Der größte Kurssturz am chinesischen Aktienmarkt seit mehr als acht Jahren hat die Anleger zu Wochenbeginn aufgeschreckt und Milliardenwerte vernichtet. Der Ausverkauf an den Börsen des bevölkerungsreichsten Landes der Welt, der in der zweiten Junihälfte begonnen hatte, scheint sich damit trotz massiver Gegenmaßnahmen der Regierung fortzusetzen.



Die Leitindizes der wichtigen Börsen in Shanghai und Shenzhen brachen am Montag um jeweils 8,5 Prozent ein. Gut 1500 Aktien - zwei Drittel aller Werte - stürzten um die täglich maximal möglichen zehn Prozent ab. Dazu gehörten auch Schwergewichte wie der Mobilfunker China Unicom, Bank of Communications oder der Ölkonzern PetroChina.

"Viele fürchten, dass die Konjunktur im wichtigen Exportland China deutlich einknicken könnte," sagte ein Händler. Die 300 größten Börsenwerte Chinas alleine büßten zusammengerechnet rund 400 Milliarden Dollar ihrer Marktkapitalisierung ein. Dies entspricht der jährlichen Wirtschaftsleistung Österreichs. Seit Mitte Juni vernichteten die Turbulenzen sogar einen Börsenwert von 1,4 Billionen Dollar - das jährliche Bruttoinlandsprodukt Spaniens.

In den Abwärtsstrudel gerieten am Montag auch andere Börsen in Asien und der Region Asien/Pazifik. In Europa ging es für Dax und EuroStoxx50 jeweils zwei Prozent auf 11.105 beziehungsweise 3533 Punkte abwärts. Die größten Verlierer waren Papiere exportorientierter Unternehmen wie des Flugzeugbauers Airbus oder des Chemiekonzerns BASF mit Kursverlusten von bis zu vier Prozent. Papiere der Deutschen Bank, deren China-Beteiligung Hua Xia Bank zehn Prozent ihres Börsenwerts verlor, gaben 3,7 Prozent nach.

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CHINA VERLIERT SCHWUNG



Als Grund für die Kursverluste in China nannten Börsianer enttäuschende Konjunkturdaten. Die Gewinne chinesischer Industrieunternehmen schrumpften trotz weiterer Zinssenkungen der Notenbank im Juni um 0,3 Prozent. Das am Freitag veröffentlichte Stimmungsbarometer der chinesischen Einkaufsmanager war zudem auf den tiefsten Stand seit 15 Monaten gefallen.

Anlagestratege Yu Jun vom Vermögensverwalter Bosera verwies auf einen weiteren Aspekt: "Nach einer zweiwöchigen Erholung nehmen einheimische und ausländische Anleger Gewinne mit und verstärken dadurch den Verkaufsdruck." Die chinesische Regierung hatte Anfang Juli hart durchgegriffen, nachdem die heimischen Börsen in den Wochen zuvor um rund ein Drittel eingebrochen waren. Sie drängte institutionelle Anleger zu Stützungskäufen, erschwerte die Kreditaufnahme für spekulative Börsengeschäfte und legte ein umgerechnet 36,6 Milliarden Euro schweres Konjunkturprogramm auf. Außerdem wurden die Hälfte aller in Festlandchina notierten Aktien vom Handel ausgesetzt. Diese Maßnahmen hievten die Börse in den vergangenen beiden Wochen 16 Prozent in die Höhe.

"Die Lehre aus der chinesischen Aktienblase ist, dass sobald sich die Stimmung verschlechtert, Interventionen zur Stützung der Kurse nur einen kurzzeitigen Effekt haben", schrieben die Analysten des Research-Hauses Capital Economics in einem Kommentar. Die chinesischen Aktienkurse hatten sich in der ersten Jahreshälfte unter anderem deshalb verdoppelt, weil die Regierung die Werbetrommel gerührt und Kleinanleger zum Aktienkauf ermuntert hatte.

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ROHSTOFFPREISE GEHEN IN DEN KELLER - SICHERE HÄFEN GEFRAGT



Der aktuelle Kursrutsch an den China-Börsen sorgte auch bei den Rohstoffen für Unruhe. Schließlich ist das Reich der Mitte der weltweit größte Abnehmer. Kupfer verbilligte sich um 1,2 Prozent auf 5200 Dollar je Tonne und Gold kostete mit 0,8 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) 1089,55 Prozent weniger als am Freitag. Die richtungsweisende Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee notierte 1,8 Prozent niedriger bei 53,62 Dollar je Barrel (159 Liter). Sie litt zusätzlich unter dem Wiederanstieg der US-Förderung, die das weltweite Überangebot verschärft.

Einige Investoren nahmen Kurs auf "sichere Anlagehäfen". So legte der Bund-Future, der auf der zehnjährigen Bundesanleihe basiert, 18 Ticks auf 154,03 Punkte zu. Sein US-Pendant, der T-Bond-Future, gewann 25/32 auf 155-12/32 Zähler. Gefragt war außerdem der Euro, der sich um einen knappen US-Cent auf 1,1056 Dollar verteuerte. Er profitierte dabei von überraschenden Anstieg der Stimmung in den deutschen Chef-Etagen. Dank der Entspannung in der griechischen Schuldenkrise stieg der Ifo-Index im Juli um 0,5 auf 108,0 Punkte. Analysten hatten nach zwei Rückgängen in Folge mit einem weiteren Absinken des wichtigen Frühindikators für die deutsche Wirtschaft gerechnet.

Reuters