Seit wenigen Jahren erweist sich der Binnenkonsum als wichtige Säule der heimischen Konjunktur. Vor allem der Internethandel gewinnt zunehmend an Bedeutung. Während viele US-Konzerne bereits seit Jahren im Onlinebereich aktiv sind und Erfahrungen sammeln, sieht die Lage in Deutschland teilweise noch bescheiden aus. Ein Fehler, denn der Milliardenmarkt bietet viel Fantasie. So rechnen die Analysten vom Bankhaus Lampe mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum auf dem deutschen Markt von zwölf Prozent p.a. bis 2020 und einem Anteil des E-Commerce am Einzelhandel von 14 Prozent. Vor rund zehn Jahren lag die Quote noch bei rund vier Prozent, 2015 dürften es neun Prozent gewesen sein. Die Dynamik wird weiter zunehmen, vor allem dank neuer mobiler Anwendungen. Bisher lassen sowohl die Qualität der mobilen Shopping-Lösungen als auch deren Bedienbarkeit und Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Zahlungsmethoden nur wenig Einkaufserlebnis aufkommen.

Die Aktionäre von Zalando können sich dennoch nicht beklagen. Ausgehend vom Ausgabepreis Ende September 2014 bei 21,50 Euro stieg die Aktie bis Dezember 2015 auf mehr als 36 Euro. Zuletzt stand der Wert ähnlich wie der Gesamtmarkt unter Druck, aktuell werden knapp 31 Euro verlangt. Die Papiere gibt es derzeit also mit einem ordentlichen Rabatt im Schaufenster - eine Gelegenheit, die Anleger nutzen sollten.

Kaum ein Unternehmen kann eine ähnliche Erfolgsgeschichte vorweisen wie die Berliner. Bereits sieben Jahre nach der Gründung ist der Konzern in 15 europäischen Ländern aktiv, rund 57 Prozent der Umsätze werden in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) erzielt. Schuhe waren zu Beginn der zentrale Eckpfeiler des Erfolgs, inzwischen ist Kleidung die wichtigste Produktkategorie.

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700 moderne Shops



Als Betreiber der größten europäischen Online-Shops für Mode und Accessoires befindet sich Zalando in einer hervorragenden Ausgangslage. Doch damit nicht genug, denn das derzeit mit 7,7 Mrd. Euro bewertete Unternehmen befindet sich im Wandel von einem Mode-Händler mit hoher technologischer Kompetenz hin zu einem Technologieunternehmen mit hoher Modekompetenz. Keine Frage, Kleidung verkaufen kann zwar auch lukrativ sein, die Perspektiven als Hightech-Konzern sind aber ungleich größer. In der zunehmend digitalen Welt machen clevere technische Lösungen den Unterschied. Da überrascht es nicht, dass Zalando die Anzahl der Entwickler von derzeit 800 auf 2000 bis Ende 2016 erhöhen will. Online-Shops bleiben zwar ein Kerngeschäft, der Bereich Dienstleister für den Modemarkt dürfte aber künftig stark an Bedeutung gewinnen.

Einen ersten Vorgeschmack bietet das Modul "Brand Solutions". Markenpartner wie Adidas, Nike, Under Armour, Calvon Klein, Timberland und 45 weitere Unternehmen gestalten dabei selbst einen "Online Flagship Store" auf der Zalando Seite, rund 700 dieser Shops wurden bereits in 15 europäischen Ländern umgesetzt. Wichtig gerade für die Partner sind natürlich auch vielfältige Analysemöglichkeiten zum Kundenverhalten mit Verkaufsstatistiken und Prognosemodellen, um die Bedürfnisse optimal zu treffen. Hier setzt Zalando ebenfalls an und präsentiert sich somit als Dienstleister für den Modemarkt.

