Erstmals lag beim Silber die Anzahl offener Kontrakte (Open Interest) über der Marke von 200.000 Kontrakten - in der Woche zum 23. Juni kletterte sie auf 200.273 Silber-Futures. Dem Silberpreis hat dies allerdings weniger geholfen - der zeigte sich nämlich weiterhin schwach. Doch nach vier Wochen mit nachlassendem Optimismus kam es unter den spekulativen Marktakteuren nun zu einer leichten Gegenbewegung. Bei der kumulierten Netto-Long-Position (optimistische Markterwartung) großer und kleiner Spekulanten war nämlich gegenüber der Vorwoche ein leichter Anstieg von 28.855 auf 29.477 Kontrakte registriert worden - nachdem Mitte Mai noch ein Wert von 62.485 Kontrakten gemeldet worden war.

In den vergangenen fünf Wochen war vor allem unter den Großspekulanten (Non-Commercials) ein stark nachlassender Optimismus zu beobachten. Diese bauten nämlich ihr Short-Exposure deutlich aus, und zwar von minus 16.891 auf minus 58.697 Kontrakte. Weil es mit den long positionierten Silber-Futures erheblich langsamer nach oben ging, verbuchte der Saldo beider Seiten - also die Netto-Long-Position der Großspekulanten - während dieses Zeitraums einen Einbruch von 51.280 auf 15.557 Kontrakte (-69,7 Prozent).

Die Kleinspekulanten (Non-Reportables) ließen sich von dieser zunehmenden Skepsis bislang nicht anstecken. In den vergangenen fünf Wochen wurden sie sogar erheblich optimistischer und bauten ihre Netto-Long-Position von 11.205 auf 13.920 Futures (+24,2 Prozent) deutlich aus. Nun stellt sich am Terminmarkt für Silber vor allem eine Frage: Ist der Ausverkauf nun vorbei oder handelt es sich lediglich um eine Atempause vor der nächsten Verkaufswelle? Spannend dürfte der Handel von Silber-Futures allemal bleiben.

Auf Seite 2: Silber - Charttechnisch akut gefährdet





Aus charttechnischer Sicht bereitet Silber derzeit wenig Freude. Vor etwas mehr als vier Jahren setzte bei dem Edelmetall eine beispiellose Baisse ein, die das mit Abstand günstigste Edelmetall von 50 Dollar auf 15 Dollar mehr als gedrittelt hat. Während dieses Zeitraums versuchte sich Silber mehrfach an einer Bodenbildung - und scheiterte. Nun scheint ein erneuter Härtetest anzustehen.

Seit Herbst vergangenen Jahres schwankte das Edelmetall in einer verhältnismäßig geringen Bandbreite zwischen 15 und 18 Dollar. Die untere Begrenzung dieses Seitwärtstrends ist mittlerweile akut gefährdet. Nachdem sich das Überwinden der 100- und 200-Tage-Linie im Mai als Fehlsignal ("Bullenfalle") erwies, sprangen die charttechnischen Ampeln relativ schnell von "Grün" auf "Rot". Ungemach in Form von erhöhtem Verkaufsdruck droht, falls die Marke von 15 Dollar nicht halten sollte. Dies würde dann ein neues Fünfjahreshoch nach sich ziehen und erhebliches Abwärtspotenzial eröffnen.

Mit Blick auf den Timingindikator Relative-Stärke-Index (RSI) stellt sich die Lage des Silberpreises derzeit relativ diffus dar. Trotz des gedrückten Kurniveaus nahe am Fünfjahrestief zeigt der RSI noch keine überverkaufte Lage an, schließlich bewegt er sich mit fast 38 Prozent noch im neutralen Bereich. Ein RSI-Kaufsignal entsteht aber erst, wenn die Marke von 30 Prozent von unten nach oben durchbrochen wird. Auf das letzte Kaufsignal dieser Art - generiert im November 2014 - reagierte der Silberpreis mit einer nachfolgenden Kursrally von über 12 Prozent. Ein nachhaltiger Trendwechsel nach oben gelang dadurch allerdings nicht.

Unter den Analysten herrscht derzeit dennoch ein optimistischer Grundton. Die Nachrichtenagentur Bloomberg weist für die Jahre 2015 bis 2018 ein sukzessive steigendes durchschnittliches Kursziel von 17,00 auf 20,13 Dollar aus. Für das laufende Jahr reichen die Kursprognosen von 15,00 bis 20,00 Dollar und ergeben einen Mittelwert von 17,00 Dollar. Für das kommende Jahr reicht die Spanne der abgegebenen Kursziele bereits von 14,00 bis 24,00 Dollar, was einen Durchschnittswert von 18,14 Dollar nach sich zieht. Als größte Silber-Pessimisten gelten derzeit die Rohstoffanalysten der Société Générale, während die Experten von Capital Econimics von den Perspektiven des Silberpreises am stärksten überzeugt sind.

Auf Seite 3: Zum Commitments of Traders-Report





Zum Commitments of Traders-Report:

Einmal pro Woche veröffentlicht die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) den sogenannten Commitments of Traders-Report (COT) für sämtliche US-Terminbörsen und deren angebotenen Futures. Im wöchentlichen Rhythmus wird unter anderem die Anzahl der offenen Kontrakte (Open Interest) für jeden Basiswert veröffentlicht. Sie bringt zum Ausdruck, wie sich das allgemeine Interesse auf Wochensicht entwickelt hat. < br>
Außerdem zeigt der COT-Report auf Basis der Marktdaten des jeweiligen Dienstags auf, wie sich die Marktpositionen der kommerziellen Branchenvertreter (Commercials) und der spekulativen Marktakteure - aufgeteilt in Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) - innerhalb einer Woche verändert haben. Für jede Gruppe von Marktakteuren werden jeweils deren Long- und Short-Positionen aufgeführt. Übertrifft die Long-Seite das Short-Engagement wird von einer Netto-Long-Position gesprochen, die eine mehrheitlich optimistische Markterwartung zum Ausdruck bringt. Im anderen Fall (mehr short als long) handelt es sich um eine Netto-Short-Position, die eine tendenziell pessimistische Markterwartung anzeigt. Für die Aktivitäten der spekulativen Marktakteure interessieren sich die Marktbeobachter normalerweise besonders stark, da ihr Handeln vor allem auf das Erzielen möglichst hoher Gewinne ausgerichtet ist und daher einen starken Einfluss auf die Preisentwicklung und das Marktsentiment ausüben kann.

Zum Autor:

Jörg Bernhard ist freier Journalist und hat sich in den vergangenen Jahren auf Zertifikate-, Rohstoff- und Edelmetallinvestments spezialisiert.