"Die Gründe: geringere politische Risiken, bessere Wachstums- und damit Gewinnperspektiven sowie günstigere Bewertungsniveaus am Aktienmarkt als in den USA."

Das macht sich auch in den jüngsten Analystenumfragen bemerkbar. Während dem US-Aktienmarkt ein Plus von drei Prozent bis Jahresende zugetraut wird, sehen die Experten Europas Märkte mit bis zu sechs Prozent klar im Vorteil. Sollte der deutsche Aktienmarkt wirklich so viel zulegen, könnte der Dax erstmals über die Marke von 13.000 Punkten springen. Momentan trennen den Leitindex bei einem Stand von rund 12.375 Punkten nur noch etwa 15 Zähler von seinem Rekord aus dem April 2015.

"Im Moment ist es leicht, Argumente für Europa und gegen die USA zu finden", sagt Portfolio-Manager Matt Burdett vom Vermögensverwalter Thornburg. Den wachsenden Appetit auf Europa von US-Anlegern zeigen auch jüngste Daten von Thomson Reuters Lipper: In den letzten Märzwochen verzeichneten US-Fonds mit europäischen Aktien die größten Mittelzuflüsse seit Dezember 2015.

WIE STARK IST TRUMP WIRKLICH?



Vor allem das Scheitern Trumps bei der Gesundheitsreform macht die Anleger für US-Titel skeptischer. Denn seit seinem Wahlsieg im November setzten sie auf Steuersenkungen und billionenschwere Infrastruktur-Investitionen. Der neue Mann im Weißen Haus versprach unter anderem eine Senkung der Unternehmenssteuern auf 15 bis 20 von 35 Prozent. Das trieb den US-Standardwerteindex Dow Jones scheinbar mühelos von Rekord zu Rekord.

Nun werden diese Wahlversprechen Trumps infrage gestellt. "Es sieht jetzt so aus, als ob einige Punkte in der Steueragenda zurückgefahren oder ganz gestrichen werden müssen", sagt der unabhängige Steuerexperte Robert Willens. "Auf jeden Fall wird es sehr viel weniger ehrgeizig werden." Andere sind sogar noch pessimistischer. "Die Chancen auf eine Steuererleichterung für Firmen in 2017 sind von gut auf gering gesunken", sagt Anlagestratege Michael Purves vom Brokerhaus Weeden & Co. "Das hat großen Einfluss auf die Unternehmensgewinne."

ANGST VOR LE PEN NIMMT AB



Zwar drohten in Europa im Superwahljahr vor allem politische Risiken in Form eines stärkeren Rechtsrucks und einem Auseinanderdriften der europäischen Gemeinschaft. Doch nach den Wahlen in den Niederlanden scheint der Knoten geplatzt. Zwar steht der EU mit den Frankreich-Wahlen Beobachtern zufolge eine Schicksalsstunde bevor. Denn dort will die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen nach dem Vorbild der Briten der Europäischen Gemeinschaft den Rücken kehren und ihr Land aus der Währungsunion führen. Doch momentan rechnen die Wenigsten mit einem Sieg der Rechten.

Ein weiterer Pluspunkt für den alten Kontinent: Die konjunkturellen Aussichten sind verlockend. So kletterte der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft - Industrie und Dienstleister zusammen - im März überraschend auf den besten Wert seit April 2011. Und die gute Stimmung bei den Unternehmen dürfte Experten zufolge anhalten. "Das Gewinnwachstum in der Eurozone sollte im kommenden Jahr das der USA übertreffen", heißt es bei den Strategen der Bank Julius Bär.

Zudem sind Anteilsscheine europäischer Titel günstiger zu haben als die aus Sicht von Experten schon heißgelaufenen Wall-Street-Titel. "Der US-Markt sieht deutlich überbewertet aus", sagt Dave Wright, der den 2,3 Milliarden Dollar schweren Fonds Sierra Strategic Income mitverwaltet. Schaut man auf die Kennziffer Kurs-Gewinn-Verhältniss zahlen Investoren bei US-Aktien momentan um die achtzehn Dollar für jeden Dollar erwarteten Gewinn auf Sicht der kommenden zwölf Monate. Beim deutschen Leitindex Dax oder seinem italienischen Pendant liegt das Verhältnis lediglich bei etwa fünfzehn zu eins.

rtr