"Mein Ziel ist nicht nur, die niedrigste Unternehmensteuer in der G20 zu haben, sondern auch eine, die Innovationen umfassend unterstützt", sagte sie vor hochrangigen Vertretern des heimischen Unternehmerverbandes CBI. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warnte die Regierung in London davor, einen Dumping-Wettbewerb bei der Firmenbesteuerung in der EU auszulösen. Kritik an den Londoner Plänen kam auch von EU-Abgeordneten.

Der Zeitung "Daily Telegraph" (Montagausgabe) zufolge will May die Körperschaftsteuer möglicherweise auf unter 15 Prozent drücken. Derzeit liegt der Satz bei 20 Prozent. Damit sollen auch Firmen aus anderen Ländern nach Großbritannien gelockt werden. Der künftige US-Präsident Donald Trump hatte im Wahlkampf Unternehmen ebenfalls eine Absenkung des Steuersatzes auf 15 Prozent zugesagt. Eine Sprecherin Mays verwies darauf, dass die Regierung bereits Pläne vorgelegt habe, die Unternehmenssteuer bis 2020 auf 17 Prozent zu verringern. Berichte über eine zusätzliche Absenkung nannte sie spekulativ.

Viele in Großbritannien beheimatete Unternehmen befürchten Nachteile durch den geplanten Austritt aus der EU. Sie wollen rasch Klarheit über die Bedingungen und Konsequenzen des Brexit. Das bringt May immer stärker unter Druck. "Wir wollen eine Vereinbarung, die am besten ist für das Vereinigte Königreich", sagte die Premierministerin zu den anstehenden Austrittsverhandlungen mit den EU-Ländern. Sie hat in Aussicht gestellt, den sogenannten Artikel 50 des EU-Rechts bis März zu aktivieren.

SCHÄUBLE MAHNT EINHALTUNG VON VEREINBARUNGEN AN



Schäuble erinnerte in Berlin daran, dass Großbritannien in Steuerfragen an europäisches Recht gebunden ist, solange es zur EU gehört. Danach gelte weiter das, was das Land beim G20-Gipfel von Antalya versprochen habe. Dort brachten die Finanzminister der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) vor fast genau einem Jahr eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg, um die Steuertricks von Konzernen zu bekämpfen und unfairen Steuerwettbewerb zu vermeiden.

In der 15 Punkte umfassenden Initiative gegen steuersparende Gewinnverschiebungen (BEPS) ist aber keine Vereinbarung enthalten, bestimmte Mindeststeuersätze einzuhalten. Die Initiative geht auf die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) zurück, zu der Großbritannien ebenso gehört wie zu den G20-Staaten. Die EU-Kommission, die bereits an der Umsetzung der BEPS-Maßnahmen arbeitet, hat bisher stets allen Spekulationen widersprochen, einheitliche Mindestsätze einführen zu wollen. Mays Pläne zur Absenkung der Unternehmenssteuer wollte die Brüsseler Behörde zunächst nicht kommentieren.

Einen Mindeststeuersatz forderte dagegen der EU-Parlamentarier Sven Giegold von den Grünen. Er nannte die britischen Pläne einen "politischen Marketing-Gag". Viele Großunternehmen führten bereits ihre Gewinne zu niedrigsten Sätzen in britischen Steueroasen in der Karibik und im Ärmelkanal ab. Wie Schäuble erinnerte der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU) an die Vereinbarungen mit Großbritannien auf Ebene von G20 und OECD. Der Regierung in London stehe es zwar frei, die Körperschaftssteuersätze zu senken. "Schaut man sich jedoch die Höhe der britischen Staatsverschuldung an, habe ich erhebliche Zweifel, dass das eine nachhaltige Strategie wäre", sagte Ferber.

FACEBOOK WILL PRÄSENZ IM KÖNIGREICH AUSBAUEN



In Europa hat vor allem Irland mit niedrigen Steuersätzen internationale Konzerne angezogen. Dort gilt ein Satz von 12,5 Prozent. In Deutschland werden Unternehmen mit knapp 30 Prozent besteuert.

May begrüßte in ihrer Rede vor den Unternehmern auch die Ankündigung des Online-Netzwerkes Facebook, trotz des Brexit-Votums die Präsenz in Großbritannien auszubauen. Das sei nur ein Beispiel der Zuversicht von Firmen in die britische Wirtschaft, sagte May.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager signalisierte, dass es von ihrer Seite vorerst keine Einwände gegen die Vereinbarungen der britischen Regierung mit dem japanischen Autobauer Nissan gibt. Der Konzern hatte die Zusicherung erhalten, dass seine Fabrik in Sunderland bei Newcastle auch dann wettbewerbsfähig bleiben wird, wenn Großbritannien die EU verlässt.

rtr