Der Zahlungsdienstleister Wirecard bleibt ungeachtet jüngster Attacken eines dubiosen Research-Hauses für 2016 zuversichtlich. "Wir erwarten ein sehr starkes Jahr", sagte Wirecard-Chef Markus Braun auf der Bilanzpressekonferenz am Donnerstag in Aschheim bei München. Nach der unlängst angehobenen Prognose peilt Wireceard für 2016 ein Ebitda-Ergebnis von 290 bis 310 Millionen Euro an. Dies sei eine "konservative Schätzung", sagte Braun.

Man sehe keine negativen Auswirkungen aus der Veröffentlichung eines dubiosen Analysten-Reports. Die Entwicklung des Geschäfts sei "in keinster Weise dadurch beeinflusst worden", versicherte er gegenüber BÖRSE ONLINE. 2015 hatte das TecDax-Unternehmen das Ergebnis von Zinsen, Steuern und Abschreibungen um rund ein Drittel auf 227,3 Millionen Euro gesteigert.

Die Wirecard-Aktie war Mitte Februar nach der Veröffentlichung eines fragwürdigen Reports des bis dahin völlig unbekannten Research-Hauses Zatarra um rund ein Viertel abgestürzt. In dem anonymen Dokument wurde Wirecard unter anderem Betrug und Geldwäsche vorgeworfen.

Wirecard hatte die Anschuldigungen vehement zurückgewiesen und Zatarra eine gezielte Short-Selling-Attacke vorgeworfen. Dabei leihen sich Angreifer Aktien gegen eine Gebühr und verkaufen sie, um sie später auf einem niedrigeren Kursniveau zurückzukaufen. Die Differenz streichen die Hintermänner als Gewinn ein.

Seit Veröffentlichung des Zatarra-Reports hat sich die Wirecard-Aktie zwar etwas erholt. Allerdings liegt der Aktienkurs immer noch rund 18 Prozent unter dem Niveau vor der Veröffentlichung der Anschuldigungen.

Mit einer Transparenz-Offensive will das Unternehmen nun Anleger zurückgewinnen. Im aktuellen Geschäftsbericht gibt Wirecard Investoren bei verschiedenen Bilanzpositionen nun tiefere Einblicke in seine Entwicklung. So splittet das im TecDax notierte Unternehmen nun erstmals seine Forderungen auf und weist Forderungen aus dem Acquiring gesondert aus. Diese Position betrifft das transaktionsbasierte Kerngeschäft rund um Bezahlvorgänge von Online-Händlern. Dort verdient Wirecard pro Bezahlvorgang mit. Zudem gewährt das Unternehmen einen tieferen Einblick in seine Gewinnspannen in verschiedenen Regionen weltweit.

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Einschätzung der Redaktion

Der Wirecard-Aktie ist Mitte Februar zum wiederholten Male übel mitgespielt worden. Das Vorgehen gleicht jenem bei den vorangegangenen Attacken auf den Zalungsdienstleister. Dubiose Research-Häuser verfassen fragwürdige Studien und bringen den Kurs zum Absturz. Dafür kann Wirecard nichts. Für den laienhaften Umgang mit diesen Angriffen dagegen schon. Natürlich unterliegt Wirecard über seine Banktochter den strengen Kontrollen der Bafin, und mit Ernst & Young hat das Unternehmen auch angesehene Wirtschaftsprüfungsgesellschaft an Bord.

Aber Wirecard-Chef und Großaktionär Markus Braun macht es sich zu einfach, wenn er, wie am Donnerstag, auf entsprechende Nachfrage sagt, der Job des Vorstands sei es, sich um das operative Geschäft zu kümmern. Für den Rest gebe es die Spezialisten in der Investor-Relations-Abteilung. Ein Kurssturz, der binnen weniger Stunden eine Milliarde Euro Börsenwert vernichtet, ist Chefsache. Punkt.

Natürlich gibt es immer wieder Börsenphasen, in denen sich der Aktienkurs eines Unternehmens von der zugrunde liegenden Geschäftsentwicklung entkoppelt, worauf auch Braun gerne verweist. Aber der CEO ist der oberste Interessenvertreter der Aktionäre eines börsennotierten Unternehmens. Wenn der Kurs dramatisch abstürzt, ist es im Interesse aller Anteilseigner, dass der Boss sich des Themas persönlich annimmt - und zwar schnell. Wirecard ist kein Handwerksbetrieb. Ein paar Telefonate mit institutionellen Anlegern und ein Interview mit einer Nachrichtenagentur wie zuletzt bei Wirecard genügen den nicht den Ansprüchen an ein TecDax-Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung im Milliardenbereich.

Das zeigt sich auch an der Kursentwicklung. Von dem Absturz Mitte Februar hat sich die Aktie bislang nicht erholt. Die Gegenmaßnahmen des Vorstands haben also bislang kaum Wirkung gezeigt. Nun mag man berechtigterweise einwenden, dass das Börsenumfeld schwierig war. Aber die sehr schleppende Kurserholung offenbart eben auch, dass die wiederholten Shortselling-Attacken inzwischen immer tiefere Spuren im Aktienkurs hinterlassen.

Dazu bleibt weiterhin die Frage, wie sich das Unternehmen auf Dauer wirkungsvoll gegen Schmutzkampagnen a la Zatarra schützen will. Die Konzentration aufs operative Geschäft ist gut, ein bisschen mehr Transparenz hilft sicher auch. Aber ob dies genügt, um aggressive Shortseller von der nächsten Attacke abzuhalten, ist zweifelhaft und wohl auch etwas blauäugig.

Dabei müssten die Alarmglocken in der Zentrale im Aschheimer Gewerbegebiet längst schrillen. In Deutschland gibt es wohl kaum ein anderes börsennotiertes Unternehmen, dass so häufig ins Visier dubioser Angreifer geraten ist wie Wirecard. Das abzustellen, ist eine Kernaufgabe des Vorstands. Und da steht Wirecard noch immer am Anfang.

Immerhin: Operativ ist das Unternehmen gut unterwegs. Mit dem absehbaren Einstieg in den USA dürfte Wirecard demnächst auch auf dem letzten bislang unbeackerten relevanten Markt präsent sein.

Die Aussichten für das laufende Jahr bleiben gut. Auch mittelfristig ist der Markt vielversprechend. Bezahldienste im Internet stehen noch immer am Anfang. Wirecard ist hier - bei aller berechtigten Kritik etwa an der umstrittenen Abwicklung von Online-Spielen - sehr gut positioniert.

Aktionäre sollten bei einem Investment also viel Geduld und idealerweise auch eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen. Wenn nicht alles täuscht, dürfte der jüngste Kurssturz wohl kaum der letzte sein. Wer das verknusen kann, kann einsteigen. Alle anderen sollten sich an andere Aktien halten. Viele versprechen zwar weniger Rendite, aber einen ruhigeren Schlaf.

Nur für sehr risikobereite Anleger. Alle anderen warten ab.

Kursziel: 35 Euro. Stopp: 29,40 Euro. Halten.