Herr Halver, Investoren haben die Frankreich-Wahl mit großer Sorge verfolgt. Nun hat der europafreundliche Emmanuel Macron den ersten Wahldurchgang für sich entschieden und trifft in der Stichwahl in zwei Wochen wie erwartet auf die Euro-Gegnerin Marine Le Pen. Fast alle unterlegenen Kandidaten haben bereits ihre Unterstützung für Macron angekündigt. Sind die Sorgen um ein mögliches Ausscheiden Frankreichs aus der EU jetzt einigermaßen gebannt?

Robert Halver: Es ist zu hochwahrscheinlich, dass Herr Macron die Stichwahl gewinnt. Er ist Europa-freundlich, steht zur Marktwirtschaft und will Wirtschaftsreformen machen. Damit ist ein Handicap für Frankreich, aber auch Europa zunächst vom Tisch. Frankreich bliebt ein EU- und Euro-Land. Auch wird der deutsch-französische Motor wieder stärker werden, der unter Präsident Hollande nahezu keine Leistung mehr brachte. Das größte politische Risiko für die Eurozone im Jahr 2017 ist damit gebannt. Frankreich ist für Europa systemrelevant. Wäre es zu einer Stichwahl zwischen Links- und Rechtspopulisten gekommen, hätte man die letzte Ölung der Eurozone schon bestellen können.

Die letzte Ölung für die Euro-Zone ist abgeblasen.
Robert Halver, Kapitalmarkt-Experte der Baader Bank, zum Ergebnis des ersten Durchgangs der Präsidentschaftswahlen in Frankreich.


Welche Reaktion erwarten Sie an den Finanzmärkten bis zur Stichwahl in zwei Wochen: Kommt jetzt die große Erleichterungsrallye oder bleibt die Handbremse bis Anfang Mai noch angezogen?

Zunächst werden wir es mit einer Erleichterungsrallye zu tun haben. Ein Damoklesschwert für Europa ist zunächst verschwunden. Und da die meisten der unterlegenen Präsidentschaftskandidaten eine Wahlempfehlung für Macron ausgegeben haben, wird er die Stichwahl gewinnen. Damit ist die Handbremse für die Aktienmärkte gelöst.

In den Tagen nach der tatsächlichen Wahl Macrons im Rahmen der Stichwahl könnte es allerdings zu Gewinnmitnahmen kommen. Denn dann muss er sagen, welche Reformen er vorhat. Das Land braucht diese dringend. Er muss liefern. Und Wirtschaftsliberalismus in Frankreich mit Reformen umzusetzen, ist schon so etwas wie die Quadratur des Kreises. Außerdem hat er als Quereinsteiger keine parlamentarische Hausmacht. Da wird es noch schwerer, wirtschafts- und finanzpolitisch schwierige Hausaufgaben zu machen.

Die Krisenwährung Gold wird an Glanz verlieren.
Robert Halver zu den kurzfristigen Aussichten des Edelmetalls.


Der Goldpreis hat angesichts der wachsenden Sorgen zuletzt spürbar zugelegt. Geht dem Edelmetall jetzt wieder die Puste aus?

Die Krisenwährung Gold wird an Glanz verlieren. Denn vor dem Hintergrund der französischen Präsidentschaftswahl scheitert Europa noch nicht. Ich sehe jedoch keine dramatischen Einbrüche. Die dramatische Staatsverschuldung der Welt und ein Europa, dass zwar jetzt Erleichterung verspürt, ist noch lange nicht aus dem Schneider. Herr Macron muss ein wirtschaftskrankes Frankreich gesunden. Er muss für eine Perspektive der bislang Arbeitslosen sorgen.

Dazu hat er fünf Jahre bis zur nächsten Wahl Zeit. Schafft er diese Herkulesaufgabe nicht, könnten 2022 durchaus extreme Europa-feindliche Parteien an die Macht in Paris kommen. Insofern ist Frankreich eine tickende politische Zeitbombe auch für Europa. Und Macron hat nur fünf Jahre Zeit sie zu entschärfen. Für Gold gibt es insgesamt genügend Gründe.

Der Euro hat zunächst ebenfalls positiv auf den Wahlausgang reagiert. Welche Entwicklung erwarten Sie hier im Verhältnis zum US-Dollar für die nächsten Monate?

Die Eurosklerose wird zunächst nicht gespielt. Das hilft dem Euro. Er wird sich gegenüber US-Dollar stabilisieren. Er kann sich auf 1,10 einpendeln. Das hängt auch damit zusammen, dass Trump seine Trumponomics nicht wirklich durchbekommt und daher die US-Notenbank keine scharfe Zinserhöhungsrunde durchführen muss. Zudem könnte der europäische Aktienmarkt an internationaler Attraktivität gewinnen gemäß dem Motto: Hurra, wir leben noch!

Vive la Trance statt Vive la France!
Robert Halver zur angeschlagenen Wirtschaft Frankreichs.


Frankreich steht vor großen Herausforderungen. Der Arbeitsmarkt gilt als überreguliert, die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Haushalts-Neuverschuldung lag zuletzt deutlich über dem EU-Zielwert von drei Prozent. Trauen Sie Macron im Falle seiner Wahl zu, Frankreich auch wirtschaftlich wieder in die Spur zu bringen?

Er hat gar keine andere Wahl. Frankreich ist wirtschaftlich kaum noch lebendig, liegt auf der Intensivstation. Ohne massive Reformpolitik fährt das Land an die Wand: Vive la Trance statt Vive la France! Der politische Reformprozess wird deutlich heftiger werden als der in Deutschland mit der Agenda 2010.

Frankreich ist mit Abstand der wichtigste Partner Deutschlands in der EU. Mit dem scheidenden Präsidenten Francois Hollande hat Bundeskanzlerin Angela Merkel nach anfänglichen Schwierigkeiten in nahezu allen wichtigen Punkten auf einer Linie gelegen. Bei Macron zeichnen sich allerdings in wichtigen Punkten Differenzen ab, etwa in der Frage der Ausgabe von gemeinsamen Euro-Anleihen, die Deutschland entschieden ablehnt. Bekommt die deutsch-französische Achse mit der Wahl Macrons eine Unwucht, die die Lage in der EU weiter spürbar eintrüben könnte?

Das sehe ich völlig anders. Unter Hollande hat die deutsch-französische Freundschaft und damit auch der europäische Motor viel an Kraft verloren. Es waren fünf verlorene Jahre. Natürlich wird es mit Macron Reibungen geben. Beide Länder sind ja auch Konkurrenten. Aber trotz dieser Differenzen begreifen beide, dass es in einer globalen Welt keine Lösung ist, ein schwaches Europa zu haben. Ja, es wäre geopolitischer Selbstmord. Beide Länder müssen gemeinsam Erfolg haben. Das schweißt zusammen. Scheitern ist keine Option.