Der Finanzskandal beim Immobilienkonzern Adler Group zieht immer weitere Kreise. Kapitalmarkt­experte Klaus Nieding von der Kanzlei Nieding + Barth sagte gegenüber €uro am Sonntag, man prüfe "für institutionelle und private Investoren mögliche Schadenersatzansprüche und -klagen gegen den Konzern, die Verwaltung und die Abschlussprüfer KPMG".

Insbesondere vermisse man sowohl bei Adler wie bei den Wirtschaftsprüfern den Willen zur Aufklärung der Vorwürfe um den Jahresabschluss 2021. "Bei Adler ist man nicht gewillt, reinen Tisch zu machen." Von der laufenden Buchprüfung der Finanzaufsicht Bafin erhoffe man sich weitergehende Erkenntnisse, ergänzte Nieding.

Die Wirtschaftsprüfer hatten dem Immobilienkonzern das Testat für den Jahresabschluss 2021 verweigert, weil ihnen der Zugang zu Unterlagen vorenthalten worden sei. Daraufhin stürzte die Aktie zeitweise über 40 Prozent ab. Inzwischen hat es auch personelle Konsequenzen gegeben. So ist der alte Verwaltungsrat komplett zurück­getreten. Der erst im Februar angetretene neue Verwaltungsratschef Stefan Kirsten versucht zu retten, was zu retten ist, und hat die Geschäftszahlen ohne Testat veröffentlicht - mit Blick auf die Bedingungen ausstehender Anleihen, um das Unternehmen "nicht an die Wand zu fahren", wie er sich ausdrückte.

Zweiter Fall Wirecard?


Die Finanzaufsicht Bafin hat inzwischen dem Eindruck widersprochen, dass sich hier ein zweiter Fall Wirecard anbahne. Bafin-Chef Mark Branson sprach von einem "völlig anders gelagerten Fall". Die Bafin habe zudem bereits im Sommer eine ­Bilanzprüfung eingeleitet. Der Shortseller Fraser Perring sei mit seinen Vorwürfen erst im Oktober an die Öffentlichkeit gegangen. Perring hatte über seine Investmentfirma Viceroy Adler vorgeworfen, Immobilienprojekte nicht richtig bewertet zu haben. Adler hatte diese Kritik wiederholt zurückgewiesen.

Die Schieflage von Adler wirft auch ein Schlaglicht auf die Immobilienbranche, die nach starken Wachstumsjahren durch die Zinswende unter Druck geraten könnte. Die Wohnungsnachfrage wird zwar weiter hoch bleiben und das Angebot knapp, manche Bewertungen geraten aber ins Wanken. Wohnungskonzerne wie Vonovia und Deutsche Wohnen haben seit Herbst 2021 Kurseinbußen von mehr als 30 Prozent erlitten. Branchenkenner führen das auf sinkendes Vertrauen des Marktes in die Bewertungskriterien der Konzerne zurück.

Vonovia bestätigte am Donnerstag die Umsatz- und Gewinnprognose für 2022, warnte aber vor deutlich steigenden Kosten, die der Konzern an die Mieter weitergeben wolle.

Nach dem fehlenden Testat für den Jahresabschluss stürzte die im SDAX notierte Adler-­Aktie um bis zu 50 Prozent ab. Spekulative Käufe treiben sie unterdessen wieder an.