Es ist ein ungewohntes Gefühl: Mit einer VR-Brille auf dem Kopf und zwei Joysticks in der Hand befindet man sich an Deck eines Schiffs. Blaues Meer, schöner Ausblick. Dann geht es in den virtuellen Konferenzraum. Auf den Stühlen sitzen die anderen Teilnehmer: Investoren und Pressevertreter. Alle sehen gleich aus: Kahle Köpfe mit zwei Händen, die auf den Plätzen mehr oder weniger still halten. Als virtuelle Ebenbilder sieht man lediglich den Moderator und später die Vorstände der Unternehmen. Für sie wurden eigens Avatare erschaffen, um sie "live und in Farbe" zu erleben.

Zusammen mit Montega hat das Berliner Technologieunternehmen Nexr zum ersten Mal den "VR Investors Day" organisiert. Sechs Vorstände präsentierten ihre Firmen - rein virtuell. Der Vorteil einer solchen Konferenz: Es fühlt sich zumindest so an, als wäre man vor Ort. Weite Reisen erübrigen sich. Die Durchführung von Veranstaltungen dieser Art ist Teil des Geschäftsmodells von Nexr.

Doch auch bei Livekonzerten und in der Modeindustrie will das einst unter Staramba firmierende Unternehmen Fuß fassen. So arbeitet Nexr aktuell mit dem schwedischen Modeunternehmen H & M an einer digitalen Umkleidekabine. Kunden sollen sich direkt im Store scannen und sich einen eigenen Avatar erstellen. Ab Herbst sollen an drei Standorten Scanner stehen. Dem Händler soll es helfen, Retouren zu reduzieren. Dem Kunden soll ein Shoppingerlebnis geboten werden.

Noch steckt das Geschäft in den Kinderschuhen. Doch große Konzerne wie Alphabet oder Facebook investieren viel Geld in Virtual Reality. Ob Nexr ein Profiteur wird, bleibt abzuwarten. Der Umsatz wird 2021 noch mickrig sein und zwischen 1,5 und drei Millionen Euro liegen. Bis Mitte 2022 sei man durchfinanziert, und danach sehe es nicht schlecht aus, sagte CEO Markus Peuler auf der Veranstaltung.

Auch Q.beyond profitiert von der zunehmenden Digitalisierung. Vor allem für Mittelständler bieten die Kölner IT- und Cloud-Lösungen - auch über eigene Rechenzentren. Rund 80 Prozent der Umsätze sind über mittelfristig laufende Verträge abgesichert und wiederkehrend. Dies erleichtert die Planung und ist Grundlage für das Wachstum der Firma. Im kommenden Jahr sollen 200 Millionen Euro erlöst werden. Aufgrund der hohen Skalierung klettert mit jedem Euro Umsatz mehr das Ergebnis überproportional. Das sollte sich in der zweiten Jahreshälfte und im kommenden Jahr positiv auf den Aktienkurs auswirken.

Auf Wachstum getrimmt ist auch Home24. Dem Möbelhändler stehen virtuelle Welten ebenfalls gut: Immer mehr Menschen kaufen ihre Möbel im Internet ein. Über sogenannte Augmented Reality können Konsumenten diese zunächst über die Handykamera in 3-D in den heimischen vier Wänden ansehen. Der Markt ist riesig, und Home24 will daran partizipieren: Der Umsatz soll 2021 um 20 bis 40 Prozent klettern und das Ebitda positiv ausfallen. Der Fokus liegt allerdings klar auf Wachstum. Und dies bedingt ein hohes Marketingvolumen, das derzeit einen zweistelligen Prozentsatz vom Umsatz ausmacht. Gelingt es jedoch, dadurch die Markenbekanntheit deutlich zu steigern, könnten sich die Ausgaben lohnen.

Home24 ist eine spekulative Wette darauf, dass sich der Möbelmarkt noch stärker Richtung Internet verschiebt. Seit dem Hoch Anfang Februar hat der Titel deutlich nachgegeben. Auch weil es Verwerfungen in der Lieferkette gab und die Rohstoffpreise zuletzt stark gestiegen sind. Dies sollten lediglich temporäre Effekte sein. Anleger steigen wieder ein.

Einen Transformationsprozess durchläuft auch das Onlinebanking: Hier drängen vor allem die sogenannten Neobroker in den Markt, die mit niedrigen Transaktionskosten locken. Insbesondere jüngere Anleger traden über diese Portale. Dazu zählt Wallstreet Online mit seinem Smartbroker. Längst ist das Unternehmen kein reines Finanzportal mehr. Einige Analysten gehen davon aus, dass sich die Zahl der Kunden bei Smartbroker bereits in diesem Jahr auf 160 ?000 Kunden verdoppeln könnte. Die Bewertungen für die Neo- broker schießen in die Höhe: So werden für den Wettbewerber Trade Republic, der eine Million Kunden hat, aktuell rund vier Milliarden Euro aufgerufen. Wallstreet Online ist hingegen lediglich 413 Millionen wert. Das starke Wachstum dürfte anhalten. Hinzu kommen das Plattformgeschäft und Umsätze über Werbung.

Ausreichend bewertet scheint der Titel von Freenet zu sein - auch aus Unternehmenssicht: Aktuell läuft ein Aktienrückkaufprogramm. Allerdings will Freenet lediglich Anteilscheine bis zu einem Preis von 21 Euro zurückkaufen, vor allem um die Dividendenrendite stabil bei rund sieben Prozent zu halten. Momentan liegt der Kurs der Aktie bei 22 Euro, sodass Freenet nicht zum Zuge kommt. Sicher profitiert Freenet davon, dass die Läden der Gravis- Kette wieder öffnen und Saturn und Mediamarkt wieder mehr Kunden empfangen. Allerdings scheint der Titel angemessen bewertet zu sein. Wir stufen ihn zurück.

Dass Avatare künftig bei Va-Q-tec zum Einsatz kommen, scheint eher in ferner Zukunft zu liegen. Dennoch ist es Hightechware, was die Würzburger anbieten. Mit ihrer Vakuumtechnik gehören sie zu den Pionieren einer neuen Art der Wärmedämmung. Mit ihr soll die Temperatur möglichst auf gleichem Niveau gehalten werden. Wichtig ist dies etwa bei der Auslieferung von Impfstoffen. Aber auch bei der Wärmedämmung in Gebäuden spielt dies eine große Rolle. Der Titel ist nach dem Hype um den Impfstofftransport etwas zurückgekommen und einen Blick wert. Dieser ist durch eine VR-Brille zwar interessant, dennoch dürften sich Konferenzteilnehmer auch wieder auf Präsenzveranstaltungen freuen.