Welche Deutschen Aktien können jetzt nach dem Turnaround an der Börse besonders profitieren. Wir zeigen Ihnen unsere Favoriten. Von Klaus Schachinger 

Die Euphorie der Anleger an der Wall Street über die niedriger als erwartete Inflation in den USA hatte bereits am Donnerstag Nachmittag auch deutsche Aktien in DAX und HDAX kräftig angeschoben. Am Freitag setzte sich die Rally in Frankfurt fort. Wir werfen einen Blick auf die zehn Top Performer, aber auch auf die zehn Flops in den 100 deutschen Aktien des HDAX während der vergangenen fünf Tage um, aussichtsreiche Comeback-Titel und Werte mit weiterhin unterschätztem Kurspotenzial vorzustellen. Auffällig ist dass vor allem Titel von Unternehmen, deren Geschäft besonders sensibel auf höhere Zinsen reagiert, zu den Top-Performen zählen: Delivery Hero, Hellofresh und Zalando: Als Comeback-Kandidaten mittelfristig besonders aussichtsreich:

Kursveränderung HDax-Aktien letzte 7 Tage

Deutsche Aktie Delivery Hero

Für das laufende Geschäftsjahr hat der hochdefizitäre Lieferdienst weniger Verlust als bisher angekündigt in Aussicht gestellt und sieht sich auf einem guten Weg in die Profitabilität. In einem Umfeld steigender Zinsen, ist das die Botschaft, die Investoren gerne hören. Den für 2022 erwarten operativen Verlust schätzt der Essenslieferdienst auf 1,4 bis 1,5 Prozent des Bruttoverkaufswerts (GMV), statt bisher 1,5 bis 1,6 Prozent. Im nächsten Jahr soll das um Sondereinflüsse bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) bis Sommer mehr als 0,5 Prozent des GMV erreichen und in der zweiten Jahreshälfte über ein Prozent hinausgehen. Bei der Wachstumsprognose sind die Berliner vorsichtiger: Bei ihren Prognose für 2022 beim Bruttoverkaufswert (GMV) zwischen 44,7 und 46,9 Milliarden Euro und bei den Segmentumsätzen 9,8 bis 10,4 Milliarden Euro wird nun jeweils das untere Ende der Spanne avisiert. Sollte die charttechnische Hürde bei 50 Euro gemeistert werden ist der Weg für die Delivery Hero-Aktie bis 80 Euro frei.

Zalando-Aktie profitiert vom Turnaround

Auch für Onlinemodehändler Zalando hat die Verbesserung der Profitabilität im schwierigen Umfeld mit hohen Lagerbeständen und der Kaufzurückhaltung der Kunden angesichts der hohen Inflationsraten und rasant gestiegenen Energiekosten nun Vorrang. Das Konsumklima sei an einem neuen Tiefpunkt angekommen die Inflation weiterhin hoch, meint Finanzchefin Sandra Dembeck. Traditionell ist das Schlussquartal mit seinen Aktionstagen und dem Weihnachtsgeschäft das stärkste bei Zalando. Es sei jedoch unklar, wie sich die Verbraucherausgaben im vierten Quartal entwickeln würden. Das Bruttowarenvolumen soll 2022 am unteren Ende der Spanne von drei und sieben Prozent auf 14,8 bis 15,3 Milliarden Euro steigen, teilte Zalando weiter mit. Den Umsatz sieht das Unternehmen stagnieren oder im besten Fall um drei Prozent auf 10,7 Milliarden Euro steigen. Beim bereinigten operativen Ergebnis (Ebit) geht das Management ebenfalls davon aus, nur das untere Ende der in Aussicht gestellten Bandbreite von 180 bis 260 Millionen Euro zu erreichen. Zalando befürchtet wegen der insgesamt hohen Lagerbestände im Markt eine höhere Wettbewerbsintensität Rabattdruck. Zalando vertraut auf die Stärke seiner Marke und will die eigene Profitabilität sichern. Auch im nächsten Jahr hat Profitabilität Vorrang vor hohem Wachstum. Charttechnisch muss die Zalando-Aktie den Widerstand bei 35 Euro überwinden um dann vorerst bis 50 Euro weiter zu steigen