Noch einen großen Schritt weiter geht die Kooperation mit Adidas, die vom Bankhaus Lampe als Evolutionssprung eingestuft wird. Zalando bindet in einem Pilotprojekt die Warenbestandsdaten aus der Logistik von Adidas in sein System ein. Sollten Adidas-Produkte aufgrund hoher Nachfrage bei Zalando nicht mehr verfügbar sein, können die Berliner direkt aus dem Logistikzentrum von Adidas die Waren an den Kunden versenden. Die Vernetzung gewährleistet nicht nur eine hohe Verfügbarkeit, sondern dürfte sich auch als wichtiger Meilenstein bei der späteren Anbindung der Filialnetze herausstellen. Ein Nachteil im Onlinehandel ist bisher die vergleichsweise lange Lieferzeit, viele Kunden wollen ihr Produkt sofort in den Händen halten. Mit der digitalen Vernetzung dürfte die Zustellzeit deutlich sinken.

Flankiert werden die modernen technischen Lösungen durch neue Logistikzentren. Bis 2017 sollte auch der Standort in Mönchengladbach voll ausgelastet sein, in Lahr nahe der französischen Grenze soll bald ein weiteres selbstbetriebenes Logistikzentrum stehen. Ab Herbst 2016 startet der Testbetrieb, um vor allem Kunden in Süddeutschland, der Schweiz und Frankreich zu bedienen.

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Kursziele bieten noch sehr viel Potenzial



Lampe-Experte Peter Steiner rechnet daher in den kommenden fünf Jahren mit einem jährlichen Wachstum von 20 bis 30 Prozent. Zalando selbst peilt bisher 20 bis 25 Prozent an. Eine Erhöhung des langfristigen Zielkorridors auf dem Kapitalmarkttag am 22. März oder bereits bei der Management-Prognose für 2016 am 1. März wäre aber keine Überraschung. Dann werden auch die endgültigen 2015er-Zahlen präsentiert. Die kürzlich veröffentlichten Eckdaten überzeugten mit einer Wachstumsrate für das vergangene Jahr von 33,5 bis 33,8 Prozent bei einer bereinigten Marge von 3,3 bis 3,9 Prozent. "2015 war ein herausragendes Jahr für uns. In unserem ersten Jahr als börsennotiertes Unternehmen haben wir unser Wachstum deutlich beschleunigt, wichtige langfristige Investitionen getätigt und sind klar profitabel geblieben. Auf diesem Weg werden wir weitermachen", sagte Rubin Ritter, Mitglied des Vorstands.

Positiv dürfte sich künftig auch die geringere Marketing-Kostenquote von derzeit zwölf auf rund acht bis zehn Prozent bemerkbar machen. Börse Online ist ebenfalls schon seit Monaten von der Aktie überzeugt und sieht das Kursziel bei 46,50 Euro, rund 50 Prozent über dem aktuellen Niveau. Lampe ruft 47 Euro auf und verweist vor allem auch auf die langfristigen Potenziale der stärkeren Digitalisierung. In der jüngsten Analystenstudie rechnet die Profis bis 2020 mit einem Umsatz von rund zehn Mrd. Euro. Angelehnt an die Bewertungen der Konkurrenz wäre sogar ein Kurs von 80 Euro noch gerechtfertigt.

Bis der Wert in diese Regionen vorstößt, dürfte aber selbst bei einer unverändert starken Geschäftsentwicklung und freundlichen Börsen noch viel Zeit vergehen. Solange der Konzern prozentual zweistellige Umsatzwachstumsraten vorlegt, stellt auch die Bewertung mit einem 2016er-KGV von 61 kein Hindernis dar. Gerade Anleger mit einem längerfristigen Horizont sollten aber die besonderen Perspektiven der Aktie nicht unterschätzen. Bisher liegt der Marktanteil von Zalando am europäischen Fashion-Markt - der ein Volumen von rund 420 Mrd. Euro bietet - trotz des Wachstums bei unter einem Prozent. Selbst auf dem Heimatmarkt beträgt die Quote bei lediglich 1,3 Prozent, bei Schuhen sind es rund vier Prozent. Hier besteht somit noch viel Luft nach oben, was auch für die Expansionspläne gilt. In Großbritannien dürfte der Marktanteil mit einem besseren Angebot schon bald steigen, während die Eröffnung eines Distributionszentrums in Italien das Geschäft in Südeuropa beleben sollte.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. www.index-radar.de