Launige Stimmung herrschte vor der ersten virtuellen Hauptversammlung von Siemens, zugleich der Zeitpunkt der Stabübergabe an der Spitze von Joe Kaeser an Nachfolger Roland Busch. "Das war kein Abschieds- oder Antrittsgeschenk", sagte der frischgebackene Vorstandschef Busch auf die Frage zur aktuellen Prognoseerhöhung für das Gesamtjahr.

Siemens will jetzt in der Periode bis Ende September eine Umsatzsteigerung im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich schaffen. Der Nettogewinn soll statt 4,2 Milliarden Euro nun zwischen 5,0 und 5,5 Milliarden liegen. Zudem wurden die Margenprognose für die Sparten Digitale Industrie (DI) sowie Smarte Infrastruktur (SI) angehoben. DI, das profitabelste Geschäft, soll bei einem Umsatzwachstum zwischen sechs und zehn Prozent im Geschäftsjahr eine operative Marke zwischen 19 und 20 Prozent erreichen.

Allerdings erwartet der Konzern zugleich "weiterhin ein komplexes gesamtwirtschaftliches Umfeld, das von COVID-19 beeinflusst wird." Die Prognoseanhebung basiere auf der Annahme, dass sich die "Bedingungen insbesondere für die kurzzyklischen Geschäfte in den kommenden Quartalen fortsetzen".

Prognoseerhöhung kein "Strohfeuer"


Finanzchef Ralf Thomas betonte, dass die Prognoseerhöhung keineswegs einem "Strohfeuer" entspringe. Im Quartal zum Dezember hatte das Automatisierungsgeschäft der DI vor allem in China einem Auftragsschub von 34 Prozent eingefahren. Auch in Deutschland zog das Geschäft um 13 Prozent an, weil sich Automobil- und Maschinenbauindustrie schneller erholten als gedacht. "Wir verzeichneten eine starke Nachfrage und wir konnten liefern", so Vorstandschef Busch.

Konzernweit fuhren die Münchner ein Auftragsplus von 15 Prozent, ein Umsatzwachstum von sieben und eine operative Marge von 16 Prozent ein. Das und die deutliche Prognoseerhöhung führten zu einem abermaligen Plus der Siemens-Aktie, zu bereits nach vorläufigen Zahlen zugelegt und ein Allzeithoch markiert hatte.

Finanzchef Ralf Thomas gab zudem eine Indikation für die Entwicklung der Geschäfte in den beiden kurzzyklisch geprägten Sparten DI und SI. Zwar habe der Schub insbesondere im Dezember, der auch bei SI zu verzeichnen war, auch aus Lagerbestandserhöhungen von Kunden resultiert. Thomas sieht jedoch eine nachhaltige Entwicklung in Fertigungsindustrien vor allem in China, aber auch etwa in Deutschland oder Italien. Lediglich in den USA sei die Nachfrage nach Automatisierungstechnik aus der Öl- und Gasindustrie noch gedämpft. In DI, das im ersten Quartal eine Rekordmarge von 22,5 Prozent einfuhr, werde die Profitabilität im laufenden Quartal leicht sinken.

Insbesondere in der langfristiger getakteten Verkehrstechniksparte Mobility, die bereits einen Auftragsschub um zwei Drittel im ersten Quartal bis Dezember erreicht hatte, setze sich der Orderzufluss fort. Mittelfristig laufen hier auch die Aufträge aus dem Milliardendeal aus Ägypten ein, den die Münchner um die Jahreswende eingefahren hatten. Der Staat bestellt Züge sowie Technik für das erste Hochgeschwindigkeitsschienennetz des Landes.

Thomas wies zudem darauf hin, dass das Geschäft der neuen Siemens jetzt, da die Energietechnik mit Siemens Energy ausgegliedert und an der Börse notiert ist und die Medizintechnik Siemens Healthineers ebenfalls selbstständig ist, ein kurzzyklisch aufgestellteres Unternehmen sei, das auch schneller auf Entwicklungen der Nachfrage und der Konjunktur reagiere. Konzernchef Busch betonte, dass es sein Ziel sei, einen noch besseren und stabileren Cashflow über die Quartale zu erreichen.

Busch will zudem die in den Jahren unter Kaeser stark gesteigerte Softwarekompetenz des Unternehmens weiter ausbauen. Der neue Konzernchef plant, den Kunden der Münchner zunehmend auch Softwaredienste über die Cloud anzubieten, so genannte "Software as a Service", kurz SaaS. In der Industriedigitalisierung gilt Siemens mit seiner Software-Plattform als weltweit führend.

Fazit:


Siemens zeigt im Quartal fundamentale Stärke und hohe Profitabilität. Der schlankere Konzern profitiert unmittelbar von einem Anziehen der Konjunktur in den Fertigungsindustrien, vor allem auch in China - deshalb auch die deutliche Prognoseerhöhung. Allerdings ist die neue Siemens auch stärker diesen Zyklen ausgesetzt, die Aktie riskanter. Dennoch weiteres Potenzial.