Ein kleiner Inselstaat zeigt der Welt, wie das Corona-Virus erfolgreich in Schach gehalten werden kann. Taiwan liegt nur 180 Kilometer vom chinesischen Festland, dem Ursprung des Virus, entfernt. Trotzdem verzeichnen die Taiwanesen bisher nur 429 Infizierte und sechs Tote durch die Pandemie.

Ein Wunder? Nein, die Taiwanesen haben die Gefahr früh erkannt und rasch gehandelt. Ärzte hatten von chinesischen Medizinern schon im Dezember erfahren, dass es in Wuhan Erkrankungen gab. Daraufhin schickte Taiwan eine Ärztedelegation nach Wuhan. Diese habe genug erfahren, um gewarnt zu sein. "Wir waren auf der Hut", sagt Jhy-Wey Shieh, Vertreter Taiwans in Deutschland.

Zu dieser Zeit sei in China noch versucht worden, das Problem zu vertuschen. Da die Taiwanesen bedingt durch Sars schon Erfahrungen mit Epidemien hatten, reagierten sie sofort - früher als die Festlandchinesen. Schon Ende Dezember wurden aus Wuhan nach Taiwan einreisende Passagiere noch an Bord der Flugzeuge auf Symptome überprüft. Strikte Einreisekontrollen und Fiebermessungen an Flughafen und Häfen sowie ein Quarantänesystem wurden nun essenziell für die Eindämmung von Covid-19. Verdachtsfälle wurden über Handydaten zurückverfolgt.

Schon kurz darauf mussten nicht nur Personen aus Wuhan, sondern alle, die nach Taiwan einreisen wollten, ihre Adresse und Handynummer angeben. Zudem erhielten sie Handzettel mit Verhaltensregeln.

Alle trugen Masken


Überdies mussten sie sich verpflichten, in den ersten 14 Tagen in Taiwan eine Maske zu tragen. Wer keine hatte, bekam eine. Wie deutsche Touristen berichten, trugen so gut wie alle Menschen in dem Land Gesichtsmasken. In Geschäfte oder Restaurants kam man nicht rein, ohne die Hände zu desinfizieren. In Restaurants war extra ein Angestellter dazu abgestellt, die Speisekarten keimfrei zu machen. In öffentlichen Gebäuden wurde am Eingang Fieber gemessen. Zudem wurde schon Ende Januar die Maskenproduktion hochgefahren und deren Export gestoppt. Damit niemand Masken hamstern konnte, erhielten Bewohner sie nur gegen Vorlage ihrer Krankenkassenkarte.

Kein Lockdown


Wie sich herausstellte, war das Bündel dieser Maßnahmen erfolgreich. Taiwan war nicht wie fast alle anderen Industrieländer gezwungen, einen Lockdown zu verhängen. Als Vorteil erwies sich auch, dass der Vizepräsident der Insel, Chen Chien-jen, von Beruf Epidemiologe ist und seine Kompetenz in die Führung Taiwans einbringen konnte.

Die Wirtschaft lief normal weiter. Daher rechnet die Regierung für 2020 mit zwei Prozent Wachstum - mehr als alle anderen Industriestaaten. Aber nicht alle sind so optimistisch. Die Singapurer Bank DBS erwartet eine leichte Schrumpfung, da die exportabhängige Wirtschaft der Insel von der sinkenden Nachfrage aus Europa und den USA betroffen sein werde.

Export von Elektronik steigt


Im März war davon nichts zu spüren. Die Ausfuhren kletterten um 4,3 Prozent verglichen zum Vorjahr. Die Nachfrage nach Elektronikprodukten stieg wegen der globalen Zunahme von Homeoffice um 24 Prozent.

Der Elektronik- und Halbleitersektor dominiert die Wirtschaft des Landes. Das größte Unternehmen ist Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC), das wegen der hohen Nachfrage nach Hochleistungsrechnern und Chips für 5G-Smartphones im ersten Quartal eine Umsatzsteigerung von 42 Prozent erzielte. Allerdings rechnet der Halbleitergigant mit einer Abschwächung in den kommenden Quartalen wegen der nachlassenden Nachfrage aus Übersee.

Schwer getroffen wurde wegen der Einreisebeschränkungen jedoch der Tourismus, also Hotels, Reisebüros und Fluglinien. Die offizielle Konjunkturprognose könnte dennoch zutreffen. Um den Konsum anzukurbeln, verschickte die Regierung an jeden Bürger einen Scheck in Höhe von knapp 30 Dollar.

"Zudem haben viele Unternehmen aus Taiwan Niederlassungen in Festlandchina und profitieren davon, dass sich die Lage dort normalisiert", ist Gerhard Heinrich, Schwellenländeranalyst beim Informationsdienst Emerging Markets Trader zuversichtlich.

Börsianer sehen das ähnlich. Der Leitindex Taiex hat den Großteil der Verluste aus dem Februar wieder aufgeholt und liegt nur noch zehn Prozent unter dem Niveau vor dem Absturz. Ähnlich sieht es beim MSCI-Taiwan-Index aus. In beiden Barometern dominieren Halbleiter- und Techwerte mit gut 60 Prozent Anteil.

Obwohl die Exporte wegen der Corona-Krise nachlassen dürften, haben die Aktien weiter Potenzial. "Auf mittlere Sicht sind Taiwans Technologie- und Komponentenhersteller auch daher interessant, weil weltweit demnächst der Aufbau der neuen 5G-Mobilfunknetze startet", sagt Heinrich.

Es sollten sich nur risikobereite Anleger engagieren, die mit hohen Schwankungen von Techtiteln umgehen können.

Investor-Info

First State Greater China Gr.
China plus Taiwan im Paket


Der von der britischen Gesellschaft First State gemanagte Fonds enthält neben Bluechips aus China und Hongkong 27 Prozent Aktien aus Taiwan. Wegen der engen Verflechtung der Ökonomien macht das Sinn. Seit 2014 hat sich der Kurs trotz Corona-Knick fast verdoppelt. Top-Positionen sind TSMC und Tencent.

Lyxor MSCI Taiwan ETF
Auf das Techland setzen


Der MSCI-Taiwan-Index umfasst 88 Werte. Techaktien dominieren mit 64 Prozent Gewicht vor Finanzdienstleistern (16 Prozent). Allein die TSMC-Aktie hat 38 Prozent Anteil. Ansonsten wird aber breit über die übrigen Titel gestreut. Das Barometer ist volatil, und viele Firmen sind vom Export abhängig.