von Martin Blümel
Der DAX steigt. Er steigt die "Wall of Worries" hinauf, also den Berg an Sorgen, wenn man so will. Es waren die Schlagzeilen in diesem Jahr bislang ja auch so was von negativ: China breche zusammen, hieß es, und Europas Banken ebenso, und wenn wir schon dabei sind, dann die Öl-Companys gleich auch noch. Es gibt ja auch gute Gründe für diese Sorgen. Das Wachstum der Weltwirtschaft geht schließlich zurück, zwar bislang nicht auf Rezessionsniveau, das nun ja doch nicht, doch es geht eben zurück.
Schaut man sich das von Region zu Region etwas genauer an, dann fällt auf, dass der Umbau Chinas vom Exportmonster hin zur konsumorientierten Volkswirtschaft eben dauert. Mit all den negativen Begleiterscheinungen, wie etwa schwächerem Export und Import. Dazu kommen die maroden Banken - die das aber nicht erst seit gestern sind. Glücklicherweise werden die Schulden des Landes jedoch nur zu einem minimalen Teil von Investoren außerhalb Chinas gehalten, was eine mögliche Bankenkrise nicht ganz so gefährlich macht - bei aller Vorsicht. Aber es gibt ja auch Positives in China: Der Konsum steigt tatsächlich von Jahr zu Jahr, und am Wohnungsmarkt hat sich die Lage stabilisiert.
In Europa wiederum ist die Lage divergent. Immerhin stützt hier die Geldpolitik. Was ja auch nötig ist, geht doch etwa in Deutschland nach neuesten Zahlen wieder das Deflationsgespenst um. Wie auch in Japan, um noch einmal nach Fernost zu blicken, wo sich die Wirtschaft inmitten eines mehrjährigen Umstrukturierungsprozesses befindet. Auch dort ist also wie in China Geduld gefragt.
Und die USA: Da sieht es gar nicht so schlecht aus. Die Verbraucher sind seit Januar in Kauflaune. Die Realeinkommen nehmen ja auch zu, die Löhne steigen, und sowohl die Zahl der Beschäftigten als auch die geleisteten Arbeitsstunden wachsen an. Summa summarum ist die Lage also vielleicht doch besser als vermutet?
An den Märkten spiegelt sich diese etwas unentschiedene Haltung wider. Die Historie zeigt jedoch, dass Kursverluste, wie wir sie jüngst erlebt haben, nicht immer ein Signal für Rezessionen sind. Der US-Aktienindex S&P 500 beispielsweise musste seit 1959 elf Kursrückgänge in ähnlicher Größenordnung verkraften wie gerade eben - mit Verlusten zwischen zehn und 15 Prozent. Jedoch nur drei dieser Phasen endeten in einer Rezession. In den acht anderen Fällen war dies nicht so. Der durchschnittliche Kursrückgang während jener acht Phasen lag dennoch bei ungefähr 16 Prozent. Und noch spannender: Der durchschnittliche Kursgewinn des S&P 500 lag sechs Monate nach Ende der jeweiligen Talfahrt bei 18 bis 19 Prozent. Na, wenn das nicht Mut macht. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis wiederum betrug in diesen Phasen im Durchschnitt etwa 19 bis 20. Aktuell sind wir bei etwa 16. Merken Sie was?
Steuern wir dennoch auf eine Rezession zu? Noch lässt sich das nicht mit Sicherheit beantworten. Hauptbelastungsfaktor ist nach wie vor der fallende Ölpreis, der mehr Fluch ist für die Öl-Unternehmen denn Segen für die Volkswirtschaften insgesamt. Das wird sich ändern, je mehr Zeit ins Land geht. Dann werden die positiven Aspekte der billigen Energie offensichtlich werden. Es dürfte einen Schub für die verarbeitende Industrie geben, mit höheren Gewinnen dank niedrigerer Kosten. Zudem unterdrückt der Rückgang der Rohstoffpreise die Erwartung höherer Zinsen - also Kapitalkosten. Dies könnte großen Volkswirtschaften zugute kommen - den USA, der Eurozone, Japan, China.