Vor den österreichischen Impfzentren haben sich am Wochenende lange Schlangen gebildet. Die Sieben-Tage-Inzidenz in der Alpenrepublik ist auf über 900 gestiegen, deutlich höher als hierzulande. Deswegen wurden drastische Maßnahmen verhängt. Für Nichtgeimpfte gibt es einen Lockdown. Für Restaurants und Veranstaltungen gilt 2G.

Sollte dieser Zustand länger andauern, besteht die Gefahr, dass die Wirtschaft darunter leidet. Die lief dieses Jahr mit einem BIP-Zuwachs von 4,4 Prozent gut. Für 2022 wird sogar mit einem Plus von 4,8 Prozent gerechnet. Allerdings könnte es hier noch zu einer Abwärtsrevision kommen. Denn der wichtige Skitourismus könnte wie schon in der vergangenen Saison unter Corona leiden. Da der Tourismus 15 Prozent zum BIP des Landes beiträgt, ist er ein wichtiger Wirtschaftszweig.

Wolfgang Matejka, Geschäftsführer bei der Wiener Vermögensverwaltung Matejka & Partner, ist dagegen optimistisch. "Mit der 2G-Regel sollte der Wintertourismus einigermaßen normal laufen", glaubt er. Er sieht einen Qualitätsschub in der Reisebranche Österreichs, da die Staatshilfen in der letzten Saison zu Renovierungen und Verbesserung der Leistungen genutzt wurden. "Der Skitourismus könnte 2022 sogar einen überraschend positiven Beitrag zum BIP leisten", glaubt Matejka.

Börse von Politik unbeeindruckt

Auch die Politik spielt mit. Nachdem die Regierungskrise wegen Korruption und Manipulation von Meinungsumfragen beigelegt ist, dürfte von dieser Seite kein Gegenwind für die Wirtschaft kommen. Weder die Grünen noch die ÖVP, die die Regierungskoalition bilden, wollen Neuwahlen, weil sie dann wohl Stimmen verlieren würden. Von daher dürfte die Regierung unter dem neuen Kanzler Alexander Schallenberg erst einmal stabil sein.

Doch schon bisher hatte sich der österreichische Aktienmarkt von den Politpossen in Wien unbeeindruckt gezeigt. Der ATX legte im laufenden Jahr um bisher 40 Prozent zu und ist damit in Europa, was die Performance betrifft, der Spitzenreiter unter den Leitindizes.

Die Rally hat verschiedene Gründe. Zum einen sind Banken der größte Sektor im ATX, und Finanzaktien entwickelten sich 2021 hervorragend, da Anleger darin Schutz vor Inflation suchten. Zum anderen liefen Wirtschaft und Aktienmärkte Osteuropas gut. Österreichs Ökonomie ist zu einem Viertel mit Osteuropa verflochten, im ATX beträgt der Anteil der Unternehmen, die viele Geschäfte mit der Region machen, sogar 50 Prozent. Hinzu kam noch eine niedrige Bewertung des ATX zum Jahresbeginn. Das KGV war weit niedriger als das des DAX. Obwohl das KGV inzwischen gestiegen ist und für 2022 elf beträgt, ist es immer noch günstig und tiefer als im DAX mit 15,3. Genauso sieht es beim Kurs-Buchwert-Verhältnis aus. Beim ATX liegt es für 2022 bei 1,28, während der DAX eines von zwei aufweist.

Auch von der Konjunktur her sieht es gut aus. Im kommenden Jahr wird erwartet, dass die Wirtschaft das Vor-Pandemie-Niveau wieder erreicht. Die Erholung zieht sich quer durch alle Branchen. Die Gewinne der Unternehmen dürften im nächsten Jahr weiter zulegen. "Das Gewinnmomentum ist in der Bewertung des ATX noch nicht vollständig enthalten", sagt Matejka. Auch der globale Rohstoffboom kommt einigen Unternehmen im ATX zugute, die dort eine hohe Gewichtung haben. Das sind die Energieunternehmen OMV und Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment sowie die Stromanbieter Verbund und EVN. Diese haben zusammen ungefähr 26 Prozent Gewicht im Leitindex des Alpenlandes.

