Nach langem Zögern wird die US-Notenbank Fed nächste Woche sehr wahrscheinlich das Ende der Nullzins-Ära einläuten. Seit dem Höhepunkt der Finanzkrise Ende 2008 vergeben die Währungshüter den Finanzinstituten Zentralbankgeld praktisch zum Nulltarif, um damit Kreditvergabe und Konjunktur anzukurbeln. Damit ist es nun wohl bald vorbei, da in den USA nahezu Vollbeschäftigung herrscht. Fed-Chefin Janet Yellen hat die Märkte weltweit für Mittwoch auf die erste Anhebung seit fast zehn Jahren vorbereitet. Dann werden auch in China und anderen Schwellenländern geldpolitisch neue Zeiten anbrechen, prophezeit Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer: "Mit der Zinserhöhung endet eine Dekade des billigen Geldes, auch in vielen aufstrebenden Volkswirtschaften."

Die meisten Experten gehen davon aus, dass das sogenannte Zielband für den Leitzins von derzeit null bis 0,25 Prozent am Mittwoch auf 0,25 Prozent bis 0,50 Prozent angehoben wird. Die Fed geht damit in eine andere Richtung als die Europäische Zentralbank (EZB), die erst jüngst ihre Nullzinspolitik de facto auf Jahre hinaus zementierte. Sie will der Konjunktur in der Euro-Zone mit einer großen Geldschwemme weiter auf die Sprünge helfen. Doch in den USA läuft die Wirtschaft rund. Bereits im September wartete die Welt daher gespannt auf die Wende in Washington, doch der Countdown wurde wegen der Börsenturbulenzen in China abgebrochen. Nach dem Abebben der Schockwellen aus dem Reich der Mitte rechnet die Fachwelt nun fest damit, dass die Fed sie im zweiten Anlauf wagen wird.

Die spannendere Frage ist, wie die Notenbank nach dem ersten Schritt vorgeht. Hinweise darauf dürfte Yellen nach dem Entscheid geben. Sie sprach bislang eher vage von einem "graduellen" Zinsanstieg. Viele Experten befürchten, dass die Wirtschaft zwischen New York und San Francisco nach sieben Jahren Nullzinsen mit einer Straffung und einem stärkeren Dollar nicht zurechtkommen wird und erwarten deshalb ein eher langsames Vorgehen der Fed. "Diese Befürchtungen gab es allerdings vor jeder Straffung der Geldpolitik, und auch dieses Mal dürften sie sich als unbegründet erweisen", sagt Krämer.

Sein Kollege Jürgen Michels von der BayernLB erwartet, dass die Währungshüter sich sehr viel Zeit für den zweiten Zinsschritt nehmen wird - bis September 2016. Denn die Wirtschaft erhole sich nur moderat und die Inflation sei niedriger als von der Fed gewünscht. Rückschluss über den weiteren geldpolitischen Kurs dürften auch die individuellen Prognosen der Währungshüter geben. Im September hatten sie im Mittel für Ende 2016 einen Zinssatz von 1,37 Prozent veranschlagt.

Auf Seite 2: SIGNAL DER STÄRKE





SIGNAL DER STÄRKE



Yellen hatte eine geldpolitische Straffung jüngst als Signal der Stärke der US-Wirtschaft bezeichnet. Sie versuchte so, den Märkten Ängste vor dem weitreichenden Schritt zu nehmen. Einige Börsianer warnen vor überzogenen Erwartungen an die Äußerungen der Notenbankchefin nach dem Zinsentscheid. Konkrete Signale seien eher unwahrscheinlich. Daher werde der Kurs des Euro wohl weiter um die Marke von 1,10 Dollar pendeln.

Yellen und ihr Vorgänger Ben Bernanke haben mit sehr billigem Geld dafür gesorgt, dass die Aktienmärkte bei Laune gehalten wurden und von Rekord zu Rekord eilen konnten. Mit einer Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik müssen sich die Börsianer nun darauf verlassen, dass die Wirtschaft auch ohne größere Hilfe rund läuft. Zuletzt hat sich die US-Konjunktur jedoch abgekühlt. Sie legte im Sommer aufs Jahr hochgerechnet nur noch um 2,1 Prozent zu, nachdem es im Frühjahr noch 3,9 Prozent waren. Doch Experten sehen darin kein Schwächezeichen: Denn der private Verbrauch, der rund zwei Drittel der US-Wirtschaftsleistung ausmacht, zog weiter an. "Die Konsumenten sind angesichts einer deutlich verringerten Verschuldung gut auf steigende Zinsen vorbereitet", so die Commerzbank-Volkswirte.

Anders liegt der Fall in China. Hier dürfte es insbesondere bei den Firmen lange Gesichter geben: Schätzungen zufolge halten Chinas Unternehmen rund ein Viertel ihrer Kredite in Dollar. Eine Zinserhöhung in den USA und eine damit verbundene Aufwertung des Dollar würde es für diese Unternehmen somit teurer machen, diese Schulden zu bedienen. Die Notenbank stemmt sich bereits seit längerem mit Zinssenkungen gegen die Konjunkturabkühlung. Doch das grundsätzliche Vertrauen in die Zugkraft der Wirtschaft sei nicht mehr so stark wie bisher, erläutert China-Experte Björn Conrad vom Institut Merics: "Das Volumen der Kapitalabflüsse ist im Laufe des Jahres stark angewachsen." Nach der zinspolitischen Zeitenwende in Washington droht noch mehr Geld aus dem Reich der Mitte abzufließen.

Reuters