Die Fallhöhe war groß. Wegen ihres dynamischen Wachstums wurde die Türkei jahrelang als "China Europas" gefeiert. Schnee von gestern. Seitdem die Währungen in den Schwellenländern eingebrochen sind, haben viele Anleger ihren Ausflug in die Anlageregionen, die einst hohe Renditen versprachen, beendet. Die Türkische Lira kam besonders heftig unter die Räder: In den vergangenen zwölf Monaten wertete sie gegenüber dem US-Dollar um rund 20 Prozent ab. Die türkische Notenbank sah jüngst keine andere Möglichkeit, diesem Trend entgegenzusteuern, als den Leitzins von bisher 4,5 auf zehn Prozent zu erhöhen.

Auslöser für den Einbruch in den Emerging Markets ist die angekündigte Straffung der amerikanischen Geldpolitik, die die Renditen von US-Staatspapieren wieder attraktiver macht und viele Anleger in den sicheren Hafen zurückkehren lässt. Im Januar zogen Investoren innerhalb von nur einer Woche mehr als sechs Milliarden Dollar aus Aktienfonds ab, die in die Emerging Markets investieren.

Aus der Türkei floss besonders viel Kapital ab. Das Problem: Die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahre resultiert nicht aus der Produktivität des Landes, sondern aus dem Zufluss ausländischen Kapitals. Und: "Rund 70 Prozent des türkischen Wirtschaftswachstums basiert auf dem Inlandskonsum. Zugleich weist das Land ein beständiges Leistungsbilanzdefizit auf. Bleibt der Kapitalzustrom aus, kann der Konsum nicht fortgesetzt werden", sagt Jörg Rohmann, Chefanalyst von Alpari Deutschland. Der Experte verweist darauf, dass sich in der vergangenen Dekade die Privat- und Unternehmensverschuldung in der Türkei stark ausgeweitet habe. Angesichts der drastischen Zinserhöhung sei es nun schwieriger, die Zinslast zu bedienen und den Konsum sowie neue Investitionen aufrechtzuerhalten. "Die Türkei präsentiert sich als eines der schwächsten Schwellenländer in der aktuellen Krise", so Rohmann.

Nicht nur die makroökonomische Lage macht Sorgen. Die innenpolitischen Unruhen und die Korruptionsskandale der Politiker sind ebenfalls schlechte Nachrichten für Anleger. Zum Feiern dürfte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, der am 26. Februar 60 Jahre alt wird, nicht zumute sein. Der autoritäre Staatschef scheint sich zudem immer weiter von europäischen Standards zu entfernen. Jüngstes Beispiel ist das beschlossene Gesetz zur Verschärfung der Internetkontrolle, wodurch einzelne Webseiten aufgrund einer angeblichen Beleidigung ohne Gerichtsbeschluss gesperrt werden können.

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Wo Langfristchancen liegen

Der wichtigste türkische Aktienindex, der ISE 100, hat von Ende Mai 2013 bis heute rund 30 Prozent seines Werts verloren. Zuletzt tendierte er allerdings wieder leicht aufwärts. Der Markt ist derzeit nur etwas für mutige Anleger. Antizyklische Investoren, die gern "kaufen, wenn die Kanonen donnern", haben die Möglichkeit, günstig einzusteigen. "Langfristig sprechen wir den Sektoren Luftfahrt, Baustoffe, Konsum und Einzelhandel Aufwärtspotenzial zu - dank der guten demografischen Situation und des immer noch starken Wachstumspotenzials der türkischen Wirtschaft", sagt Gerold Permoser, Chief Investment Officer bei Erste Asset Management in Wien.

Für Privatanleger ist es hierzulande schwierig, türkische Aktien zu kaufen - sie bräuchten für den Direkthandel eine türkische Steuernummer. Stattdessen können sich Anleger über Fonds und Zertifikate engagieren. Zu den meistgehandelten Exchange Traded Funds (ETF) an der Börse Stuttgart gehörte Ende Januar der iShares MSCI Turkey ETF (WKN: A0LGQN). Mit 25 enthaltenen Titeln deckt der Index MSCI Turkey rund 85 Prozent des türkischen Aktienmarkts ab.

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