Am 1. März ist es an den Start gegangen - das neue Segment für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit dem international klingenden Namen Scale. Hier bietet die Deutsche Börse in Frankfurt jenen Aktiengesellschaften, die für den hoch regulierten Prime Standard zu klein sind, aber dennoch eine gewisse Größe vorweisen können und im Gegensatz zu manch gelisteten Werten mit Winz-Streubesitz und ohne echten Grund für eine Börsennotiz durchaus an der Adressierung von Investoren interessiert sind, ein Schaufenster.

Solch ein Segment ist in einer mittelständisch geprägten Wirtschaft wie Deutschland natürlich sinnvoll, aber völlig frei von Problemen sind solche Nischenmärkte selbstverständlich nicht. Das Musterbeispiel für ein KMU-Segment (KMU = kleine und mittlere Unternehmen) mit einem ausgesprochen steilen Aufstieg und einem ebenso rasanten Absturz ist der mittlerweile nur noch erfahrenen Börsianern bekannte Neue Markt, der - Ironie des Schicksals - ja auch in einem März vor 20 Jahren startete, genau genommen am 10. März 1997. Grund genug für einen kurzen Vergleich.

Dadurch, dass Scale quasi ein Nachfolger des Entry Standards ist, steht vom Start weg eine gewisse kritische Größe zur Verfügung. Anleger können zwischen 37 Aktien und neun Anleihen wählen, beim Neuen Markt gab es zu Beginn zwei Aktien, wobei sich die Anzahl dynamisch erhöht hat. Die Öffnung von Scale auch für Anleihen ist ebenfalls anders als im Neuen Markt. Der Branchenmix - zum Start von Scale mit einer hohen Anzahl von Werten aus dem Segment "Financial Services" geprägt - sollte nicht überinterpretiert werden. Denn so stehen hinter diesem Begriff verschiedene Geschäftsmodelle wie Beteiligungsunternehmen, Immobilienfirmen oder Finanzdienstleister. Zudem verschieben sich Branchencluster - und dies kam auch im Neuen Markt vor und erfolgt langfristig ebenfalls in den Indizes wie DAX, MDAX oder TecDAX.

Die im Vergleich zum Entry Standard im neuen Börsensegment Scale erhöhten Anforderungen in Punkten wie Unternehmenshistorie, ausgewiesenes Eigenkapital oder auch Umsatz und Gewinn sind positiv zu werten und heben sich ein Stück weit von den Vorgaben für die Unternehmen am Neuen Markt um die Jahrtausendwende ab.

Aber vielleicht nicht so stark, wie heute so mancher Beobachter annimmt. Denn es waren keinesfalls (allein) zu lasche Zulassungsvoraussetzungen, die dem Neuen Markt zum Verhängnis wurden. Für die damalige Zeit waren einige Hürden sogar recht fortschrittlich.

Ein ganz wesentliches Problem war vielmehr die in der starken Hausse eingesetzte überbordende Nachfrage der Anleger, die die Kurse in rasante Höhen trieb. Zwar kamen in dieser Euphorie auch viele unreife und zum Teil betrügerische Unternehmen an den Neuen Markt - aber das "Problem" der zu hohen Bewertung und der dann folgenden Kursverluste traf sowohl erfolgreiche wie problembehaftete Unternehmen beziehungsweise deren Anleger. Die Börse und die Kapitalmarktpartner können und werden bei Scale Selektionsprozesse durchführen, aber keine Kaufpanik verhindern. Wenn Märkte bereit sind, dreistellige Kurs-Gewinn-Verhältnisse und mehr zuzubilligen, dann wird es hinten heraus brenzlig.

Die gute Nachricht: Von solch einer Euphorie sind Scale und der Aktienmarkt als solches momentan noch ein gutes Stück entfernt. Das Segment ist weder auf Cocktailpartys noch im Taxi noch im Fernsehen irgendwie ein Thema als etwas, bei dem man dabei sein "muss" als Anleger. Damit ist diese Gefahr nicht akut. Und gut anschauen sollten sich Anleger jede Aktie vor einem Erwerb, in Scale genau wie anderswo.

Roger Peeters ist gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank geschäftsführender Gesellschafter bei pfp Advisory. Zuvor war Peeters viele Jahre hauptverantwortlich für das Research von Oddo Seydler. Davor leitete er rund acht Jahre lang die Redaktion der "Platow Börse". Kernprodukt der pfp Advisory ist der "DB Platinum IV Platow Fonds", ein auf den deutschen Markt fokussierter Aktienfonds.