Die Kräfte, die in dem Riesenreich mit bald 600.000 Beschäftigten stecken, hat VW-Chef Martin Winterkorn aber nach Überzeugung von Branchenexperten noch nicht entfacht. "VW verkauft mehr Autos denn je, wird aber einfach nicht profitabler", sagt Arnd Ellinghorst vom Analysehaus Evercore ISI. Er kritisiert, dass der Konzern mit zwölf Marken und mehr als 300 Automodellen zu komplex sei.

Experten gehen davon aus, dass der Betriebsgewinn im abgelaufenen Geschäftsjahr um 7,5 Prozent auf 12,5 Milliarden Euro geklettert ist. Das Ergebnis läge damit am oberen Rand der vom Management prognostizierten Spanne. Die größte Baustelle bliebe den Niedersachsen allerdings erhalten: Die Hauptmarke VW schwächelt nach wie vor. Ihr operatives Ergebnis ist den Analystenschätzungen zufolge im vergangenen Jahr um 16 Prozent geschrumpft. Die Rendite lag im Schlussquartal demnach bei 2,9 Prozent. Toyota glänzte zwischen Oktober und Dezember mit knapp zehn Prozent. Winterkorn hat deshalb ein milliardenschweres Sparprogramm aufgelegt, um der Ertragskraft auf die Sprünge zu helfen. Die ersten Früchte der Sparbemühungen will VW ab dem laufenden Jahr ernten.

Angeschoben wird der Gewinn von den beiden Premiumtöchtern Audi und Porsche, die zusammen fast zwei Drittel des Gewinns einfahren. Dagegen schwächelt die Lkw-Tochter MAN, weil das Geschäft in Südamerika und Europa schleppend läuft. Anders als Marktführer Daimler ist VW zudem nicht in Nordamerika präsent, wo das Lkw-Geschäft brummt. Dies zu ändern, wird eine Aufgabe von Lkw-Boss Andreas Renschler sein, der Anfang Februar von Daimler zu Volkswagen wechselte. Er soll aus MAN und Scania eine schlagkräftige Allianz schmieden, die es mit Daimler und Volvo aufnehmen kann.

Auch die Pkw-Marken schöpfen nach Meinung von Experten noch lange nicht ihre Möglichkeiten aus. Zwar profitieren die Wolfsburger immer mehr von der Baukastentechnik, auf der nun auch der neue Passat basiert. Dadurch sinken die Kosten. Doch tanzt nach Wahrnehmung des Betriebsrats noch so manche Marke bei der Gleichteilestrategie aus der Reihe. Betriebsratschef Bernd Osterloh glaubt, dass VW wesentlich mehr als die angekündigten fünf Milliarden einsparen könnte, wenn sich alle an die Vorgaben hielten. Bei der Größe des Konzerns mit rund 200 Milliarden Euro Umsatz lägen große Potenziale brach. Insidern zufolge will VW über alle Marken hinweg zehn Milliarden Euro sparen. Zusammen mit den von Osterloh gesehenen Potenzialen wohl noch mehr.

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Um diese zu heben, muss der Konzern nach Meinung des Betriebsrats seine Strategie überdenken. "Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem wir gucken müssen, dass das alles steuerbar bleibt", sagt Osterloh. Während des rasanten Wachstums der zurückliegenden Jahre habe der Konzern versäumt, sich um das Zusammenspiel der in ihm schlummernden Kräfte zu kümmern. Was einzelnen Töchtern sinnvoll erscheine, müsse längst nicht für den gesamten Konzern wirtschaftlich sein.

Um die riesige Organisation besser zu koordinieren, könnte eine Strategie wiederbelebt werden, mit der Winterkorn bei seinem Amtsantritt vor acht Jahren experimentierte. Damals hatte der Konzernchef die Pkw-Marken zunächst in eine Premiumgruppe mit Audi, Bentley, Bugatti und Lamborghini und eine mit VW, Seat und Skoda zusammengefasst. Später gab er das Modell auf. Seither sind die Marken, zu denen inzwischen auch Porsche und der Motorradhersteller Ducati zählen, selbst für Entwicklung, Produktion und Vertrieb verantwortlich.

Hinter den Kulissen wird nun darüber nachgedacht, das Rad wenigstens ein bisschen wieder zurückzudrehen. Denkbar ist auch, dass im Vorstand weitere Ressorts für einzelne Fahrzeugsegmente geschaffen werden. Die Berufung von Porsche-Chef Matthias Müller in das oberste Führungsgremium des Konzerns könnte ein Hinweis dafür sein. Um seine Kräfte richtig zu nutzen, muss der Riese aus Wolfsburg seine Töchter jedenfalls besser in Zaum halten, fordert so mancher Insider. Wer die Eigenwilligkeit mancher Marken kennt, weiß: Ein Spaziergang wird das nicht.

Reuters