Deutschland kauft die T-Aktie. Vor 25 Jahren, am 18. November 1996, entfachte die Deutsche Telekom mit dem bis dahin größten Börsengang Europas, was nicht einmal Volkswagen mit seinem Parkettdebüt 1961 gelungen war: maximale Anlegereuphorie. Das T-Projekt "Volksaktie" wurde ein Bestseller. Im Fernsehen wurden die Zuschauer vom volksnahen Schauspieler Manfred Krug regelmäßig aufgefordert: "Diese Telekom geht an die Börse, da geh ich mit."

Auch Deutschlands Börsianerlegende André Kostolany kündigte an, er werde 1.000 T-Aktien für seine Erben kaufen, weil die Aktie "nichts für Zocker" sei, als langfristige Anlage aber "für jeden Familienvater sehr interessant". Man lebe im Zeitalter der Telekommunikation, fegte Kostolany auch die letzten Zweifel der Anleger weg.

Den Telekomkonzernen, die damals weltweit die Datenautobahnen für das schnell wachsende Internet zur Verfügung stellten, prophezeiten viele Börsenprofis eine große Zukunft. Nach der dritten Emission der Telekom im März 2000 hatten fast zehn Millionen Menschen in Deutschland T-Aktien im Depot, viele als Altersvorsorge. Dann stürzte der Kurs während der nächsten Jahre jäh in den Keller. Das hinterließ tiefe Spuren in Deutschlands Aktienkultur: Studien belegen, dass Anleger, die viel Geld in T-Aktien angelegt hatten, fortan sehr zögerlich agierten.

TV-Star Krug entschuldigte sich 2007 in einem Interview mit dem "Stern"-Magazin "aus tiefstem Herzen bei allen Mitmenschen, die eine von mir empfohlene Aktie gekauft haben und enttäuscht worden sind". In Sorge um ihre Altersvorsorge beschimpften Anleger auf der Hauptversammlung im Jahr 2002 den damaligen Chef Ron Sommer als "Totengräber der Aktienkultur".

Wer seinen Ärger überwand und seine zum IPO erworbenen Aktien liegen ließ, profitiert von steuerfreien Dividenden. Ausschüttungen an Aktionäre werden nur bei ab 2009 gehandelten Papieren besteuert. Einschließlich Dividenden lieferte die T-Aktie nach Berechnungen des US-Börsendienstleisters Bloomberg in 25 Jahren jährlich mehr als vier Prozent Rendite. Das ist mehr als gedacht.

Gefeiert und gefeuert

Das bevorstehende Jubiläum ist ein guter Anlass, in die turbulente Börsengeschichte der Telekom einzutauchen. Auch weil der Anfang der heutigen Erfolgsstory in den USA in die Zeit von Chef Ron Sommer fällt. Beim IPO 1996 wurde er als "Sunnyboy" gefeiert. Im Juli 2002 wurde der Manager gefeuert.

Wie kam es dazu? Zunächst ersteigerte die Telekom mit den Milliarden aus dem dritten IPO im Sommer 2000 für 8,5 Milliarden Euro Lizenzen für den UMTS-Mobilfunk in Deutschland. Der Standard weckte weltweit Hoffnungen auf ein schnelles mobiles Web. Trotz der großen finanziellen Belastung wagte Sommer im Mai 2001 dann auch noch die Expansion in den US-Mobilfunkmarkt. Für 39 Milliarden Euro kaufte die Telekom Voicestream und Powertel. Trotz hoher Verschuldung und Verlusten im Geschäft wurden die Bezüge der Telekom-Vorstände 2002 deutlich erhöht. Auf der Hauptversammlung im Mai wurde Sommer ausgebuht, am 16. Juli 2002 musste er gehen.

Nach einer Interimszeit des damaligen Aufsichtsrats Helmut Sihler übernahm Kai-Uwe Ricke im November 2002 das Ruder. Ricke setzte den Stellenabbau fort, reduzierte die Schuldenlast und beendete auch Sommers Vier-Säulen-Strategie, die auf die Börsengänge der vier Sparten T-Com (Festnetz und DSL), T-Mobile, T-Online (Internet) und T-Systems (Dienstleistungen) ausgerichtet war. T-Online hatte Sommer im April 2000 aufs Parkett geschickt. Ricke kaufte die Tochter 2005 günstig zurück. In Amerika war die aus Voicestream und Powertel geformte T-Mobile US ab 2005 ein profitables Unternehmen, im Vergleich zur Konkurrenz jedoch klein.

Der von Rickes Nachfolger René Obermann geplante Verkauf der US-Tochter an Amerikas Telekomriesen AT & T im Tausch gegen eine Beteiligung der Telekom an dem US-Konzern scheiterte im Dezember 2011 am Widerstand von Amerikas Wettbewerbsbehörden.

Die größte Erfolgsstory

Dann holt Obermann Ende März 2012 John Legere als Chef der US-Tochter an Bord und lässt dem Manager freie Hand. Legere beeindruckt Kunden und Anleger mit seinen schrillen Auftritten und unkonventionellen Methoden. So formt der Popstar der Telekombranche die US-Tochter zum Wachstumsmotor des Konzerns. Im März 2013 feiert T-Mobile US das Debüt an der New York Stock Exchange (NYSE).

Im April 2020 bringen Legere und der heutige Telekom-Chef Tim Höttges die schwierige und wettbewerbsrechtlich delikate Übernahme des US-Konkurrenten Sprint unter Dach und Fach. T-Mobile US ist im Mobilfunk nun auf Augenhöhe mit den bis dann deutlich größeren Konkurrenten AT & T und Verizon. Der Megadeal ist Legeres und Höttges’ Meisterstück und der bisher größte Erfolg in der Geschichte der Telekom.

Legere zieht sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere zurück. T-Mobile-US- Manager Mike Sievers übernimmt seinen Job geräuschlos und erfolgreich. Tim Höttges, seit Anfang 2014 Chef der Telekom und zuvor Finanzvorstand, hält auch Sievers den Rücken frei. "In ihrer 25-jährigen Börsengeschichte konnte die T-Aktie nie die hohen Erwartungen an eine Volksaktie erfüllen", sagt Fondsmanager Andreas Mark von Union Investment.

Während der vergangenen zehn Jahre, insbesondere mit Höttges an der Spitze, hat der Konzern "eine dynamische Entwicklung vollzogen", urteilt Mark. T-Mobile US sei der Wachstumsmotor. In Europa habe die Telekom ihre führende Position gefestigt. Auch gemessen am Börsenwert ist sie in Europadie Nummer 1 der Branche und gehört "zu den wenigen mit Wachstumspotenzial", sagt der Fondsmanager.

Die Bonner haben sich ihre zweite Chance bei Anlegern erarbeitet, wenn auch weniger spektakulär als 1996.
 


INVESTOR-INFO

Die Aktie

Solide Aussichten

Für das Glasfasernetz in Deutschland holt sich die Telekom den australischen Infrastrukturinvestor IFM als finanzstarken und langfristig ausgerichteten Partner an Bord. Bis 2028 sollen vier Millionen zusätzliche Anschlüsse im ländlichen Raum geschaffen werden. Bei den freien Mittelzuflüssen wird der DAX-Konzern nach Schätzungen von Bloomberg während der nächsten Jahre das höchste Wachstum in der europäischen Telekombranche liefern.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 20,00 Euro
Stoppkurs: 12,40 Euro