Der Abgas-Skandal bei Volkswagen ist noch keine Woche alt, dennoch hat "Dieselgate" bereits erhebliche (Kollateral-) Schäden angerichtet. Hier ein Überblick:

  • Kursmassaker

    : Die Papiere von Volkswagen verloren allein am Montag und Dienstag in der Spitze jeweils bis zu 23 Prozent. Im Zuge dessen verbuchten auch die Kurse der deutschen Konkurrenten Daimler und BMW deutliche Rückgänge. Die BaFin nimmt die Vorgänge unter die Lupe.

  • Prognosesenkung

    : VW hat im dritten Quartal 6,5 Milliarden Euro für vertrauensbildende Maßnahmen zurückgelegt und sein Gewinnziel für 2015 gekappt.

  • Rücktritte

    : VW-Konzernchef Martin Winterkorn hat seinen Rücktritt angekündigt. Insidern zufolge müssen wohl auch VW-US-Chef Michael Horn sowie die beiden Entwicklungschefs der Marken Audi und Porsche, Ulrich Hackenberg und Wolfgang Hatz, ihren Hut nehmen.

  • Vertrauensverlust

    : Der Abgas-Skandal hat das Image der Marke Volkswagen massiv beschädigt. Laut einer Umfrage des ZDF-Politbarometers gehen 54 Prozent der Befragten davon aus, dass die Manipulationen der Abgastests VW dauerhaft schaden werden.

  • Wirtschaftsschaden

    : Forscher befürchten gravierende Folgen für die gesamte deutsche Wirtschaft. Die VW-Affäre könnte viele Arbeitsplätze bedrohen, so Experten.

  • Ermittlungen

    : In den USA und Kanada rollt laut Medienberichten eine Flut von Sammelklagen auf VW zu. Demnach seien rund 40 Klagen von privaten Autokäufern und Autohändlern bei US-Gerichten eingereicht worden. In Deutschland prüft die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen VW-Mitarbeiter, die für die Abgas-Manipulationen verantwortlich sind.

  • Strafzahlungen

    : In den USA drohen VW Strafzahlungen von bis zu 18 Milliarden Dollar. Hinzu könnten Bußgelder in Europa kommen.

  • Untersuchungen

    : Zahlreiche Länder wie Frankreich, Großbritannien, Italien, Australien und Indien haben Überprüfungen angekündigt. Russland verlangt von VW Informationen über Diesel-Motoren. In Deutschland kümmert sich eine Untersuchungskommission des Bundesverkehrsministers Alexander Dobrindt um die Verfehlungen des Konzerns.

  • Kreditwürdigkeit

    : Die drei großen Ratingagenturen Moody’s, Fitch und S&P haben die Bonitätsnoten von VW heruntergestuft.


  • Was auf dieser Liste fehlt, sind die Reaktionen der Analysten - und zwar zu allen drei großen deutschen Autobauern. Diese wollen wir nun genauer unter die Lupe nehmen. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Daten vor und nach dem Bekanntwerden des Skandals.

    Auf Seite 2: Wie Analysten die Aktien bewerten





    Wie Analysten die Aktien bewerten





    Konsensrating: Akt. d\'schn. Rating aller Analysten, die während er letzten 12M. aktual. haben
    12M. Zielkrs: 12-monatiger Konsenszielkurs
    Ertragspotential: Das zukünftige Renditepotential auf Basis des Best Konsens Zielkurses und des letzten Kurses der Aktie
    LTM Rendite: Rendite des Wertpapiers in den letzten 12 Monaten


    Die erste Tabelle zeigt den Stand der Dinge am vergangenen Freitag, bevor die Nachricht von manipulierten Abgastests die Runde machte. Laut Daten des Finanzdienstleisters Bloomberg lag das Konsensrating der Analysten für die VW-Aktie zum damaligen Zeitpunkt bei 3,92. Damit galt das Papier als starke Halteposition. Die Anteilsscheine von Daimler erhielten mit einem Rating von 4,31 das Prädikat "schwacher Buy". Die Titel von BMW wurden mit 3,28 Punkten mit "Hold" bewertet Das Kurspotenzial von VW und Daimler wurde jeweils auf fast 40 Prozent beziffert. BMW kam "nur" auf 18 Prozent.



    Eine Woche später, nachdem der Abgas-Skandal an Fahrt aufgenommen hat, kann man einige signifikante Veränderungen feststellen.

    Bei VW ist das Konsensrating im Vergleich zum vorigen Freitag von 3,92 auf 3,18 gesunken. Aus der starken Halteposition ist eine schwache Halteposition geworden. Grund dafür sind zahlreiche Herabstufungen. Kassiert der Hersteller noch mehr negative Analystenkommentare, droht ein Fall unter die 3er-Marke und damit eine Deklassierung auf "schwacher Sell".

