Skandinavien ist weit fortgeschritten auf dem Weg in die bargeldlose Gesellschaft, Deutschland hinkt hinterher - auch wenn Onlineshopping und unbare Bezahlverfahren an Bedeutung gewinnen. BÖRSE ONLINE sprach mit Niklaus Santschi, Vorsitzender der Geschäftsführung des Zahlungsserviceanbieters B + S Card Service der Sparkassenfinanzgruppe, über das Bezahlen in der Zukunft.

BÖRSE ONLINE: Herr Santschi, gut 100 Euro Bargeld hat der typische Deutsche im Portemonnaie ...


Niklaus Santschi: Ich leide jedes Mal, wenn ich das höre!

Verständlich, denn daran hat sich über die letzten Jahre wenig geändert, auch wenn Online-Bezahlverfahren wie Paypal an Bedeutung gewinnen. Warum sind Deutsche, anders als Skandinavier, so auf Bargeld fixiert?


Das hängt von vielen Faktoren ab. Zum einen spielt ein gewisses Grundvertrauen ins Bargeld oder umgekehrt ein gewisses Grundmisstrauen in Technologie eine Rolle, es hat aber auch viel mit der historischen Entwicklung, dem Kontrollbedürfnis und nationalen Besonderheiten bei den etablierten Bezahlverfahren zu tun: In Deutschland muss ich bei Zahlungen mit der Karte mal unterschreiben, mal eine PIN eingeben. Warum das so ist, ist vielen Verbrauchern nicht klar, und das hinterlässt vielleicht ein nicht so gutes Gefühl. In der Schweiz gibt es seit mehr als zehn Jahren nur PIN-basierte Kartenzahlungen, und wenn etwas falsch läuft, stehen die Banken konsequent und geräuschlos dafür gerade. Positiv gewendet: Das Potenzial für die Kartenindustrie ist noch immer groß, Deutschland ist in puncto technischer Dynamik und Innovation beim Bezahlen ein Nachzügler.

Das gilt auch für den Bezahldienst Apple Pay, dessen Start hierzulande noch bevorsteht. Warum tut sich Apple hier so schwer?


In Deutschland ist zum einen das iPhone nicht so stark verbreitet wie in anderen Märkten - Apple erschließt aber die Märkte zuerst, die eine hohe iPhone-Nutzung haben. Zum anderen hat in Deutschland das Bezahlen mit Girocard große Bedeutung, weshalb einige hiesige Banken sich dafür aussprechen, dass Apple Pay auch Girocard-fähig sein müsse und nicht nur Kreditkartenzahlungen ermöglichen sollte. Entscheidend dürfte aber sein, dass Apple sehr hohe Anteile an den Einnahmen der Kartenherausgeber zu beanspruchen scheint, sodass manche von ihnen bezweifeln, dass es für sie finanziell attraktiv ist.

Es kann sich also noch eine Weile hinziehen, bis das hierzulande kommt?


Das ist schwer zu sagen, die strategischen Erwägungen und Verhandlungen laufen wohl, es gibt bei den Kreditinstituten Befürworter und Skeptiker. Interessant ist aber, dass etwa in England die Nutzung von Apple Pay nach anfänglich starkem Anstieg auch wieder zurückgegangen ist. Das hat damit zu tun, dass dort fast jede Bank Kontaktlos-Kreditkarten anbietet. Und für den Verbraucher ist es kaum ein Unterschied, ob er schnell eine Kontaktlos-Karte an die Kasse hält und lediglich bei Zahlungen über 25 Euro die PIN eingibt oder das Handy zückt.

Die neue EU-Zahlungsdiensterichtlinie tritt 2018 in Kraft - welche Neuerungen bringt sie beim Bezahlen mit sich?


Neue, gut regulierte Dienstleister schießen gerade wie Pilze aus dem Boden, die zum Beispiel App-basierte Zahlungen nicht selbst durchführen, aber anstoßen, die dann von der eigenen Bank ausgeführt und an die Händlerbank überwiesen werden. Konsumenten bringt das mehr Vielfalt und neue Möglichkeiten beim Bezahlen. Als problematisch sehe ich etwas anderes: Bislang gehören die Daten, die ich über mich bei meiner Bank hinterlasse, der Bank. Künftig wird das Prinzip umgedreht: Die Daten gehören mir, ich entscheide, wer darauf zugreifen darf - und meine Bank muss diese Daten zur Verfügung stellen, eventuell gegen Gebühren. Darin sehe ich eine Überforderung des Kunden - ihm könnte die Transparenz fehlen, wem er diesen Datenzugriff ermöglicht und in welchem Umfang der Zugriff stattfindet.

In die Zukunft geblickt: Wie werden wir in Deutschland 2020 bezahlen?


Weiterhin bar, aber auch mit Karten, seien sie nun aus Plastik oder hinterlegt auf Mobiltelefonen und mit der Möglichkeit zur Kontaktlos-Zahlung. Hinzu kommen Internetbezahlverfahren wie Paypal, aber auch das deutsche System Paydirekt. Die große, neue Bewegung sehe ich bei In-App-Payments.

Was bedeutet das konkret?


In den Apps etwa der Bahn, des Taxiunternehmens oder des Kinos ihrer Wahl beziehen Sie die Leistung und zahlen direkt mit einer hinterlegten Bezahlungsmethode einfach per Klick oder Fingerwisch. Das wird stark zunehmen, weil es einfach, stabil und sicher ist - und es überzeugt Konsumenten.