Vorstand und Aufsichtsrat von Volkswagen werden den Tag der Hauptversammlung in diesem Jahr wohl nicht gerade herbeigesehnt haben. Aber dass die Eigentümer-Versammlung zu einer solch ungebremsten Abrechnung mit den Wolfsburger Granden geraten würde, hatten wohl selbst die größten Pessimisten in der VW-Zentrale nicht erwartet. Stundenlang machten am Mittwoch wütende Aktionäre ihrem Unmut über Dieselgate, Milliardenverluste und Kurssturz Luft. Manche, wie der bekannte Aktionärsschreck Manfred Klein, redeten sich so in Rage, dass sich Beobachter bereits ernsthafte Sorgen um dessen Gesundheit machten.

Vor allem über Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch entlud sich der Zorn der Aktionäre. Daran war Pötsch selbst Schuld. Viele Aktionäre nahmen ihm übel, dass der langjährige Finanzvorstand nach Ausbruch des Dieselskandals und des überraschenden Abgangs des VW-Patriarchen Ferdinand Piech im vergangenen Herbst quasi über Nacht an die Spitze des VW-Kontrollgremiums wechselte statt die im Corporate Governance Kodex eigentlich vorgesehene Runde im Abklingbecken zu drehen und es dabei auch nicht versäumte, sich die Auszahlung seiner millionen-schweren Vorstandsbezüge zusichern zu lassen.

Und das war noch längst nicht alles. Gleich reihenweise zweifelten frustrierte Aktionäre zudem an Pötschs Unabhängigkeit bei der Aufklärung des Dieselskandals. Es werfe schon ziemliche Fragen auf, wie Pötsch dies leisten könne, nachdem er rund 13 Jahre Finanzvorstand im Konzern war und die Software zur Manipulation von Abgaswerten in dieser Zeit programmierte wurde, sagte etwa Hans Christoph Hirt vom einflussreichen britischen Aktionärsvertreter Hermes, der die wohl scharfsinnigste Kritik der Wolfsburger Unkultur ablieferte.

Der Interessenkonflikt an der Spitze des Kontrollgremiums war so offensichtlich, dass Pötsch gleich zwei Mal über seine eigene Abberufung als Versammlungsleiter abstimmen lassen musste - mit vorhersehbarem Ausgang. Homöopathische 0,02 Prozent des anwesenden Kapitals stimmten gegen Pötsch. Beim zweiten Durchgang war es nur noch die Hälfte.

Pötschs Bierruhe



Doch der Österreicher zeigte sich weder von den beiden direkten Abstimmungsanträgen noch von den übrigen Beiträgen beeindruckt und peitschte die Aktionärsversammlung ungerührt durch.

Pötschs Bierruhe und der Ausgang der beiden Abstimmungen gegen ihn werfen ein Schlaglicht auf den Konzern und die Kräfteverhältnisse im weiten VW-Reich. Ein fein austariertes Machtkartell aus den Familien Porsche und Piech, dem Betriebsrat und dem Land Niedersachsen steht in Treue fest zusammen. Externe Nörgler lassen die VW-Eigentümer bei Bedarf in bester Gore-tex-Manier einfach abperlen.

Auch sonst verheißt die HV nichts Gutes. Den massenhaften Einsatz von Schummelsoftware, der bislang bereits zu Rückstellungen von 16,2 Milliarden Euro geführt hat, reden Pötsch, VW-Chef Müller und das übrige Führungspersonal vor den Aktionären konsequent zur "Dieselthematik" klein. Und die versprochene Transparenzoffensive lässt trotz millionen-schwerer Anwaltskosten weiter auf sich warten. Mehr Informationen ließen die US-Advokaten einfach nicht zu, versichern Pötsch, Müller und Co. den Eigentümern gebetsmühlenartig. Punkt.


Wolfsburger Wagenburg

All das nährt den Eindruck: Die Wolfsburger Wagenburg schließt sich wieder. Mögen die Klein-Aktionäre auch noch so aufgebracht sein, mögen Image demoliert und Depots ruiniert sein: Die VW-Großeigentümer wenden sich nach überstandener Aktionärsfolklore wieder Wichtigerem zu.

Bis zur nächsten Hauptversammlung ist es ja noch ein Jahr. Und der eine Tag geht auch 2017 irgendwie vorüber. Danach sitzen die beiden Familienclans, Betriebsräte und das Land Niedersachsen wieder brav beieinander und machen ihr Ding.

Wer bei VW einsteigt, nimmt all das in Kauf.