In einem halben Jahr ist es so weit, dann wird Belén Garijo den Chefposten bei Merck KGaA übernehmen. Aus Sicht der Aktienmärkte ist das eine gute Wahl: Garijo, derzeit für die Gesundheitssparte des DAX-Konzerns verantwortlich, steht für die erstaunliche Transformation der Darmstädter von einem behäbigen Konglomerat zu einem der heimlichen Helden.

Über die vergangenen drei Jahre hat Merck nicht nur den DAX, sondern auch die prominenten Branchenrivalen Bayer und BASF deutlich geschlagen. Das liegt auch daran, dass Merck bei Übernahmen wie der des Laborausrüsters Sigma-Aldrich ein gutes Händchen bewies. Mehr als 45 Milliarden Euro haben die Hessen seit dem Jahr 2007 bei Zu- und Verkäufen bewegt und dabei grobe Fehlgriffe wie Bayer mit Monsanto vermieden.

Auch sonst hat das Management unter dem amtierenden Konzernchef Stefan Oschmann vieles richtig gemacht. Die Analysten der Deutschen Bank erwarten bei allen drei Sparten des Konglomerats - Healthcare, Life Science und Performance Materials - beschleunigendes Wachstum: "Ein Phänomen, das es in der Vergangenheit von Merck selten gegeben hat", so der spitze Kommentar der Analysten.

Durch Garijos anstehende Beförderung besonders im Blickpunkt steht die Gesundheitssparte Healthcare. Lange Zeit wurde dieser Bereich von Merck in der Branche eher belächelt. Das hat sich geändert. In den vergangenen drei Jahren hat Merck aussichtsreiche Medikamente hervorgebracht: Mavenclad gegen MS und das Krebspräparat Bavencio könnten im kommenden Jahr zusammen bereits eine Milliarde Euro Umsatz bringen. Neue Produkte der Sparte sollen laut Planung im Jahr 2022 zwei Milliarden Euro Umsatz beisteuern, für die etablierten Produkte erwartet der Konzern mindestens eine stabile Umsatzentwicklung.

Der größte Umsatzbringer ist aktuell noch das MS-Medikament Rebif, das in diesem Jahr laut Analystenschätzungen 1,1 Milliarden Euro einbringen dürfte, seine kommerziell beste Zeit aber hinter sich hat. Für die längerfristige Perspektive gibt es einige aussichtsreiche Kandidaten in der Produktpipeline, etwa den Wirkstoffkandidaten Evobrutinib, ebenfalls gegen MS.

Die zweite große Sparte im Konglomerat mit einem Umsatzanteil von ebenfalls rund 40 Prozent ist der Bereich Life Science. Dort ist Merck Zulieferer für Pharma- und Biotechfirmen sowie Wissenschaftslabore. Nach eigenen Angaben bietet Merck 300.000 Produkte an, von Laborwassersystemen zu Genom-Editierungs-Verfahren über Antikörper, Zelllinien und Komplettlösungen für die Herstellung von Medikamenten. Dieser Geschäftsbereich profitiert auch von der Jagd nach einem Impfstoff gegen Covid-19. Von der Sparte erwartet Merck mittelfristig jährliche organische Wachstumsraten beim Umsatz von sechs bis neun Prozent, was über den für die Branche erwarteten Zuwächsen von fünf bis sechs Prozent liegen würde.

Zulieferer der Chipindustrie

Das nach Umsatz kleinste der drei Standbeine des Merck-Konglomerats ist die Spezialchemiesparte Performance Materials. Dort produziert Merck Flüssigkristalle und OLED-Materialien für Bildschirme, Materialien für integrierte Schaltkreise, Pigmente für Beschichtungen und Kosmetik. Das Geschäft innerhalb der Sparte entwickelt sich sehr unterschiedlich: Merck leidet unter der sinkenden Nachfrage nach Flüssigkristallen. Schwung bringt dagegen das Geschäft mit Spezialchemikalien für die Herstellung von Elektronikmaterialien. Durch Übernahmen ist der Konzern zu einem wichtigen Zulieferer der Microchip-Industrie geworden. Merck kalkuliert für die Gesamtsparte darum mittelfristig mit Umsatzsteigerungen von organisch drei bis vier Prozent bei einer operativen Marge von rund 30 Prozent.

Analysten erwarten bei Merck in den kommenden Jahren kontinuierliches Wachstum bei Umsatz und Gewinn. Oschmann will sich mit guten Ergebnissen verabschieden: Gerade in der Covid-19-Krise der vergangenen Monate habe sich die Leistungsstärke des Geschäftsmodells mit drei innovationsstarken Unternehmensbereichen gezeigt.
 


INVESTOR-INFO

Die Aktie

Am Rekordhoch

Für den 12. November werden die Quartalsergebnisse des DAX-Konzerns erwartet. Dabei dürfte Merck einen positiven Sondereffekt verbuchen: Der Konzern hat einen Patentstreit in den USA gewonnen und kann darum eine Rückstellung auflösen. Merck dürfte darum seine Jahresprognose leicht anheben. Alle drei Sparten dürften operativ gute Ergebnisse einfahren. Die Aktie hat das Februar-Hoch von 125 Euro bereits überschritten und sollte weiter Potenzial haben.

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