Der Umzugswagenvermieter Amerco hat Anlegern einiges zu bieten. An der Wall Street hat die Aktie aber kaum jemand auf dem Schirm. Von Julia Pfanner

Wer in den USA umzieht und den Umzug selbst über die Bühne bringen will, für den stehen die Chancen gut, dass er ein Kunde von U-Haul wird. Das Unternehmen ist eine Tochter des US-Konzerns Amerco und vermietet in den USA und in Kanada Umzugswagen und Anhänger für Do-it-yourself-Umzüge, hat ein Netz von über 23 000 Vermietstationen in allen 50 US-Bundesstaaten und allen zehn kanadischen Provinzen. Die Fahr- zeuge sind zudem fahrende Werbeplakate für das Unternehmen. U-Haul hat eine starke Marktposition und dürfte im Umzugsgeschäft einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent auf sich vereinen. Das Unternehmen hat ungefähr zehnmal so viele Vermietstationen wie Penske, einer der größten Wettbewerber. Der Umsatz, den U-Haul mit der Vermietung von Ausrüstung für Umzüge in Eigenregie gemacht hat, ist in den vergangenen zehn Geschäftsjahren durchschnittlich um neun Prozent pro Jahr gewachsen und lag zuletzt bei knapp vier Milliarden US-Dollar — der Löwenanteil der gut 5,7 Milliarden Dollar Umsatz, die Amerco erreichte.

Während die Marke U-Haul relativ stark ist, kennt an der Wall Street kaum jemand die Mutter Amerco. Obwohl das US-Unternehmen an der Börse mit zehn Milliarden Euro bewertet ist, hat kaum ein Analyst die Aktie auf dem Radar. Ebenso gibt es kaum Gewinnschätzungen zu dem Titel beim Wirtschaftsdienst Bloomberg. Da- bei ist die Aktie definitiv einen Blick wert. Nicht nur wegen des Umzugsgeschäfts.

Schnell wachsendes Self-Storage

Neben dem Geschäft mit Umzügen bietet Amerco außerdem auch Lagerräume für Self-Storage an. „Das passt sehr gut zum Umzugsgeschäft“, meint Stefan Rehder von Value Intelligence Advisors. „Jeder vierte Kunde, der einen Umzugswagen mietet, hat auch potenziellen Bedarf für ein Mietlager. Die Kunden für ein lokales Self-Storage müssen somit nicht mit aufwendigen Mitteln beworben werden, sondern das Cross-Selling ist ohne großen finanziellen Aufwand bei der Vermietung des Umzugswagens möglich“, sagt der Münchner Fondsmanager. In seinen beiden Mischfonds, Value Intelligence und Value Intelligence ESG, ist die Amerco-Aktie jeweils unter den Top- Positionen.

Das Self-Storage-Geschäft von U-Haul wächst schnell. Der Umsatz legte über die vergangenen zehn Geschäftsjahre im Schnitt um 16,5 Prozent pro Jahr zu und brachte zuletzt Erlöse von 617 Millionen Dollar. Die Lagerfläche hat sich auf mehr als viereinhalb Millionen Quadratmeter vervierfacht. Im vergangenen Geschäftsjahr (bis Ende März) investierte Amerco etwa eine Milliarde Dollar in das Geschäft, in der Summe nur einen Ticken weniger als in neue Fahrzeuge.

Potenzial für die Aktie

Bei der Aktie könnte es durchaus noch Luft nach oben geben. So meint Steve Galbraith, Chief Investment Officer bei Kindred Capital Advisors, dass die Aktien 50 Prozent mehr wert sind als ihr aktueller Kurs. Auch Fondsmanager Stefan Rehder findet sie nicht teuer: „Es erhöht die Chancen auf eine Unterbewertung, wenn relativ wenige Scheinwerfer auf das Unternehmen gerichtet sind. Dies ist bei Amerco der Fall.“

Die wirtschaftlichen Bedingungen sind für viele Unternehmen derzeit schwierig. Für ein Umfeld mit erhöhter Inflation und schwachem Wachstum hält Rehder Amerco gut gerüstet. „Beide Geschäftsbereiche sind relativ gering mit dem Wirtschaftszyklus korreliert.“ Als Marktführer sei Amerco Kostenführer im Umzugsgeschäft und deshalb besser in der Lage, Inflation an die Kunden weiterzugeben. Die Preise für die Vermietung von Umzugswagen kann das Unternehmen täglich anpassen. „Zudem spielt Lohninflation für Amerco keine große Rolle: Die Kunden fahren die Trucks selbst und die Self-Storage-Einheit ist auch nicht besonders arbeitsintensiv.“

Im vergangenen Geschäftsjahr wuchs der Konzernumsatz um 26 Prozent, der Gewinn verdoppelte sich fast auf 1,1 Milliarden Dollar. Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres lag der Gewinn mit 334 Millionen Dollar fast auf dem Niveau des Vorjahresquartals.

Mehr als die Hälfte der Amerco-Anteile hielt zuletzt, wie die US-Finanzseite Barron’s schreibt, die Shoen-Familie. Die Eltern von Amerco-Chef Joe Shoen gründeten U-Haul 1945. Die Amerco-Aktie wird auch an deutschen Börsen gehandelt, allerdings sind die Umsätze hier gering. Anleger, die Zugang zu amerikanischen Börsen haben, handeln die im Nasdaq gelistete Aktie am besten dort.

Dieser Artikel erschien zuerst in BÖRSE ONLINE 39/2022. Werfen Sie hier einen Blick ins Heft.