In New York brach der Dow Jones so stark ein wie seit dem "Schwarzen Montag" am 19. Oktober 1987 nicht mehr - dem stärksten Kurseinbruch seit dem zweiten Weltkrieg. "Die Aktienmärkte befinden sich mittlerweile im Crash-Modus", sagte Michael Winkler, Chefstratege bei der St. Galler Kantonalbank. "Dagegen helfen auch die am Wochenende verkündeten weiteren Notfallzinssenkungen der US-Notenbank Fed nicht."

Investoren befürchten, dass die Coronavirus-Pandemie eine weltweite Rezession auslöst. Der Dax notierte am Nachmittag um acht Prozent tiefer bei 8488 Punkten, der EuroStoxx50 büßte 8,1 Prozent auf 2376 Zähler ein. An der Wall Street wurde der Handel gleich zu Beginn automatisch für 15 Minuten ausgesetzt, nachdem der S&P mehr als sieben Prozent absackte. Später brach der Dow um gut zwölf Prozent ein auf 20.387 Punkte, der breiter gefasste S&P verlor 11,1 Prozent auf 2409 Zähler, der Index der Technologiebörse Nasdaq 11,7 Prozent auf 6951 Punkte. Vor diesem Hintergrund kletterten die "Angstbarometer" VDax und VStoxx auf neue Rekordhochs.

Angeführt von der US-Notenbank (Fed) senkten zahlreiche Zentralbanken Zinsen und kündigten milliardenschwere Geldspritzen an. Außerdem will die Fed mit günstigen Dollar-Kreditgeschäften die Versorgung mit der Weltleitwährung sicherstellen. "Die Anleger-Stimmung hat aber einen Punkt erreicht, an dem positive Maßnahmen Ängste verschlimmern und als Katastrophe angesehen werden", sagte Ayush Ansal, Chef-Anleger des Vermögensverwalters Crimson Black. In der aktuellen Gesundheitskrise sei Geldpolitik allein nicht ausreichend. "Sie muss mit radikalen fiskalpolitischen Maßnahmen Hand in Hand gehen, um die wirtschaftlichen Folgen zu minimieren."

DOLLAR AUF TALFAHRT - GOLD PROFITIERT NUR KURZ


Die drastische US-Zinssenkung vom Wochenende setzte der Währung des Landes zu. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, büßte bis zu 1,3 Prozent ein. Der Euro verteuerte sich im Gegenzug um bis zu 1,2 Prozent auf 1,1236 Dollar. Die "Antikrisen-Währung" Gold konnte ihre Anfangsgewinne dagegen nicht halten und verbilligte sich um bis zu 5,1 Prozent auf 1452,01 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Offenbar müssten weitere Anleger das Edelmetall verkaufen, um Verluste in anderen Bereichen auszugleichen, sagten Börsianer.

Am Rohölmarkt drückte neben der Rezessionsangst auch der Preiskrieg zwischen Saudi-Arabien und Russland auf die Kurse. Dies ließ den Preis der Sorte Brent aus der Nordsee fast 13 Prozent ins Minus rutschen auf ein Vier-Jahres-Tief von 29,52 Dollar je Barrel (159 Liter). Dadurch werde die Lage vor allem für US-Schieferölförderer kritisch, warnte Analyst Jeffrey Halley vom Brokerhaus Oanda. Die Regierung in Washington werde wohl eher früher als später ein Rettungsprogramm für die hoch verschuldete Branche auflegen müssen. Wegen des technisch aufwendigen Fracking-Verfahrens arbeiten diese Firmen Experten zufolge erst ab einem Ölpreis von 45 bis 50 Dollar profitabel. Eine Reihe von Firmen der Branche schraubten ihre Investitionen herunter. Aktien von US-Schieferölförderern wie Occidental oder Apache verloren 15 beziehungsweise gut 20 Prozent. Auch die Titel von größeren Firmen der Branche brachen ein: Die Papiere von Chevron und Exxon Mobil verloren jeweils mehr als zehn Prozent, in Europa sackten Total-, BP und Shell-Aktien um jeweils mehr als sieben Prozent ab.

Auch Bankaktien kamen in den USA unter die Räder. Die Absenkung des Schlüsselsatzes auf praktisch null Prozent binnen zwei Wochen werde die Gewinne der Institute schmälern, prognostizierten die Experten des Vermögensberaters Raymond James. Die Papiere von Citigroup, JPMorgan und Bank of America brachen zwischen 15 und gut 20 Prozent ein.

TOURISTIKWERTE STÜRZEN AB - DRÄGERWERK HÖHER


Zudem litten die Touristikwerte erneut wegen der internationalen Reisebeschränkungen. Der europäische Branchenindex brach um mehr als 16 Prozent ein, so stark wie nie zuvor. TUI-Titel stürzten sogar um 40 Prozent auf ein Rekordtief von 2,42 Euro ab. Der Reisekonzern beantragte wegen wegbrechender Buchungen Staatshilfe. Zum Corona-Krisentreffen der Bundesregierung mit Vertretern der Luftfahrtbranche fielen die Aktien von Lufthansa, Air France-KLM und der British Airways-Mutter IAG sowie der Billig-Flieger Ryanair und EasyJet um bis einem Drittel.

Gefragt waren dagegen die Titel von Drägerwerk, die mit einem Plus von zeitweise knapp 68 Prozent den größten Kurssprung der Firmengeschichte verbuchten. Am Freitag hatte die Bundesregierung 10.000 Beatmungsgeräte bei der Medizintechnik-Firma bestellt. Auch andere Länder reißen sich um solche Apparate, die zur Behandlung von Coronavirus-Patienten benötigt werden.

rtr