Siltronic-Aktie

Erst vor wenigen Tagen erhöhte der weltweit drittgrößte Hersteller von großen Siliziumscheiben zur Herstellung von Chips mit 300 Millimeter Durchmesser die Prognosen für das laufende Jahr. Siltronics Produktionskapazitäten für die sogenannten Wafer sind derzeit voll ausgelastet. Auch im vierten Quartal erwartet Chef Christoph von Plotho bei den begehrten 200-und 300-Millimeter-Wafern starke Nachfrage. Die Treiber dafür sind Chips für den 5G-Mobilfunk und Halbleiter für den zunehmenden Anteil von Elektronik in Fahrzeugen. Schwächen bei Chips für Smartphones und PCs werden damit überkompensiert. Für das Gesamtjahr stellt der MDAX-Konzern deshalb nun 26 bis 30 Prozent statt bisher 21 bis 27 Prozent mehr Umsatz in Aussicht. Im Vorjahr hatte Siltronic 1,41 Milliarden Euro erlöst. Der MDAX-Konzern ist neben den beiden führenden Unternehmen aus Japan der einzige Hersteller, der den größten Chipauftragsfertiger der Welt, TSMC, beliefern darf, eine große Wertschätzung für Siltronics Technologie

Deutsche Aktie CTS Eventim

Das Geschäft des Unterhaltungsdienstleister ´legte im dritten Quartal deutlich zu. Kaum ein Bereich war in den vergangenen Jahren so stark von den Auswirkungen der Pandemie betroffen wie die Eventbranche. Nach den gravierenden Einschnitten fiel die Erholung vieler Unternehmen zuletzt umso dynamischer aus. Dem Ticketing-und Entertainment-Konzern CTS Eventim gelingt dabei noch mehr, als nur die Auswirkungen von Corona hinter sich zu lassen. Vorläufigen Quartalsergebnissen zufolge übertraf CTS Eventim erwartungsgemäß das teils noch durch die Pandemie geprägte Vorjahresquartal. Mit 694 Millionen Euro versechsfachten sich die Erlöse nahezu. Treiber war das Segment Live Entertainment, welches rund 80 Prozent der Erlöse einbringt. Hier setzte CTS Eventim etwa zehnmal so viel um wie noch vor einem Jahr. Das Geschäft des Bremer Konzerns wuchs jedoch auch zum Vergleichsquartal des Jahres 2019, vor Ausbruch der Pandemie. Die starke Umsatzentwicklung macht auch beim operativen Ergebnis bemerkbar: Für die drei Monate bis Ende September meldete der Konzern ein vorläufiges normalisiertes Ebitda von 130 Millionen Euro. Im Vorjahr betrug das Ergebnis lediglich ein Fünftel davon, im Vergleichszeitraum 2019 die Hälfte. Und anders als in vorangegangenen Quartalen lieferte CTS Eventim einen konkreten Ausblick für das verbleibende Geschäftsjahr: mindestens 1,7 Milliarden Euro, das normalisierte Ebitda soll wenigstens 330 Millionen Euro betragen. Im Vorjahr standen beim operativen Ergebnis 208 Millionen Euro zu Buche, wovon ein erheblicher Teil auf Corona- Hilfen zurückzuführen war.

Siemens Energy Aktie

Der Energietechniker Siemens Energy darf die Windkrafttochter Siemens Gamesa vollständig übernehmen. Soeben gab der spanische Regulierer grünes Licht für die Komplettübernahme. Bislang halten die Münchner 76 Prozent der Anteile. Damit geht eine lange Hängepartie für Chef Christian Bruch zu Ende. Der Konzern kann Gamesa integrieren und endlich Synergien heben. 

