"Die Schließung öffentlicher Gebäude hat kalte Schauer über den Rücken der Händler gejagt, weil es so aussieht, als ob die Gesundheitskrise ein größeres Problem für Europa wird", sagte David Madden, Marktanalyst beim Online-Broker CMC Markets. Binnen weniger Stunden brach die Marktkapitalisierung in Europa um mindestens 350 Milliarden Euro ein.

Der Dax gab am Montag in der Spitze 4,1 Prozent auf 13,028,78 Zähler nach. Der EuroStoxx50 verlor ebenfalls bis zu 4,1 Prozent auf 3646,15 Punkte. Der Leitindex der Mailänder Börse brach sogar um bis zu 5,2 Prozent ein. Damit steuerten alle drei Indizes auf ihren größten Tagesverlust seit etwa dreieinhalb Jahren zu. Damals hatten Spekulationen auf eine Abkühlung der chinesischen Konjunktur die Börsen weltweit auf Talfahrt geschickt. Auch in Asien ging es zu Wochenbeginn teilweise steil bergab. Die US-Futures signalisierten ebenfalls Verluste. Die DZ Bank rechnet auch für die kommenden Wochen mit einer Konsolidierung nach der jüngsten Rekordjagd. Die Folgen des Virus würden am Markt unterschätzt, sagte Analyst Michael Bissinger. Im schlimmsten Fall könnte es für den Dax um ungefähr 30 Prozent nach unten gehen.

Schon jetzt hinterlässt die Lungenkrankheit Spuren in der Wirtschaft, allein der Einbruch des Tourismus dürfte nach Berechnungen der Bank ING die Wirtschaftsleistung in Asien um bis zu 115 Milliarden Dollar belasten. "Das Wachstum im ersten Quartal wird wohl zum Erliegen kommen", sagte Rupert Thompson, Chefinvestor bei der Fondsgesellschaft Kingswood. "Wir glauben aber weiterhin, dass der Ausbruch dem Muster vergangener Epidemien folgt und das Wachstum im zweiten und dritten Quartal wieder in Schwung kommt." Dabei hofften Börsianer auf Konjunkturhilfen von Regierungen und Notenbanken. So taxieren Investoren inzwischen die Wahrscheinlichkeit einer Senkung des Einlagenzinses durch die Europäische Zentralbank (EZB) auf minus 0,6 von derzeit minus 0,5 Prozent auf etwa 50 Prozent.

ÖL UND KUPFER UNTER DRUCK - FLUGGESELLSCHAFTEN EBENSO


Auch am Rohstoffmarkt spiegelte sich die Angst vor einem Rückschlag für die Weltwirtschaft wider. Die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich um bis zu 4,3 Prozent auf 565,98 Dollar je Barrel (159 Liter). Der Preis für das wichtige Industriemetall Kupfer fiel um 1,6 Prozent auf 5671,50 Dollar je Tonne. Eine beschleunigte Ausbreitung des Coronavirus könnte einen nie dagewesenen Einbruch der weltweiten Geschäftstätigkeit auslösen, warnte Anlagestratege Stephen Innes vom Brokerhaus AxiTrader.

Fast alle Aktien in den wichtigen Indizes lagen im Minus, vor allem Fluggesellschaften flogen aus den Depots. Die Titel von Lufthansa, Air France-KLM und der British Airways-Mutter IAG verloren bis zu 10,8 Prozent. Die auf innereuropäische Verbindungen spezialisierten Billig-Flieger Ryanair und EasyJet brachen sogar um bis zu knapp 15 Prozent ein. Doch auch für Luxusgüter-Hersteller, Autobauer, Chipwerte, Bergbaukonzerne und Banken ging es zwischen vier und fünf Prozent abwärts - diese Branchen gelten als besonders anfällig für eine weltweite Konjunkturabkühlung. US-Starinvestor Warren Buffett hält Aktien dennoch weiterhin langfristig für attraktiv. "Es ist schon erschreckend", sagte er dem TV-Sender CNBC. "Ich denke aber nicht, dass es eine Rolle spielen sollte bei dem, was man am Aktienmarkt macht." Er selbst werde jedenfalls wegen des Virus keine Aktien verkaufen.

FLUCHT IN GOLD UND STAATSANLEIHEN


Aus Furcht vor den Virus-Folgen flüchteten viele Anleger in "sichere Häfen". So stieg der Preis für die "Krisen-Währung" Gold um 2,8 Prozent auf ein Sieben-Jahres-Hoch von 1688,66 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) und steuerte auf den größten Tagesgewinn seit dreieinhalb Jahren zu. In Euro war das Edelmetall mit 1560,39 Euro so teuer wie nie. Das war der achte Tag in Folge mit einem Rekordhoch.

Zuflucht suchten die verunsicherten Investoren auch bei Bundesanleihen und drückten die Renditen sämtlicher Papiere unter null Prozent. Die 30-jährigen Titel rentierten mit minus 0,043 so niedrig wie zuletzt vor vier Monaten. Gleiches galt für die richtungweisenden zehnjährigen Papiere, deren Rendite auf minus 0,5 Prozent fiel. Ihr US-Pendants warfen mit plus 1,377 Prozent so wenig ab wie vor dreieinhalb Jahren. Negative Renditen bedeuten, dass Investoren draufzahlen, wenn sie Anleihen kaufen. Sie nehmen dies aber in Kauf, weil sie diese Papiere bei Bedarf schnell wieder zu Geld machen können.

rtr