WAS IM UNTERNEHMEN LOS IST:

Bei Conti steht ein großer Personalum- und Abbau an, der zehntausende Stellen betreffen könnte und mit dem sich Conti für die Zukunft rüsten will. Seitdem der chinesische Automarkt nicht mehr brummt und auch in Europa die Hersteller mit Problemen kämpfen, sind die Probleme bei Conti offen zutage getreten. Das Management musste mehrfach die Gewinnerwartungen zurechtstutzen, Milliardenabschreibungen rissen Conti 2019 dazu wohl in die roten Zahlen.

Vorstandschef Elmar Degenhart macht nun auch gegen Widerstand Ernst und hat den Rotstift angesetzt. Die jährlichen Bruttokosten sollen ab 2023 um 500 Millionen Euro niedriger liegen, dafür stehen bis Ende 2023 weltweit 15 000 Stellen auf dem Prüfstand, 5000 davon in Deutschland. An verschiedenen Standorten hat Conti schon das Aus von Werken beschlossen oder ist noch in Gesprächen. Unter anderem wird das Hydraulik-Geschäft eingestellt, die Investitionen in Verbrennertechnik werden zurückgefahren, für mechanische Steuerungsinstrumente läuft die Zeit in einigen Jahren ab.

Die Branchenlage mit schwachen Aussichten an der Börse verleitete den weltweit zweitgrößten Autozulieferer auch dazu, den in Augenschein genommenen möglichen Börsengang der Antriebstechnik zu einem reinen Spin-off an der Börse herunterzustufen - soll heißen, Conti verschenkt die neuen Aktien an die eigenen Aktionäre und verzichtet wegen unsicherer Aussichten auf Einnahmen.

Also alles in allem wenig rosige Aussichten - und dann kommt derzeit auch noch die Epidemie mit dem neuartigen Coronavirus hinzu, die die Planbarkeit erschwert. Noch rechnen die Kunden bei den Autobauern damit, dass sich die vor allem in China schwerwiegenden Folgen wieder ausbügeln lassen. Doch allein im Februar brachen die Verkäufe in China nach Verbandsangaben um 80 Prozent ein, weil das Neujahrsfest wegen des Ausbruchs verlängert war und auch Autohäuser länger geschlossen blieben.

Nicht nur deswegen wird für die Anleger interessant, wie Conti die eigenen Geschäfte in dieser Situation einschätzt. Auch die sonst so gewinnstabile Reifensparte könnte stärker unter Beschuss kommen, weil die Pkw-Märkte weltweit nicht mehr wachsen und auch die Lkw-Märkte in Europa und Nordamerika schwächeln. Grund für das 2,5 Milliarden Euro teure Paket aus Abschreibungen und Rückstellungen im Oktober war auch, dass Conti in den kommenden fünf Jahren nicht mit einer wesentlichen Besserung der Produktion von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen rechnete.

WAS ANALYSTEN SAGEN:

Die Experten sind skeptisch. Zwar hat keiner der im dpa-AFX Analyser erfassten Analysten ein Kursziel unter dem aktuellen Niveau von rund 100 Euro auf dem Zettel. Dafür sind die Empfehlungen aber entschieden ausgeglichen: Nur 4 von 21 Experten empfehlen den Kauf der Aktie, 15 sind vorsichtig und raten zum Halten. Zwei Analysten votieren mit Verkaufen. Und das, obwohl das durchschnittliche Kursziel mit über 131 Euro rund 30 Euro über dem aktuellen Kurs liegt.

Die Fundamentaldaten sehen aber weiter nicht gut aus. JPMorgan-Analyst Jose Asumendi verwies jüngst auf erneut gesunkene Prognosen für die weltweite Autoproduktion wegen der Schwäche in Europa und einer verzögerten Erholung in China.

Ein gemischter Ausblick des Konkurrenten Michelin auf Reifenpreise und hohe Lagerbestände nach einem bislang milden Winter stimmten David Lesne von der UBS vorsichtig. Für das Absatzvolumen bei Reifen bestünden 2020 Risiken nach unten. Auch Warburg-Experte Marc-Rene Tonn blickte vorsichtiger auf die Nachfrage nach Ersatzreifen.

Der Coronavirus-Ausbruch werde den chinesischen Autoabsatz und die -produktion treffen, schrieb Barclays-Analystin Dorothee Cresswell zuletzt. Auch für die Zulieferer sieht sie erhebliche Gewinnrisiken. Die französischen Konkurrenten Valeo, Faurecia und auch Continental wären wohl am stärksten betroffen, so die Expertin.

Immerhin zeigte sich Jefferies-Analyst Sascha Gommel positiv überrascht von einem starken Barmittelzufluss bei der für eine Abspaltung vorgesehenen Antriebssparte Vitesco.

WIE DIE AKTIE ZULETZT LIEF:

In den beiden vergangenen Jahren war Conti jeweils einer der schwächsten Werte im Dax (DAX 30): 2018 minus 46 Prozent, 2019 minus 5 Prozent. Auch 2020 stehen bereits mehr als zehn Prozent Minus zu Buche. Über die vergangenen fünf Jahre ergibt sich mehr als die Hälfte an Wertverlust. Mit aktuell rund 100 Euro ist der Conti-Kurs auch weit entfernt vom Rekordhoch bei 257,40 Euro im Januar 2018. Danach konnte die Aktie kaum von Impulsen profitieren.

Mit der Schwäche des chinesischen Marktes infolge des Zollstreits mit den USA ging der Kurs über das Jahr 2018 schon deutlich in die Knie, und davon hat er sich auch nicht mehr merklich erholen können. Im Januar fiel das Papier erstmals seit Mitte 2013 wieder unter die Marke von 100 Euro, von der es sich nicht mehr so recht befreien konnte.

46 Prozent der Conti-Aktien gehören seit des missglückten Übernahmeversuchs in der Finanzkrise der Industriellenfamilie Schaeffler, die auch den gleichnamigen fränkischen Auto- und Industriezulieferer kontrolliert. Der Börsenwert von Conti ist zuletzt unter 20 Milliarden Euro geschrumpft./men/nas/jha/