LEG Immobilien

Die jüngsten Wohnungszukäufe und steigende Mieteinnahmen haben dem weitgehend auf Nordrhein-Westfalen (NRW) fokussiertem Immobilienkonzern LEG im dritten Quartal Auftrieb gegeben. Was der Branche nun schwer zu schaffen macht, belastet auch den Düsseldorfer Konzern: die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, einschließlich der Energiekrise, die gestiegenen Baukosten und die höheren Zinsen, mit denen die sorglosen Zeiten der Branche, in der Refinanzierungskoste eine zentrale Rolle spielen, nun endgültig enden. "Wir wollen nur das ausgeben, was wir selbst einnehmen", sagt nun LEG-Chef Lars von Lackum. Die Investitionen pro Quadratmeter sollen im nächsten Jahr auf das Niveau von 2019 zurückgeführt werden. LEG werde erstmals nicht weiter zukaufen und Projektentwicklungen bis auf Weiteres einstellen, um die Liquidität zu stärken. Für 2022 werden 475 Millionen bis 485 Millionen Euro operativer Gewinn erwartet, statt bisher bis zu 490 Millionen Euro.

Was Investoren zunächst verunsicherte und den Aktienkurs unter Druck brachte – LEG ist im HDAX einer der zehn Flops der vergangen fünf Tage – ist die von Chef von Lackum angekündigte Änderung der Strategie mit größerem Fokus auf die Kapitaleffizienz. LEG will sich nicht mehr an der branchenüblichen Kennziffer FFO I (FFO steht für Einnahmen aus dem laufenden Geschäft, funds from operations) orientieren, stattdessen aber an dem um Investitionen bereinigten FFO 1, dem AFFO. Hier erwartet LEG für 2022 das laufende Jahr 70 bis 80 Millionen Euro und für 2023 dann 110 bis 125 Millionen Euro. Diese Ausrichtung auf höchstmögliche Kapitaleffizienz werde 2023 beim FFO 1 zu einem Wert unter den unterhalb der aktuellen Markterwartungen führen, hieß es weiter. LEG rechnet hier im kommenden Jahr mit 425 bis 440 Millionen Euro. Im laufenden Jahr werden 475 bis 485 Millionen Euro angepeilt. Der prognostizierte Rückgang hängt vor allem mit den deutlich niedrigeren Investitionen zusammen. So werden 2022 in der Modernisierung 42 Euro je Quadratmeter investiert, 2023 nur noch 35 Euro je Quadratmeter.

Auch die Dividende für 2023 wird an der neuen Systematik ausgerichtet. Die Ausschüttung wird an zwei Komponenten gemessen: abhängig von der Marktentwicklung sollen zum einen hundert Prozent des AFFO, zum anderen auch ein Teil der Nettoerlöse aus Veräußerungen ausgeschüttet werden. Der Konzern will bis zu 5000 Wohnungen verkaufen. Bislang wurden wegen der abwartenden Haltung eines Großteils der Investoren erst rund 470 Wohnungen verkauft.

Der Dividendenvorschlag für 2022 orientiert sich wie bisher am FFO 1. Die Ausschüttungsquote von 70 Prozent steht jedoch unter dem Vorbehalt der Marktentwicklung. Die Ausrichtung auf mehr Kapitaleffizienz in dem nun auf lange Sicht schwierigen Umfeld für die Immobilienbranche ist richtig. Für Anleger ist der jüngste Kursrutsch deshalb eine gute Einstiegsgelegenheit.

Wenn sich die Verunsicherung der Anleger gelegt hat, sollte der Kurs nachhaltig anziehen. Der Wert des Portfolios zum Halbjahr bei rund 161 Euro pro Aktie, ist deutlich höher als der Aktienkurs. Die Zinsbelastung ist niedrig, die Verschuldungsquote liegt bei soliden 42 Prozent.