Der drastische Ölpreisverfall der vergangenen Monate ruft die Antizykliker auf den Plan. Ihre Überlegung: Wenn der wichtigste Schmierstoff der Industrie innerhalb eines halben Jahres mehr als die Hälfte seines Werts verliert, muss sich der Preis irgendwann wieder nach oben bewegen.

Die Frage ist nur wann. Die Internationale Energieagentur (IEA) sieht zarte Anzeichen dafür, dass sich das Blatt mittelfristig wenden könnte. Die Energieexperten erwarten, dass die Förderländer außerhalb der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) in diesem Jahr ihre Fördermenge nicht so stark anheben wie bisher erwartet. Andere Fachleute sehen dagegen keine schnelle Erholung. Die Ölpreisspekulation ist also hochriskant.

Wer dennoch von künftig wieder steigenden Preisen ausgeht, kann seine Marktmeinung mit Zertifikaten und ETCs (Exchange Traded Commodities) auf Öl umsetzen, beides rechtlich gesehen Schuldverschreibungen. Heißt: Im Insolvenzfall des Emittenten kann es zum Verlust des eingesetzten Kapitals kommen. Dies sollen ETCs verhindern, indem diese Wertpapiere physisch besichert werden.

Bevor Anleger aber auf Ölpreisveränderungen spekulieren, sollten sie eine wichtige Besonderheit beachten: Rohöl wird an der Terminbörse als Future gehandelt. Das ist im Prinzip ein Vertrag, der regelt, zu welchem künftigen Zeitpunkt und zu welchem Preis das Öl geliefert wird. Da Anleger nicht an der tatsächlichen Lieferung interessiert sind, "rollt" der Emittent kurz vor Lieferfrist den Future in den nächstfälligen Kontrakt. Das heißt: Der Emittent verkauft den alten Future, mit dem er gegenüber den Anlegern seine Verpflichtungen aus dem Zertifikat absichert, und investiert den Erlös in den neuen Kontrakt. Ölfutures werden in der Regel monatlich gerollt.



Auf Seite 2: Die Contango-Situation



Der Preis des neuen Futures ist zumeist ein anderer als der des verkauften. Kostet der nächstfällige Kontrakt mehr als der alte, kommt es zum Rollverlust für den Anleger. So kann es passieren, dass der Kurs des Zertifikats nicht steigt, obwohl sich der Ölpreis nach oben bewegt hat. Die Situation, bei der der aktuelle Preis unter dem zu erwartenden liegt, nennen die Experten Contango. Ein Faktor, der diese Konstellation begünstigt, ist der Umstand, dass Rohöl bei einem späteren Liefertermin auch länger gelagert werden muss. Die dadurch entstehenden Kosten sind in den Preisen der Futures enthalten.

Jedoch können Anleger auch Rollgewinne erzielen. Dies geschieht, wenn der neue Future preisgünstiger ist als der alte. Hier ist im Fachjargon von Backwardation die Rede. Ein möglicher Grund für so eine Situation könnte sein, dass die Marktteilnehmer davon ausgehen, dass sich die Ölförderung künftig erhöht und es damit zu einem größeren Angebot kommt.

Kompliziertes Rollmanöver

Verbindet man die Preise verschiedener Futures-Fälligkeiten eines Rohstoffs miteinander, ergibt sich eine Forward-Kurve, auch Future-Kurve oder Terminmarktkurve genannt. Anhand dieser Kurve lässt sich erkennen, welche Kursentwicklung der Markt erwartet. Steigt sie an, notiert der Rohstoff im Contango. Der Anleger muss sich also auf Rollverluste einstellen. Fällt die Kurve, kommt es zur Backwardation - es winken Rollgewinne.



Momentan erwarten die Marktteilnehmer steigende Ölpreise. "Die Kurve ist zuletzt steiler geworden, somit gibt es höhere Rollverluste", sagt Peter Bösenberg, Derivate-Experte der Société Générale. Dies muss jedoch nicht so bleiben. "Wir wissen nicht, wie steil die Kurve in den nächsten Monaten sein wird. Es kann durchaus sein, dass sie sehr bald wieder flach oder invers ist, dann entstehen keine Rollverluste mehr", so Bösenberg. Wann und ob sich der Trend ändert, weiß jedoch niemand.

Welchen Einfluss die Forward-Kurve haben kann, zeigt ein fiktives Beispiel: Die Marktteilnehmer rechnen damit, dass der Ölpreis bis zum Auslaufen des neuen Kontrakts um fünf Prozent steigen wird. Das heißt: Der erwartete Preisanstieg ist im Zertifikatekurs bereits enthalten. Tritt die Markterwartung ein und der Ölpreis steigt tatsächlich um fünf Prozent, zum Beispiel von 50 auf 52,50 Dollar, dann bleibt der Kurs des Zertifikats gleich - abgesehen von Veränderungen bei den Wechselkursen.

Das Zertifikat bezieht sich also immer auf den aktuellen Future-Kontrakt. Um mit einem endlos laufenden Partizipationszertifikat in die Gewinnzone zu kommen, muss der tatsächliche Ölpreis bei Auslaufen des Futures höher notieren, als dies der Markt zuvor erwartet hat. Ist dies nicht der Fall, kommt es zu Verlusten.

Auf Seite 3: Alternative: Rolloptimiertes Zertifikat



Einige Banken bieten neben herkömmlichen Ölzertifikaten sogenannte rolloptimierte Zertifikate und ETCs an. Sie sollen mögliche Rollverluste, die durch das Umschichten vom einen in den anderen Future entstehen, minimieren. Beispielsweise offeriert BNP Paribas einen ETC auf die Ölsorte Brent. Hierbei wird ein Teil des Anlagekapitals in den günstigsten zur Verfügung stehenden Future gerollt, anstatt die Kontrakte zu starren Terminen auszutauschen. Dafür fällt, anders als bei klassischen Partizipationszertifikaten, eine jährliche Managementgebühr von 0,85 Prozent an.

Ein Blick auf die Performance der vergangenen zwölf Monate zeigt, dass die Strategie der Rolloptimierung zumindest theoretisch aufgehen kann. Während das klassische Zertifikat von BNP Paribas auf Brent in der Zeit rund 48 Prozent an Wert verlor, büßte der optimierte Brent-ETC "nur" 34 Prozent ein. Unter dem Strich natürlich eine mittlere Katastrophe - die Outperformance spricht dennoch für den Rolloptimierungsmechanismus.

Eine andere Variante, die Rollverluste begrenzen soll, bietet Vontobel an. Das Zertifikat auf den Oil Strategy Index investiert in Contango-Situationen in Ölaktien. Befindet sich der Rohstoff hingegen im Backwardation-Modus, wird direkt in die US-Ölsorte WTI angelegt. Die Managementgebühr beträgt 1,2 Prozent pro Jahr. Auf Sicht von einem Jahr verlor das Zertifikat rund 18 Prozent - ein Klacks im Vergleich zum Ölpreis.

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