Dass die US-Wirtschaft kräftig wächst, zeigt die Statistik. Ein Plus von 6,4 Prozent im ersten Quartal ist mehr als ordentlich. Doch kaum ein Bild symbolisiert die tatsächliche Lage so treffend wie der Stau von Containerschiffen vor den US-Häfen auf See. "Wir haben wegen der Staus in den Häfen unsere Kapazitäten um 25 Prozent erhöht, um die Waren schneller abtransportieren zu können", sagte Lance Fritz, Vorstandschef des Eisenbahnunternehmens Union Pacific. "Und da kommt noch einiges nach." Die hohe Nachfrage betreffe die Automobilindustrie, den Bausektor, Kunststoffe, aber auch sonstige Güter.

Die Eisenbahnen brummen unter Volldampf. Nachdem sie die Corona-Krise im vorigen Jahr gebeutelt hatte, zählen sie jetzt zu den Ersten, die profitieren. Laut der Amerikanischen Eisenbahnvereinigung AAR legte die Fahrleistung auf den größten Strecken Nordamerikas im laufenden Jahr bis Ende April um gut acht Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Und das ist erst der Anfang. "Wir erwarten nach Corona einen großen Konsumschub, der viele Transporte auslöst", sagt Jean-Jacques Ruest, Vorstandschef der Canadian National Railway (CNR). Dazu komme, dass der neue Handelsvertrag zwischen Kanada, Mexiko und den USA, der die bisherige Freihandelszone NAFTA ablöst, den Güterverkehr anheize.

Übernahmekampf entbrannt

Die CNR will das ausnutzen und ist in den Bieterkampf um die US-Eisenbahngesellschaft Kansas City Southern eingestiegen. Mit deren Infrastruktur entstünde das erste Netz, das Kanada mit den USA und Mexiko verbindet und in einer Hand liegt. In Nordamerika sind Bahnen und Infrastruktur anders als in Europa weitgehend privatisiert. Zunächst hatte Wettbewerber Canadian Pacific Railway (CPR) ein Kaufangebot von 25 Milliarden Dollar in den Ring geworfen. CNR überbot mit 33,6 Milliarden Dollar. Es komme selten vor, dass Eisenbahnen zum Verkauf stehen, erklärte der CNR-Chef das Manöver. Wenn, dann gelte es zuzupacken. Es sieht so aus, als habe er sich Kansas Southern damit gesichert.

Eisenbahninvestitionen gelten als solide. Warentransporte werden immer gebraucht, deshalb werfen Güterbahnen kontinuierlich attraktive Erträge ab, selbst wenn sie wie in Corona-Zeiten geringer ausfallen. Deshalb hat auch Warren Buffett vor mehr als zehn Jahren das Eisenbahnunternehmen Burlington Northern Santa Fe (BNSF) für 44 Milliarden Dollar gekauft.

Neben dem absehbaren Post-Corona- Boom profitieren die nordamerikanischen Eisenbahnen auch vom Megatrend Klimaschutz. Nicht nur, dass US-Präsident Joe Biden Milliarden für einen grüneren Verkehr verspricht. Auch die Industrie selbst steuert um. Kann sie sich doch eine grüne Logistik auf eigene Klimaschutzziele anrechnen lassen. Das ist ein wichtiger Aspekt in Zeiten, in denen Nachhaltigkeit auch am Kapitalmarkt auf der Überholspur ist. Laut Union Pacific sparen Züge gegenüber Lkw 75 Prozent der Emissionen.

Das Potenzial für weitere Umsteiger ist groß. Auch und gerade in Europa, wo Länder wie Frankreich Druck machen. Die Nationalversammlung hat ein Verbot für kurze Inlandsflüge auf den Weg gebracht. Alle Verbindungen, die mit der Bahn in zweieinhalb Stunden erreichbar sind, sollen demnach eingestellt werden. Denn auf der Kurzstrecke ist der CO2-Ausstoß besonders hoch.

