzeiten zugebilligt wurde. In dieser Zeit habe für die Energiekonzerne aber ein schutzwürdiges Vertrauen bestanden.

Außerdem sei es aufgrund des beschleunigten Ausstiegs für Vattenfall und RWE nicht mehr möglich, die im Jahr 2002 zugesprochenen Reststrommengen noch konzernsintern zu verbrauchen. Diese Eigentumsbelastungen seien unverhältnismäßig. Hier müssten Ausgleichszahlungen, Entschädigungen oder Übergangsregelungen geschaffen werden, so das Urteil. Die Defizite seien für die klagenden Betreiber "nicht unerheblich", heißt es im Urteil weiter. Sie würden gemessen an der Gesamtregelung der Atomwende von 2011 aber "nur Randbereiche" betreffen.