Zuvor war der BASF-Vorstand von einem Zuwachs von ein bis zehn Prozent ausgegangen, wobei er das untere Ende der Spanne als realistischer eingeschätzt hatte. Analysten hatten aber schon daran ihre Zweifel, so dass die Gewinnwarnung nicht überraschend kam. Allein das Ausmaß fiel unerwartet hoch aus: "Die Senkung der Prognose ist extrem heftig, vor allem, wenn man überlegt, was das für die zweite Jahreshälfte bedeutet", sagte Arne Rautenberg vom Großinvestor Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken.

Die Aktien von BASF fielen am Dienstag um mehr als fünf Prozent auf 59,17 Euro und waren damit sowohl im Dax als auch im EuroStoxx50 die größten Verlierer. Im Sog von BASF fielen auch die Papiere von Konkurrenten wie Covestro oder Lanxess. Das Kölner Chemieunternehmen Lanxess bekräftigte jedoch seine Ziele, worauf die Aktien ihre Verluste eingrenzten.

Bei BASF gingen Experten schon seit Wochen davon aus, dass die Ziele nicht zu halten sind. Analysten hatten zuletzt im Schnitt einen Ergebnisrückgang um gut sieben Prozent erwartet. Nun baut Brudermüller offenbar vor. "Jetzt hat man die Latte so tief gelegt, dass es nicht noch einmal eine Senkung der Prognose gibt", hieß es von einem führenden Fondsanbieter. Denn für Brudermülller, seit Mai vergangenen Jahres im Amt, war es bereits die zweite Gewinnwarnung, nachdem sich das Unternehmen Ende 2018 von seinen Jahreszielen verabschieden musste. Beim Umsatz rechnet BASF nun für 2019 mit einem leichten Rückgang statt mit einem Plus von bis zu fünf Prozent.


"FEHLSTART"

BASF hatte in seiner Prognose für diese Jahr eine leichte Erholung der Autoindustrie, eine Entspannung des Handelskonflikts zwischen den USA und China und einen Brexit ohne größere Verwerfungen unterstellt. "Im Laufe des Jahres bekommen wir etwas wirtschaftlichen Aufschwung", hatte er auf der Jahrespressekonferenz gesagt. Doch es kam anders. Die Hängepartie um den geplanten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union hält an, vor allem haben sich aber die Handelskonflikte nicht entschärft. "Der G20-Gipfel Ende Juni hat vielmehr gezeigt, dass nicht mit einer schnellen Entspannung im zweiten Halbjahr 2019 zu rechnen ist. Insgesamt bleibt die Unsicherheit hoch", teilte BASF nun mit.

Dem Konzern macht zudem die schwache Autoindustrie, insbesondere in China, zu schaffen. Sie ist mit einem Umsatzanteil von knapp 20 Prozent die größte Kundengruppe der Pfälzer. Im chinesischen Automarkt - dem weltgrößten - war der Absatz im Mai um mehr als 16 Prozent gefallen und damit so stark wie noch nie in einem Monat. Es war der elfte Rückgang in Folge. Gleichwohl bekräftigte BASF noch im Mai seine Ziele. "Brudermüller hat sich von der positiven Stimmung zu Jahresbeginn hinreißen lassen, er wollte es etwas positiver, dynamischer anpacken", sagte Fondsmanager Rautenberg. Er sprach von einem "Fehlstart" des promovierten Chemikers. Dieser kratze aber nicht nachhaltig am Vertrauen. "Das wird nicht das letzte große deutsche Unternehmen sein, dass seine Annahmen nach unten korrigieren muss."

Die Chemiebranche gilt als wichtiger Konjunkturindikator, da ihre Produkte praktisch in allen großen Industriezweigen benötigt werden. Der Branchenverband VCI hatte erst in der vergangenen Woche seine Prognose für dieses Jahr gesenkt und rechnet mit einem Produktionsrückgang von vier Prozent. Viele Forschungsinstitute haben angesichts der Industrierezession ihre Schätzungen für das deutsche Wirtschaftswachstum 2019 bereits gesenkt. Die Bundesregierung erwartet nur noch ein mageres BIP-Plus von 0,5 Prozent. Die Investment-Beratungsfirma Sentix, die den Börsianern regelmäßig den Puls fühlt, befürchtet sogar, dass eine Rezession der Gesamtwirtschaft unausweichlich erscheint. Mit der Autoindustrie kämpft eine der Schlüsselbranchen der deutschen Wirtschaft mit heftigem Gegenwind: die Folgen der Dieselaffäre, Unsicherheit im Zusammenhang mit möglicherweise drohenden US-Strafzöllen sowie hohe Anlaufkosten für die Umstellung auf Elektromobilität setzen ihr zu.


"KEIN STRUKTURELL ANGESCHLAGENES UNTERNEHMEN"

BASF bekommt zusätzlich auch noch Naturkatastrophen zu spüren. Den Konzern belastet ein schwaches Agrargeschäft nach den Überschwemmungen in den Farmstaaten im Mittleren Westen der USA im Frühjahr. Sie führten zu einer schwächeren Nachfrage nach Pflanzenschutzmitteln. Im zweiten Quartal sank der Umsatz von BASF nach vorläufigen Zahlen insgesamt um vier Prozent auf 15,2 Milliarden Euro. Das bereinigte operative Ergebnis lag bei voraussichtlich eine Milliarde Euro und damit um 47 Prozent unter dem Wert des Vorjahreszeitraums. Endgültige Zahlen will der Konzern am 25. Juli veröffentlichen.

Brudermüller ist bereits dabei, BASF mit einer neuen Konzernstrategie wetterfest zu machen. Dazu gehört auch ein Sparprogramm. Diese Schritte wurden bereits im November bekannt gegeben und sollen ab Ende 2021 einen Ergebnisbeitrag von jährlich zwei Milliarden Euro bringen. Vor knapp zwei Wochen kündigte BASF an, weltweit 6000 der 122.000 Stellen zu streichen. Fondsmanager Rautenberg lobte: "Das, was er angepackt hat, hat er richtig gemacht. Die Umstrukturierung gefällt uns inhaltlich sehr gut." Und die eingeleiteten Maßnahmen sollten ausreichend sein. "Wir sprechen nicht über ein schrumpfendes oder strukturell angeschlagenes Unternehmen."

rtr