In Deutschland ist ein ähnliches Verbot zwar nicht in Sicht. Doch auch hierzulande bereitet sich die Deutsche Bahn auf einen Schub vor. Aktuell erneuert sie ihre ICE-Flotte. Im laufenden Jahr werden mehr moderne Züge fahren als jemals zuvor. Auch im Frachtverkehr will die Deutsche Bahn angreifen. In Deutschland werden noch mehr als 70 Prozent der Güter über die Straße transportiert. Das soll sich ändern. Die Bundesregierung braucht die Bahn zur Erfüllung ihrer Klimaschutzverpflichtungen. Laut EU-Kommission sind Europas Züge nur für 0,5 Prozent aller Klimaemissionen im Verkehr verantwortlich. Deshalb sollen sich bis 2030 die Fahrgastzahlen in Deutschland verdoppeln, der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene von 18 auf 25 Prozent steigen.

Rekordinvestitionen

Um das zu schaffen, investieren Staat und Bahn in das wohl größte Sanierungspaket in der Geschichte der deutschen Schieneninfrastruktur. 86 Milliarden Euro sollen in den nächsten Jahren in Erhalt und Modernisierung von Schienen, Brücken und Signalanlagen fließen.

Von der Offensive profitiert die Industrie. Siemens etwa versorgt die DB mit der neuen ICE-4-Generation. Auch Wettbewerber Alstom ist gut im Geschäft, bietet als erster Bahnkonzern in Deutschland Regionalzüge mit Wasserstoffantrieb an. Geht es um neue Gleise, Bahnübergänge und Signaltechnik, kommt die Werdohler Vossloh als Marktführer zum Zug. Und unter den Bahnzulieferern spielt Knorr-Bremse eine wichtige Rolle.

Um immer mehr Züge pünktlich rollen zu lassen, geht es nicht ohne Digitalisierung. Auch dafür stellt die Deutsche Bahn Milliarden zur Verfügung. Das betrifft die Disposition von Fahrzeugen und Personal ebenso wie Fahrpläne oder Bezahlsysteme. Zu den führenden Entwicklern solcher digitaler Bahn- und Busleistungen zählen die Unternehmen IVU Traffic sowie Init. Und das nicht nur für die Deutsche Bahn. Die Produkte beider Unternehmen sind auch im Ausland gefragt.
 


INVESTOR-INFO

Union Pacific

Von Küste zu Küste

Union Pacific ist mit einem Schienennetz von mehr als 50.000 Kilometern eine der größten Eisenbahngesellschaften der USA. Sie verbindet die Häfen am Pazifik und am Golf von Mexiko mit dem wirtschaftsstarken Osten. Die Firma ist fast ausschließlich im Güterverkehr tätig. Im Corona-Jahr 2020 sackte zwar der Umsatz um zehn Prozent ab. Doch die Gewinnmarge betrug immer noch satte 30 Prozent. Dabei zählt die Aktie zu den günstigeren Eisenbahntiteln.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 220,00 Euro
Stoppkurs: 144,00 Euro

Canadian Pacific

Profitable Schienen

Der kanadische Eisenbahnbetreiber könnte zwar den laufenden Übernahmekampf um Kansas City Southern verlieren, bliebe mit seinem gut 22.000 Kilometer langen Streckennetz jedoch einer der zentralen Player im nordamerikanischen Güterverkehr. Das für den Kauf eingesparte Kapital könnte in Teilen zu höheren Dividendenausschüttungen führen und so die Aktionäre erfreuen. Das Unternehmen ist hochprofitabel und steigerte im ersten Quartal bei leicht sinkendem Umsatz den Nettogewinn um 47 Prozent.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 81,00 Euro
Stoppkurs: 53,00 Euro

Init

Digitaler Plan

Die Karlsruher Init peilt mit Lösungen für Fahrgastinformationen, Disposition oder Ticketmanagement ein Wachstum von 15 Prozent pro Jahr an. Zuletzt akquirierte das profitable Unternehmen einen Großauftrag in den USA. 40 Prozent des Umsatzes im ersten Quartal stammt aus Nordamerika. Die Aktie bietet gute Chancen, vom inter- nationalen Wachstum des "grünen" Verkehrs zu profitieren.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 49,00 Euro
Stoppkurs: 31,00 Euro