Für Kritik ist Volkswagen-Chef Martin Winterkorn nicht sonderlich empfänglich. Jahrelang wies etwa Prof. Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research an der Uni Duisburg-Essen auf die homöopathischen Ergebnisbeiträge der Kernmarke VW hin. Der Arbeitsaufwand pro produziertem Fahrzeug sei im Wettbewerbsvergleich viel zu hoch, rechnete Dudenhöffer den Wolfsburgern in schöner Regelmäßigkeit vor. Doch im harmonie-süchtigen Volkswagen-Vorstand wollte sich lange keiner die Finger verbrennen.

Das ist jetzt vorbei. VW leide unter "Gigantomanie", die Ertragskraft der Marke müsse "dringend" verbessert werden, forderte Winterkorn unlängst in einem Rundschreiben von seinen Führungskräften und gab gleich auch noch ein Einsparziel vor: Bis 2018 sollen die Kosten bei VW um fünf Milliarden sinken. Die operative Marge soll im selben Zeitraum auf sechs Prozent steigen.

Bremsklotz VW

Der Schritt ist überfällig. Im abgelaufenen Quartal schafften die Wolfsburger bei VW gerade mal flaue 2,1 Prozent nach 1,8 Prozent zum Jahresauftakt, wie aus den heute veröffentlichten Quartalszahlen hervorgeht.

Dabei waren die Zahlen dank starker Zwischenergebnisse bei Audi und Porsche insgesamt ziemlich in Ordnung. Zwischen April und Juni war das operative Ergebnis um überschaubare drei Prozent auf 3,3 Milliarden Euro geschrumpft. Das lag im Rahmen der Analysten-Erwartungen. Auch das Umsatz-Minus von zwei Prozent auf 50,2 Milliarden hatten die Auguren auf dem Zettel. Zudem bekräftigte Volkswagen - ungeachtet der Ukraine-Krise und der Währungsturbulenzen in wichtigen Schwellenländern - die Ziele fürs laufende Jahr. Danach peilt der zweitgrößte Autobauer der Welt für 2014 im Konzern eine operative Rendite von 5,5 bis 6,5 Prozent. Zum Halbjahr lag die Marge - also das Verhältnis aus operativem Ergebnis zum Umsatz - bereits bei 6,3 Prozent. Die Erlöse sollen sich gegenüber dem Vorjahr weiterhin um plus/minus drei Prozent bewegen.

Investoren hatten dagegen offenbar mit Schlimmerem gerechnet und zeigten sich entsprechend erleichtert. In einem schwachen Marktumfeld legte das Papier um über einen Prozent zu.

Bei VW kein Anlass zur Entwarnung

Zur Entwarnung besteht aber noch kein Anlass. Zwar hat VW hat mit der Einführung des modularen Baukastens zwar die richtigen Weichen gestellt. Mit der Methode Lego sollen künftig baugleiche Komponenten in unterschiedlichen Modellen zum Einsatz kommen, was die Kosten senkt und die Flexibilität und Entwicklungsgeschwindigkeit für neue Nischenmodelle erhöht. Doch das ambitionierte Projekt erweist sich als komplex. Im Wolfsburger Stammwerk können sie ein Lied davon singen. Weil die Ingenieure noch mit den Tücken des neuen Baukastensystems kämpfen, steht etwa die Produktion des neuen VW Golf derzeit immer wieder still.

Winterkorn wird sich davon nicht beirren lassen. Zur Methode Lego gibt es keine Alternative. Wenn das modulare Baukastensystem ausgerollt ist und das Einsparprogramm anrollt, dürfte die Ertragskraft von VW und des Gesamtkonzerns spürbar steigen.

Auf Seite 2: Wie wir die weitere Kursentwicklung einschätzen, welcher Stopp sich nun anbietet

Einschätzung der Redaktion

Volkswagen hat die Dinge bei VW lange schleifen lassen. Zwar setzte Konzern-Chef Martin Winterkorn ähnlich wie die Konkurrenz auf ein effizientes Baukastensystem. Doch die Umsetzung erweist sich als tückisch. Dafür fährt Porsche im Premium-Segment auf der Überholspur. Bei Audi fehlen 2014 zwar die volumenträchtigen Neuheiten. Doch im nächsten Jahr drehen die Ingolstädter wieder auf.

Charttechnisch ist der jüngste Abwärtstrend der VW-Aktie nach dem Unterschreiten der 200-Tage-Linie noch nicht gebrochen. Allerdings bildet die Aktie derzeit bei 174 Euro eine Unterstützung aus. Anleger können die jüngsten Rückschläge zum Einstieg nutzen, setzen aber einen Stopp bei 162,00 Euro. Kurzfristig könnte eine technische Gegenreaktion das Papier wieder auf 190 Euro treiben, wo die 200-Tage-Linie verläuft. Unser Kursziel auf Sicht von zwölf Monaten: 204 Euro. Kaufen.