Die Weltbörsen machen den Bullen unter den Anlegern derzeit viel Freude. Auch die Werte aus der Chemiebranche haben ihre von 2017 bis 2019 gezeigte Schwächephase zuletzt abgeschüttelt - der World Chemicals Industry MSCI Index etwa befindet sich auf Rekordkurs. Offenbar sind die Branchenvertreter dabei, an ihre traditionell sehr gute Performance anzuknüpfen. Diesen Eindruck untermauert der ebenfalls auf Rekordjagd befindliche Stoxx Europe 600 Chemicals Index. Die jüngsten starken Kursgewinne sind dabei als Wette der Börsianer auf eine Erholung der Weltwirtschaft zu verstehen.

Als Vorlieferant für fast alle anderen Branchen ist die Chemie mit der gesamten Wirtschaft eng vernetzt. Entsprechend sensibel reagiert der Sektor auf konjunkturelle Schwankungen. In Deutschland gilt die chemische Industrie mit einem vorläufigen Vorjahresumsatz von gut 186 Milliarden Euro als drittgrößte Industriebranche.

Positive Aussichten


Die neuerlichen Lockdowns aufgrund von Corona reduzieren laut Ratingagentur Moody’s im ersten Quartal 2021 noch die weltweite Nachfrage nach Chemikalien. Eine Rückkehr zum Wachstum sei dann zu erwarten, wenn die öffentliche Gesundheitssituation unter Kontrolle ist und die Restriktionen gelockert werden. Die Analysten gehen davon aus, dass sich die Chemienachfrage in Asien, wo einige Länder das Virus vergleichsweise schnell unter Kontrolle gebracht haben, besser hält als in der EMEA-Region (Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika) und in Nordamerika.

Der Preisindex für Chemikalien in China ist von April bis November 2020 um mehr als 25 Prozent gestiegen - China ist mit einem Anteil von rund 40 Prozent an der weltweiten Chemieproduktion der größte Einzelmarkt. Vor rund zehn Jahren lag er noch bei rund 25 Prozent. Bis zum Jahr 2030 dürfte er auf 50 Prozent anwachsen. Unter dem Strich gehen die Analysten bei S & P Global Ratings von einer in diesem Jahr steigenden Nachfrage nach Chemikalien aus. Eine Erholung des globalen Bruttoinlandsprodukts und insbesondere der wichtigen Endmärkte, wie der Automobilindustrie und der allgemeinen Industrie, dürfte zur Erhöhung der Nachfrage beitragen. Auch wenn laut Analysten bei IHS Markit die globalen Chemiemärkte heute mit einem viel höheren Maß an Unsicherheit behaftet sind als noch vor fünf Jahren.

Mit dem jüngsten Kurssprung sind auch die Bewertungen deutlich gestiegen. Die relative Bewertung des World Chemicals Industry MSCI Index verglichen mit dem All Country World MSCI Index bewegt sich beim rund 1,15-Fachen und liegt damit am oberen Rand der historischen Bandbreite. Aber die Revisionen bei den Nettogewinnschätzungen fallen neuerdings wieder positiv aus. Und falls sich der erhoffte Aufschwung der Weltwirtschaft einstellt, ist das ein Trend, der anhalten könnte. Läuft alles nach Plan, sind für die Branche laut Jefferies auch die Wachstumsaussichten von 2022 bis 2025 positiv. Die US-Investmentbank rät Anlegern daher, bei Chemieaktien "so lange Heu zu machen, wie die Sonne scheint".

Unter Berücksichtigung der Chancen und Risiken haben wir jeweils drei Chemieaktien aus Europa und den USA herausgefiltert, die eine sich dank einer vergleichsweise vernünftigen Bewertung und einem vielversprechenden Chartbild ein Kaufvotum verdient haben.

Unsere Europa-Favoriten


Zu den von uns favorisierten Einzeltiteln zählt in Europa mit Lanxess ein im Jahr 2005 durch eine Abspaltung aus dem Bayer-Konzern entstandenes deutsches Spezialchemieunternehmen. Weil etwa zwei Drittel des Umsatzes aus industriellen Endmärkten stammen, die sich bei einem Pandemieende nachhaltig beleben dürften, ist geschäftlich Besserung in Sicht. Der Analystenkonsens rechnet von 2020 bis 2023 mit einem Ergebnisanstieg von 3,08 Euro auf 5,47 Euro. Auf dieser Basis wäre das KGV am Ende des genannten Zeitraums noch immer recht moderat. Laut Commerzbank lässt die Bilanz zudem Spielraum für Wertschöpfung durch Akquisitionen und/oder den Rückkauf eigener Aktien.

