Herr Pieper, das Bundesverwaltungsgericht hat heute sein mit Spannung erwartetes Urteil zu möglichen Fahrverboten gefällt. Entsprechende Regelungen seien grundsätzlich zulässig, entschieden die Leipziger Richter. Wie schlimm ist das Urteil für die deutschen Autobauer?
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts war im Kern so zu erwarten. Das hat sich auch in den Kursverläufen der Auto-Aktien widergespiegelt. Von daher ist das alles kein Drama.

Kommt die Branche jetzt überhaupt noch an einer Hardware-Umrüstung vorbei?


Eine Hardware-Umrüstung könnte ein Weg sein. Ich denke, dass die Autobauer hier wohl auch zustimmen würden, sofern es um jenen Teil der Dieselfahrzeuge mit dem höchsten Schadstoff-Ausstoß ginge und der Bund sich dabei finanziell beteiligen würden.

Welche finanziellen Folgen könnte das Urteil aus Leipzig für BMW, Daimler und Volkswagen also haben?


Die finanzielle Hauptlast bei den Autoherstellern dürfte sich im Wesentlichen aus den möglichen Wertverlusten der Leasingflotten ergeben. Andererseits sind die Flotten jung und der Anteil problematischer Diesel wird mit jedem Monat kleiner. Zudem können Teile der Flotten in anderen Ländern verkauft werden. Nehmen Sie Italien: Dort gibt es keinen Druck auf Dieselwagenpreise. Dazu kommen mögliche Umrüstkosten. Insgesamt reden wir am Ende über maximal zwei bis drei Milliarden für alle Autobauer zusammen.

Droht den Herstellern jetzt eine weitere Klagewelle von Käufern, die gutgläubig Fahrzeuge erworben haben und nun einen Schadenersatzanspruch geltend machen könnten?


Ich bin kein Jurist, aber ich denke nicht, dass Ansprüche eine plausible Grundlage haben, jedenfalls nicht im rechtlichen Sinne. Die Autos wurden alle nach entsprechenden Verfahren zugelassen.

Wie schnell müssen die Hersteller nun für das Urteil bilanziell Vorsorge treffen: Noch im laufenden Jahr?


Ob noch im laufenden Jahr hier viel passieren wird, ist offen. Die allermeisten Städte werden auf Zeit spielen und erst einmal Gremien einberufen und Papiere erstellen. Die wenigsten wollen ja Fahrverbote. Mit Ausnahme von vier bis fünf Städten sehe ich das auch nicht kommen.

Was heißt das Urteil für den Gebrauchtwagen-Markt? Können Fahrer älterer Diesel ihre Autos jetzt überhaupt noch verkaufen?


Die Preise werden sicher schnell um fünf bis zehn Prozent fallen. Aber Autos sind bewegliche Güter mit sehr gut funktionierenden Gebrauchtwagenmärkten. Viele andere Länder sind aufnahmewillig. Von daher gehen die Preise nicht in den Keller.

In einer ersten Reaktion auf das Urteil sind die Aktien der Autobauer am Dienstag abgerutscht. Ist das nur eine Momentaufnahme oder drohen nun weitere Kursverluste?


Wir haben deutliche Kursverluste über mehrere Wochen gesehen. Ich denke, dass die Szenarien, die diskutiert wurden, schlimmer waren als die Realität. Am härtesten trifft es die privaten Besitzer. Einige werden sich sogar Neuwagen kaufen, um die Probleme los zu sein.