Ob Ministerpräsident Volker Bouffier damit die schwarz-grüne Koalition fortsetzen kann, blieb zunächst genauso unklar wie die Folgen, die das Ergebnis für die schwarz-rote Bundesregierung haben könnte.

Erstmals zieht die AfD in den Wiesbadener Landtag ein. Damit sind die Rechtspopulisten sind allen 16 Landesparlamenten vertreten. Auch FDP und Linkspartei schaffen den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde.



Kanzleramtschef Helge Braun sieht mit dem Ergebnis einen klaren Regierungsauftrag für die CDU in Hessen. Zu den Folgen des Ergebnisses für die Bundesregierung sagte der gebürtige Hesse: "Die große Koalition wird zusammenrücken." Die Grünen werden nach den Worten von Bundeschef Robert Habeck "sehr verantwortungsvoll" mit dem Ergebnis umgehen. Die Grünen seien bereit, Verantwortung zu übernehmen, und man werde jetzt in vielen Sondierungsgesprächen sehen, wie sich am meisten grüne Politik umsetzen lasse, sagt Habeck im ZDF. Am Erfolg der Grünen zeige sich, dass Wahlen nicht nur am rechten Rand zu gewinnen seien. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach in der ARD von einem "schlechten Ergebnis" und einem "Signal an die große Koalition, dass die Dinge anders werden müssen".

Nach der ZDF-Hochrechnung von 18,16 Uhr kommt die CDU auf 27,4 (2013: 38,3) Prozent. Die SPD verliert auf 19,8 (30,7) Prozent. Die Grünen verbessern sich auf 19,7 (11,1) Prozent, die FDP auf 7,2 (5,0) Prozent und die Linkspartei auf 6,6 (5,2) Prozent. Die AfD steigt auf 12,8 (4,1) Prozent. Damit stellt die CDU im neuen Landtag 37 Abgeordnete, die SPD erhält 26 Mandate. Die Grünen sind mit 26 Abgeordneten vertreten, die FDP mit 10 Parlamentariern und die Linke mit 9. Die AfD zieht mit 18 Abgeordneten erstmals in den Wiesbadener Landtag ein. Die Wahlbeteiligung sank laut ZDF auf 68,0 Prozent nach 73,2 Prozent vor fünf Jahren, allerdings war damals parallel die Bundestagswahl. Wahlberechtigt waren 4,38 Millionen Menschen.

Rechnerisch sind laut ARD als Zweierbündnisse die Fortsetzung vom Schwarz-Grün oder eine Koalition aus CDU und SPD möglich. Letzteres ist angesichts der Entwicklungen im Bund vor allem für die Sozialdemokraten eher unwahrscheinlich. Reicht es für Schwarz-Grün am Ende nicht, könnte Bouffier eine "Jamaika"-Koalition schmieden, indem er die FDP hinzunimmt. Spitzenkandidat Rene Rock hatte dies vor der Wahl zumindest nicht ausgeschlossen. Für eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP oder Rot-Rot-Grün mit SPD, Linkspartei und Grünen gibt es dagegen keine Mehrheit.

LANDESPOLITISCHE THEMEN IM VORDERGRUND



Laut Umfragen standen für die Wähler landespolitische Themen im Vordergrund, vor allem die Bildungs- und die Wohnungsbaupolitik. 60 Prozent der Befragten gaben dies in der ZDF-Umfrage an, für 36 Prozent war die Bundespolitik wahlentscheidend. In einer ARD-Umfrage erhielt die schwarz-grüne Landesregierung zudem mit 55 Prozent relativ hohe Zufriedenheitswerte. Demnach bezeichnen in Hessen 85 Prozent der Wahlberechtigten ihre wirtschaftliche Lage als gut. In Bayern sind es vergleichsweise 89 Prozent, in Baden-Württemberg 90 Prozent. Die drei Länder bilden in Deutschland die Spitzengruppe. 50 Prozent gaben bei der ARD-Umfrage allerdings an, sie sähen die Landtagswahl als Denkzettel für die Bundesregierung.

Über den Koalitionspartnern im Bund hängt die Wahl wie ein Damoklesschwert: Angesichts der starken Verluste dürfte die Debatte in der CDU über die Zukunft von CDU-Chefin Angela Merkel und den Kurs der Partei weitere Nahrung erhalten. Kaum besser dürfte es SPD-Chefin Andrea Nahles ergehen: Mit dem Ergebnis ist zu erwarten, dass der innerparteiliche Druck auf sie steigt, die ungeliebte große Koalition aufzukündigen. Die Führungsgremien von CDU und SPD auf Bundesebene kommen am Montag in Berlin zusammen, um die Ergebnisse und die Konsequenzen daraus zu beraten. Am kommenden Wochenende folgen dann Klausurtagungen der Spitzen von CDU und SPD.

Seit 1999 ist in Hessen die CDU an der Regierung und stellt den Ministerpräsidenten, zunächst mit Roland Koch, dann mit Bouffier, der 2010 nach dem Rücktritt Kochs übernahm. Ihr höchstes Ergebnis erreichte die CDU in Hessen 2003 mit 48,8 Prozent. Seit 2014 regiert die CDU mit den Grünen in Wiesbaden in der ersten schwarz-grünen Landesregierung in einem Flächenland. Die SPD war bis 1987 in Hessen ununterbrochen an der Regierung. Zuletzt stellte sie von 1991 bis 1999 den Ministerpräsidenten. Seitdem ist sie auch nicht mehr an der Regierung beteiligt gewesen. Die Grünen zogen 1982 mit 8,0 Prozent erstmals in den Landtag ein. 1985 stellten die Grünen in der ersten rot-grünen Regierung überhaupt mit Joschka Fischer erstmals einen Minister auf Länderebene. Ihr derzeitiger Spitzenmann, Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, ist laut Umfragen der beliebteste Landespolitiker in Hessen.

rtr