DER KONZERN


Evergrande Group wurde 1996 in Guangzhou vom Unternehmer Hui Ya Kan gegründet, der laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes zu den reichsten Menschen Chinas gehört. Er brachte Evergrande 2009 an die Börse und baute den Konzern zum zweitgrößten chinesischen Immobilienentwickler aus. Über das ganze Land verteilt betreibt und entwickelt Evergrande 1300 Immobilienprojekte, viele auch in kleineren Städten. Für den Konzern arbeiten insgesamt 200.000 Menschen. Jährlich werden rund 3,8 Millionen Menschen angeheuert für Immobilienprojekte.

Um die Umsätze zu steigern, investierte Evergrande in den vergangenen Jahren in andere Geschäftsfelder wie Elektroautos, Versicherungen, Mineralwasser und Fußball. Seit Mitte 2019 betreiben die Chinesen mit dem deutschen Antriebsspezialisten Hofer Powertrain ein Joint Venture für Elektromobilität. Das Gemeinschaftsunternehmen ist im Handelregister Stuttgart eingetragen und hat seinen Hauptsitz laut Website in Berlin. Auch in Schweden, Großbritannien und den Niederlanden ist Evergrande aktiv.

DIE SORGEN


Die ersten Befürchtungen über Schwierigkeiten bei Evergrande kamen vor etwa einem Jahr hoch. Im September 2020 zirkulierte ein Brief, in dem das Management die Regierung um Staatshilfe bat bei seiner Restrukturierung. Evergrande wies den Brief als Fälschung zurück, die Spekulationen rissen aber nicht wieder ab.

Im Juni 2021 geriet Evergrande mit Zinszahlungen in Verzug und warnte wenig später vor Liquiditäts- und Ausfallrisiken, falls es nicht möglich sei, die Bautätigkeit wieder aufzunehmen, Beteiligungen zu verkaufen und Kredite zu erneuern. Erste Banken verweigerten Evergrande Kreditverlängerungen. Ratingagenturen stuften Bonitätsnoten in mehreren Schritten drastisch zurück.

Evergrande hat seine schnelle Expansion mit Krediten und Anleihen finanziert. Die Schulden gegenüber Finanzinstituten und Anleihegläubigern belaufen sich auf knapp 90 Milliarden Dollar. Die gesamten Verbindlichkeiten summieren sich auf 1,97 Billionen Yuan - umgerechnet gut 300 Milliarden Dollar. Das entspricht zwei Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts oder dem gesamten Bruttoinlandsprodukt von Finnland.

DAS RISIKO


Die chinesische Zentralbank äußerte bereits 2018 Bedenken über die Größe von Evergrande. Der Konzern stelle ein mögliches systemisches Risiko für die Finanzbranche dar. Im August forderte sie Evergrande auf, dringend ihr Schuldenrisiko zu reduzieren. Die Ratingagentur Fitch hält eine schwere Krise für das ganze chinesische Bankensystem für unwahrscheinlich, sieht allerdings kleinere Geldhäuser in Gefahr bei einer möglichen Insolvenz. Manche Experten gehen davon aus, dass die Regierung eingreifen wird, um Verwerfungen bei Banken und an den Immobilienmärkten zu verhindern.

Laut Angaben vom vergangenen Jahr steht Evergrande bei 128 Banken und mehr als 120 Gesellschaften, die nicht aus der Finanzbranche kommen, in der Kreide. JP Morgan schätzt, dass die Bank China Minsheng am stärksten engagiert ist.

Im Anleihemarkt stehen die Evergrande-Bonds für vier Prozent des chinesischen Immobilien-Hochzinsanleihen-Markts.

Die Evergrande-Aktien sind seit Anfang des Jahres um mehr als 85 Prozent eingebrochen. Die Marktkapitalisierung beläuft sich aktuell auf 4,5 Milliarden Dollar.

rtr