    Anders als bei VW hat sich die Lage bei Daimler und BMW nicht verschlechtert. Im Gegenteil, beide konnten ihre Konsensratings leicht verbessern. Ebenfalls interessant: Durch die starken Kursverluste in den vergangenen Tagen haben sich die Ertragspotentiale bei allen drei Papieren deutlich erhöht.

    So viel zu den Zahlen. Werfen wir nun einen Blick auf ausgewählte Analystenkommentare nach dem Bekanntwerden des Skandals.

    Auf Seite 3: Wie Analysten die aktuelle Lage einschätzen





    Volkswagen



    Die

    DZ Bank

    rechnet mit einer Verschärfung der Testbedingungen bei der Emissionsmessung und erwartet von VW anhaltend negative Nachrichten. Entsprechend halten die Analysten einen höheren Risikoabschlag für gerechtfertigt. Die Margenziele für 2018 seien zunehmend ambitioniert. (Halten)

    Für

    Bernstein Research

    ist nicht Porsche-Chef Matthias Müller der Favorit für die Nachfolge von Konzernchef Winterkorn, sondern VW-Markenchef Herbert Diess. Dieser wäre die ideale Besetzung, um intern und extern zu zeigen, dass sich das Regime bei VW geändert habe, so die Experten. (Outperform)

    Das

    Bankhaus Lampe

    warnt vor einem frühzeitigen Einstieg bei der VW-Aktie. Der Kurs sei zwar stark eingebrochen, es gebe jedoch zu viele Unsicherheiten. Zudem rechnen die Analysten bis 2017 mit fallenden Umsätzen. (Verkaufen)

    Die

    NordLB

    fordert einen umfassenden Neuanfang bei VW. Der Konzern müsse einen Kulturwandel herbeiführen und generell über das USA-Engagement seiner Kernmarke nachdenken. Der durch den Skandal entstandene Gesamtschaden dürfte mindestens im einstelligen, wenn nicht zweistelligen Milliardenbereich liegen. Nach dem Kursrutsch sehen die Branchenkenner aber Aufholpotenzial in der Aktie. (Kaufen)

    Nach Einschätzung von

    JPMorgan

    befindet sich VW in einer umfassenden Neuaufstellung, die weitere personelle Konsequenzen nach sich ziehen dürfte. (Hold)

    Laut

    Kepler Chevreux

    dürften die personellen Änderungen die weiteren Geschicke bei VW maßgeblich beeinflussen. Der Nachfolger von Winterkorn dürfte aber vor denselben Herausforderungen stehen. Durch das Aufrücken des Finanzchefs Hans Dieter Pötsch in den Aufsichtsrat im November dürfte ein "kompletter Generationenwechsel" in den zwei Kernpositionen bei VW vollzogen werden, da dann auch die Ernennung eines neuen Finanzchefs anstehe. (Hold)

    Die

    Baader Wertpapierhandelsbank

    zeigt Unverständnis, warum der Detailfanatiker Winterkorn von den Manipulationen nichts gewusst haben soll. (Buy)

    Morgan Stanley

    bezweifelt angesichts der für VW erwarteten Strafzahlungen, dass die milliardenschweren Rückstellungen für das dritte Quartal an die wahren Kosten heranreichen. Da sich die meisten Anleger nun zu Recht fragen dürften, wie verbreitet die bei VW aufgedeckte Praxis womöglich in der Autoindustrie im Allgemeinen ist, habe sich zudem das Risiko für die gesamte europäische Branche erhöht, schrieben die Analysten. (Equal-Weight)

    Aus Sicht von

    Independent Research

    trifft VW mit den Rückstellungen zwar die Vorsorge für Rückrufkosten, mögliche Abschreibungen bei den Finanzdienstleistungen und Hilfen für Händler, aber nicht für mögliche Strafzahlungen in den USA. In den kommenden Monaten dürften weitere finanzielle Belastungen auf den Konzern zukommen. Der jüngste Kurssturz der Aktie sei aber übertrieben gewesen, erklärten die Experten. (Halten)

    Merrill Lynch

    hält den massiven Kurseinbruch noch nicht für überzogen und warnt davor, bei aller Fokussierung auf den aktuellen Skandal die großen Probleme in China zu vergessen. (Underperform)

    Der VW-Skandal und der Absturz der Aktie seien ein Alptraum für die Aktionäre, urteilt die

    Deutsche Bank

    . Selbst nach dem hohen Kursverlust biete sich noch keine Kaufgelegenheit, denn das volle Ausmaß des Skandals dürfte noch länger im Dunkeln liegen. (Hold)

