Eigentlich könnten alle zufrieden sein: Der Kompromiss der europäischen Staats-und Regierungschefs über die Verteilung von 1,8 Billionen Euro ist eine diplomatische Melange der einzelnen nationalen Interessen. Die von der Corona-Seuche geplagten Südstaaten bekommen - dank der Unterstützung von Frankreich und Deutschland - Zuschüsse in Milliardenhöhe; die sogenannten Sparsamen Vier freuen sich, dass die Hilfen zumindest geringer ausfallen als ursprünglich geplant; und Ungarn und Polen frohlocken, weil die Verteilung der Gelder nicht an rechtsstaatliche Prinzipien geknüpft wird.

Das wichtigste Ziel des Gipfels, einen Beweis für europäischen Zusammenhalt und Handlungsfähigkeit, haben die Staaten aber verfehlt. Die Mitgliedstaaten sind längst keine "Union" mehr, keine Einheit mit gemeinsamen Zielen. Vielmehr verfolgt jeder Staat seine eigene nationale Agenda; jeder möchte das größte Stück des Kuchens für sich selbst. Zynisch gesprochen gleicht das EU-System mittlerweile einem großen Geldautomaten vor dem die Staaten Schlange stehen, sich gegenseitig wegschubsen und beschimpfen.

Zustimmung muss erkauft werden


Letztlich konnten die großen Differenzen zwischen Populisten, Ignoranten und Europäern nur durch die Verteilung von hunderten Milliarden Euro gekittet werden. Jede Gruppe bekam ihr eigenes Schmankerl: Die Sparsamen Vier etwa, angeführt von den Niederlanden und Österreich, haben sich ihre Zustimmung zum Corona-Hilfspaket durch großzügige Rabatte bei den Beitragszahlungen zum neuen EU-Haushalt regelrecht abkaufen lassen.

Gespart wurde stattdessen ausgerechnet an Zukunftsprogrammen: Beispielsweise fiel eine Initiative weg, die es Corona-geschädigten Firmen hätte erleichtern sollen, Investoren für Kapitalspritzen zu finden. Auch der "Fonds für einen gerechten Übergang", der Regionen helfen soll klimafreundlicher zu werden, wurde von 30 auf zehn Milliarden Euro dezimiert. Und das Forschungsförderprogramm "Horizon Europe" bekommt statt 13,5 Milliarden lediglich fünf Milliarden Euro.

Es bleibt zu hoffen, dass sich das europäische Parlament mit dem gefundenen Kompromiss nicht zufrieden geben wird und auf Nachbesserungen pocht. Ein guter Ansatzpunkt wäre zum Beispiel die Modernisierung des EU-Haushaltes über eine neue Verteilung der Gelder. Durch den zeitweisen Vorsitz in der EU-Ratspräsidentschaft kommt Deutschland bei diesen Verhandlungen eine Schlüsselrolle zu.