Osteuropa bleibt ein Risiko

Belebend sollte zudem der Konsum wirken. Das österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO rechnet nach einem Zuwachs von 4,5 Prozent 2021 im nächsten Jahr mit einem Plus von sechs Prozent. Unterstützung kommt überdies von den Exporten, die 2022, nach einem Zuwachs von 8,6 Prozent in diesem Jahr, sogar noch stärker um knapp neun Prozent klettern sollen.

Trotz positiver Aussichten gibt es einige Risiken - vor allem die engen Geschäftsbeziehungen zu Osteuropa. Sollten sich die Spannungen des Westens mit Russland und Belarus verschärfen, könnte sich das für Österreich negativ auswirken. Auch ein Wiederaufflammen des Ukraine-Kriegs würde dazu beitragen. Das ist nicht von der Hand zu weisen, da Russland Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammenzieht.

Angst vor Corona

Die Unterbrechung von Lieferketten, Arbeitskräftemangel und Preissteigerungen belasten ebenfalls einige Unternehmen, vor allem die Autozulieferer. Die Inflation im Oktober ist verglichen zum Vorjahr um 3,6 Prozent gestiegen. Negative Auswirkungen dürfte es auch haben, wenn es wieder zu großflächigen Lockdowns kommen sollte. Das würde Handel und Tourismusbranche schwer treffen.

Am Aktienmarkt sieht Matejka vor allem die Gefahr, dass es zu kräftigen Gewinnmitnahmen bei den stark gelaufenen Bankaktien kommt, der am höchsten gewichteten Branche im ATX. "Hier zeichnet sich eine Top-Bildung ab", so der Vermögensverwalter.

Dennoch überwiegen die Chancen eindeutig die Risiken. Vor allem das Momentum, die gut geführten Unternehmen, der breit diversifizierte Index und die trotz der Hausse immer noch niedrige Bewertung sprechen für einen Einstieg in den Aktienmarkt der Alpenrepublik. Allerdings dürfte es im kommenden Jahr nicht mehr in dem hohen Tempo wie zuletzt aufwärtsgehen, sondern es ist mit moderateren Kursgewinnen zu rechnen.
 


INVESTOR-INFO

Performance

Europas Spitzenreiter

Der österreichische Leitindex ATX hat seit Jahresbeginn um 40 Prozent zugelegt und den DAX dabei um 22 Prozentpunkte hinter sich gelassen, obwohl er im Gegensatz zum DAX ohne Dividenden berechnet wird. In Europa ist 2021 kein Leitindex besser gelaufen. Mit 126 Milliarden Euro hat der ATX jedoch eine geringere Marktkapitalisierung als der größte DAX-Titel SAP mit 154 Milliarden Euro.

XTrackers ATX ETF

Viele Sektoren vertreten

Mit dem ETF von Xtrackers bilden Anleger Österreichs Leitindex ATX mit 20 Bluechips eins zu eins ab. Banken sind mit 34 Prozent Anteil am höchsten in dem Börsenbarometer gewichtet, das trotz der Rally mit einem KGV von elf für 2022 noch günstig bewertet ist. Es folgen Öl und Gas sowie Grundstoffe (beide 15 Prozent) und Versorger (zwölf Prozent). Der ATX ist über viele Sektoren diversifiziert, Technologietitel sind aber kaum vertreten.

Voestalpine

In USA und Europa gefragt

Der Stahlkonzern Voestalpine sollte vom US-Infrastrukturpaket profitieren. Zudem liefern China und die Türkei nur noch wenig Stahl in die EU, da die Zölle erhöht wurden. Auch das eröffnet den Österreichern Absatzchancen. Als einer von wenigen Herstellern in dem Sektor deckt Voestalpine Stahl, Schiene, Edelstahl und Rohr ab. Mit einem KGV von sechs für 2022 ist der Konzern zwar im Branchenvergleich überdurchschnittlich bewertet, hat aber Wachstumspotenzial.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 40,00 Euro
Stoppkurs: 25,00 Euro