    Nach Einschätzung der

    BNP Paribas

    rechnet der Markt mit dem Schlimmsten für VW. Die Glaubwürdigkeit des Konzerns stehe infrage, ebenso wie die Chancen, in den USA wieder auf die Füße zu kommen. Zudem dürfe sich der rückläufige Absatztrend bei Dieselfahrzeugen kaum stabilisieren, so die Analysten. (Neutral)

    Die

    UBS

    erkennt einen großen Imageschaden mit bislang unklaren finanziellen Folgen für VW. Dennoch schätzen die Experten die Aktie weiterhin positiv ein. Der Grund: VW sei einer der wenigen Autobauer mit bedeutendem Ergebnis- und Kapitalpotenzial. (Buy)

    Goldman Sachs

    beschreibt den Imageverlust für VW über den finanziellen Schaden hinaus als erheblich. Zudem könnte der Skandal nach Einschätzung der Branchenkenner die geplante Absatzoffensive von Diesel-Fahrzeugen deutscher Hersteller in den USA erschweren. (Sell)

    Laut

    Equinet

    ist der Skandal ein großer Rückschlag für VW - auch in anderen Absatzmärkten. Dem Konzern drohten eine hohe Strafe und weitere finanzielle Belastungen durch die Einführung zusätzlicher interner Kontrollen. (Reduce)

    Die

    Societe Generale

    betont noch nie dagewesene Risiken in puncto Finanzen und Reputation. Die gesamten Belastungen für den Autokonzern seien noch gar nicht absehbar, schrieben die Experten. (Hold)

    Auf Seite 4: Daimler





    Daimler



    Daimler habe bei seinen Abgastests zwar nicht manipuliert, dennoch dürfte der VW-Skandal auch die Aktie des Stuttgarter Konzerns belasten, urteilt die

    DZ Bank

    . Wegen des beschädigten Images dürften sich Autos mit Dieselantrieb künftig schlechter verkaufen. Zudem sei wegen möglicher Verschärfungen der Abgastests mit Mehrkosten zu rechnen, die sich nur bedingt an die Endkunden weitergeben ließen. Das wiederum dürfte die Margen des gesamten Automobilsektors belasten. (Halten)

    Nach Einschätzung der

    BNP Paribas

    sieht die Zukunft für die Dieseltechnologie inzwischen immer düsterer aus - obwohl die Hersteller beteuerten, dass ein Diesel nach der Euro-6-Norm eine saubere Sache sei. Für 2017 anstehende Praxistests in Europa sollten zeigen, dass die Wagen im normalen Fahralltag Grenzmarken für Stickoxide nicht einhalten könnten. (Neutral)

    Der Abgas-Skandal könnte weitreichende Folgen für die Autoindustrie haben und zu genaueren Untersuchungen auch bei anderen Herstellern führen, schrieb in die Experten von

    Kepler Chevreux

    . Langfristig könnte dieses Problem die Diesel-Akzeptanz der amerikanischen Autokäufer beeinträchtigen. Diesel-Fahrzeuge machten bei Daimlers Autosparte 33 Prozent der globalen Umsätze aus, bei BMW seien es 38 Prozent. (Hold)

    Auf Seite 5: BMW





    BMW



    Laut

    DZ Bank

    dürfte der VW-Skandal auch die BMW-Aktie belasten. Die drohenden Verschärfungen der Abgastests sollten zu Mehrkosten führen, die sich nur bedingt an die Endkunden weitergeben ließen. Das dürfte auf die Margen des Automobilsektors drücken. (Halten)

    Das

    Bankhaus Lampe

    hat BMW in seine "Alpha Liste" aufgenommen. Der deutliche Kursrückgang in Reaktion auf die Marktschwäche in China sei übertrieben, so die Experten. Da die Aktie derzeit billig zu haben sei, sollten Anleger zugreifen. (Kaufen)

    Nach Einschätzung der

    BNP Paribas

    sieht die Zukunft für die Dieseltechnologie inzwischen immer düsterer aus - obwohl die Hersteller beteuerten, dass ein Diesel nach der Euro-6-Norm eine saubere Sache sei. Für 2017 anstehende Praxistests in Europa sollten zeigen, dass die Wagen im normalen Fahralltag Grenzmarken für Stickoxide nicht einhalten könnten. (Underperform)

    Mit Material von dpa

    Zum Autor: Nikolaus Hammerschmidt ist seit 2011 Online-Redakteur bei boerse-online.de. Er schreibt über Aktien, insbesondere (Rück-) Versicherer. Zudem verfasst er das wöchentliche "Leserinvestment" in der Heftausgabe.