Anders als bei Lanxess hat unser zweiter Tipp DSM unlängst bereits neue Kursrekorde aufgestellt. Somit ergibt sich ein seit vielen Jahren bestehender Aufwärtstrend, was charttechnisch sehr positiv ist. Der international agierende Chemiekonzern aus den Niederlanden hat seine Kernkompetenzen in den vier Segmenten Polymer-Halbzeuge, Performance-Materialien, Pharmazeutische Produkte und Nutrition-Produkte. Uns gefällt hier insbesondere der Nutrition-Bereich mit den Nahrungszusätzen. Geht es nach den Bankern der UBS, soll der Bereich in diesem Jahr rund 85 Prozent zum Ebit beisteuern. Der Subsektor Consumer Chemicals/Food Ingredients hat den Gesamtmarkt in den letzten zehn Jahren weit übertroffen. Dies dürfte sich fortsetzen.

Auf einen anhaltend starken Trend setzen wir auch bei Air Liquide. Denn hier wäre alles bestens, wenn es zu einer Fortschreibung des langfristigen Aufwärtstrends kommen sollte. Dieser ließ den Titel bis dato um über 1600 Prozent steigen. Für das Unternehmen spricht die führende Stellung als Anbieter technischer Gase (unter anderem Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff) sowie verwandter Technologien und Dienstleistungen für die meisten Industrie- (Automobile, Chemie, Elektronik) und Gesundheitsbranchen (Medizin, Healthcare). Wobei das erprobte Geschäftsmodell laut DZ Bank auch von hohen Eintrittsbarrieren und einer starken Preissetzungsmacht profitiert.

Toptrio aus den USA


An der Wall Street setzen wir mit FMC Corp. auf einen Agrarwissenschaftskonzern, der in den Bereichen Landwirtschaft, Industrie sowie Konsumgüter tätig ist. Das Unternehmen hat eine starke und stabile Wettbewerbsposition auf dem globalen Markt für landwirtschaftliche Pestizide. Das Portfolio besteht aus markenbekannten, patentierten Produkten, die helfen sollten, Marktanteile zu gewinnen. FMC ist außerdem global in Industrie- und Schwellenländern diversifiziert, was eine Stärke darstellt, da die weltweite Nachfrage nach Nahrungsmitteln mit dem weltweiten Bevölkerungswachstum steigt. Vor diesem Hintergrund glauben Analysten von 2019 bis 2023 an einen Gewinnanstieg von 6,09 auf 9,30 Dollar je Aktie.

Ebenfalls eine Agrarchemie-Gesellschaft ist die 2019 als DowDuPont-Ausgründung entstandene Corteva. Die Verantwortlichen stufen das Unternehmen als weltweit führend bei Saatgut, Pflanzenschutz und digitaler Landwirtschaft ein. Nach dem Urteil des US-Finanzdienstleisters Morningstar verfügt Corteva über einen breiten wirtschaftlichen Schutzgraben. Dieser speist sich aus einem Portfolio mit patentiertem Biotech-Saatgut und Pflanzenschutzmitteln mit starker Preissetzungsmacht. Nach zögerlichem Start ist der Kurs des seit Mitte 2019 börsennotierten Titels zuletzt in Fahrt gekommen. Analystenschätzungen gehen von 2020 bis 2023 von einer Verbesserung beim Gewinn je Aktie von 1,40 auf 2,62 Dollar aus. Beim letzten Favoriten handelt es sich mit Stepan Co. um einen 1932 gegründeten Hersteller von Spezialchemikalien. Tätig ist die Firma in den Segmenten Tenside, Polymere und Spezialprodukte. Der Vorstand stuft den Konzern als innovativ und einzigartig ein, weil es kaum vergleichbare Konkurrenten gibt, da die mehr als 650 Produkte einen spezifischen Fokus haben. Damit ist Stepan gut gefahren, wie ein letztlich seit 1990 steigender Kurs belegt. Dank der Ausschüttungserhöhung seit 53 Jahren in Folge handelt es sich bei diesem Titel um einen echten Dividendenkönig.