Eine neue Regelung in Amerika bremst Anleger und Emittenten hierzulande aus: Seit Januar gibt es keine Derivate auf viele US-Aktien und -Aktienindizes mehr zu kaufen. Von Emmeran Eder

Seit Jahresanfang können Anleger keine Derivate mehr auf die meisten US-Aktien und viele US-Aktienindizes kaufen. Schuld daran ist die amerikanische Steuerbehörde IRS. Sie hat im Herbst 2015 den Paragrafen, der die Quellensteuerpflicht regelt, zum 1. Januar 2017 auf derivative Finanzinstrumente, die US-Aktien als Basiswerte enthalten, ausgedehnt. Seither werden auch dividendenähnliche Erträge mit bis zu 30 Prozent besteuert, die Ausländer mit Derivaten auf amerikanische Aktien erzielen.

Um US-Strafen vorzubeugen, stoppten daher Anfang Januar fast alle Emittenten den Verkauf von Derivaten auf US-Aktien und -Aktienindizes. Für Papiere, die vor 2017 gekauft wurden, gilt Bestandsschutz. Sie sind frei von der US-Steuerpflicht veräußerbar.

Hintergrund der Regelung ist die Furcht des Fiskus, dass Nicht-US-Bürger mithilfe von Finanzprodukten wie Zertifikaten oder Derivaten die Dividendensteuer auf US-Aktien oder Aktienindizes umgehen. Die neue Quellensteuerpflicht soll diese vermeintliche Besteuerungslücke schließen. Das heißt, dass auch eigentlich nicht in den USA steuerpflichtige Personen dort Steuern zahlen müssen.

Betroffen sind vorerst Index-, Knock-out-, Faktor- sowie Outperformance- und Sprintzertifikate. Diese verbriefen den Kursverlauf eines Basiswerts - etwa der IBM-Aktie - eins zu eins oder gehebelt. Anleger kaufen aber nicht die Aktie, sondern eine Schuldverschreibung (das Zertifikat) einer europäischen Bank, die den Aktienkurs nur abbildet. Schüttet IBM Dividenden aus, rechnen Emittenten diese in den Zertifikatekurs ein. Damit greift die Quellensteuer.

Emittenten planen neue Produkte



Obwohl Europas Banken bereits seit mehr als einem Jahr mit den US-Behörden verhandeln, fanden sie bisher keine Lösung. Hauptproblem ist, dass die Amerikaner beim Verkauf eines Zertifikats lückenlos wissen wollen, wie viel Quellensteuer ein bestimmter Investor abzuführen hat. Die Emittenten kennen aber die Namen der Anleger nicht. Anders als die Depotbanken, die diese aus Datenschutzgründen jedoch nicht weitergeben dürfen. Die Depotbanken wiederum führen die Steuer nicht ab, da bisher eine Rechtsgrundlage fehlt und sie auch nicht die dafür nötige teure Infrastruktur haben.

Die Emittenten erwägen nun, den Maximalsatz von 30 Prozent Steuer selbst abzuführen. Diese Pläne sind bei einigen bereits weit gediehen. Neue Produkte sind geplant, welche die US-Kriterien weitgehend erfüllen. Für Anleger wäre das aber eher ungünstig. Da dividenden-ähnliche Erträge laut Bundesfinanzministerium nicht vom Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA erfasst werden, dürfen diese nicht auf die deutsche Abgeltungsteuer angerechnet werden. Der Derivateverkäufer würde somit zweimal Steuern zahlen - hierzulande und in Amerika, was in Summe gut 56 Prozent wären.



Bisher können Anleger noch Optionsscheine, Aktienanleihen, Bonus-, Discount-, Garantie- und Expresszertifikate auf US-Basiswerte als Alternative erwerben. Diese Papiere fallen erst ab 2018 unter die neuen Steuerregeln. Wer also noch dieses Jahr kauft, hat Bestandsschutz. Ganz ausgenommen sind Short-Zertifikate sowie Derivate auf sogenannte qualifizierte Indizes. Zu diesen zählen S & P 500, Dow Jones Industrial Average, Dow Jones Global Titans 50, Nasdaq 100, S & P MidCap 400, S & P Small Cap 600, Russell 2000, MSCI World, MSCI USA, MSCI ACWI und alle Kursindizes.

Anders als Derivate werden ETFs (Exchange Traded Funds) gehandhabt. Die meisten ETFs halten die Aktien aus dem jeweiligen Index physisch im Portfolio, sodass keine dividendenähnliche Erträge anfallen. Anders funktionieren synthetische ETFs, die die Entwicklung des Index über Swapgeschäfte abbilden. Der ETF-Anbieter und eine Bank tauschen hier Zahlungsströme aus, sodass das jeweilige Papier exakt den Index abbildet. Die Bank übernimmt die Zahlung der US-Steuer für die Anleger bei nicht qualifizierten Indizes. Investoren haben damit also nichts zu tun, jedoch mindert die an den US-Fiskus abgeführte Steuer die Wertentwicklung des ETFs.

CFD-Anleger sind nicht betroffen



Bei CFDs haben Anleger auch keine Probleme mit der Neuregelung. Anders als bei den Zertifikate-Emittenten kennen die CFD-Broker ihre Kunden namentlich und wissen, wer welches Produkt wann ge- und verkauft hat. Halten Anleger eine Position auf steigende Kurse mit einem CFD, dessen Basiswert eine US-Aktie ist, erhalten CFD-Käufer trotz Ausschüttung keine Dividende, da sie keine Aktionäre sind. Die Dividendenauszahlung beeinflusst aber den Börsenkurs der jeweiligen Aktie und in der Folge auch den Preis ihres CFDs. Daher erhalten sie eine Ausgleichszahlung, deren Höhe in Anlehnung an die Dividende minus aller steuerlich begründeten Abzüge, die der CFD-Broker im Rahmen der Absicherung der entsprechenden Position zu tragen hätte, bemessen wird. Bei Short-Positionen gibt es ohnehin keine Dividenden.

ETNs (Exchange Traded Notes) auf US-Basiswerte wiederum gelten rechtlich als Zertifikate. Die Emittenten haben mit denselben Problemen wie die Zertifikatehäuser zu kämpfen. Allerdings beziehen sich die meisten ETNs auf qualifizierte Indizes und sind deswegen nicht betroffen.