Wer in Großbritannien mit offenen Augen das Verhalten der Briten beobachtet, dem fällt schnell auf - ohne Plastikgeld geht in der Monarchie wenig. Ob das Bier im Pub oder im Supermarkt - bezahlt wird stets mit der Kreditkarte. Nicht etwa nur aus Bequemlichkeit, sondern weil man so leicht das leere Konto überbrücken kann. Und klamm sind viele Briten. Knapp neun Millionen sollen laut der Schuldnerberatung Stepchange ihre täglichen Besorgungen auf Kredit erledigen müssen.

Wer so schlecht haushaltet, bekommt nun noch größere Geldprobleme. Denn die Bank of England hat in dieser Woche erstmals seit Juli 2007 den Leitzins angehoben. Zwar nur moderat von 0,25 auf 0,50 Prozent. Dies war jedoch nötig, da die Inflationsraten zuvor vor allem aufgrund der Schwäche des Pfund gestiegen waren. "Das Zeichen dieser Zinserhöhung ist deutlich bedeutender als die tatsächliche ökonomische Auswirkung. Sie nimmt lediglich jenen Schnitt zurück, der nach dem EU-Referendum vorgenommen wurde, um jegliche wirtschaftliche Folgen abzuwehren. Aber es ist eine hilfreiche Erinnerung vor allem für die junge Generation, dass Zinsen - und die Kosten von Schulden - nicht nur fallen, sondern auch steigen können", kommentiert Lucy O’Carroll, Chefvolkswirtin von Aberdeen Standard Investments.

Das ist ihrer Meinung nach vor allem in einer Zeit wichtig, in der das Wachstum der Konsumentenverschuldung besorgniserregend ist. Die britischen Zinsen sind aber wie fast überall in der westlichen Welt gemessen an historischen Standards immer noch extrem niedrig. Allerdings könnte dies ebenso wie in den USA der Beginn eines neuen Zyklus von Zinserhöhungen sein. Das würde gerade die angelsächsischen Volkswirtschaften sehr empfindlich treffen. Für ihr Wachstum ist die bislang unerschütterliche Konsumfreude lebensnotwendig.

Allerdings dürfte der britische Notenbankpräsident Mark Carney in nächster Zeit sicherlich zu gerne an der Zinsschraube drehen, damit er wieder genügend Pulver hat, um gegenzusteuern, falls der Brexit schlimme Auswirkungen auf die britische Wirtschaft hat. In dem Fall könnte dann die Notenbank das Quantitative Easing wieder aufleben lassen. Aber bei einem Zinssatz von 0,5 Prozent dürfte es kaum Wirkung haben.

Experten wie Jeremy Lawson, Chefvolkswirt von Aberdeen Standard Investments, erwarten keine großen Zinssprünge nach oben. "Trotz der hohen symbolischen Bedeutung der heutigen Zinserhöhung wird dies nur ein sehr flacher und allmählicher Verknappungszyklus sein. Wir gehen davon aus, dass die Bank of England in den nächsten Jahren die Zinsen höchstens noch dreimal anheben kann. Die Verunsicherung durch den Brexit, das niedrigere Potenzialwachstum und das erhöhte Niveau der Konsumentenkredite begrenzen den Spielraum für hohe Zinssätze, die die Wirtschaft verkraften kann."