Zum Karnevalsanfang startete die Große Koalition einen neuen Vorstoß, die Anrechnung von Verlusten ab Anfang 2020 zu begrenzen. Anleger sollten noch 2019 reagieren. Von Brigitte Watermann

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Gerade erst hatte der Bundestagsfinanzausschuss ein wichtiges Vorhaben von Bundesfinanzminister Olaf Scholz einkassiert. Der wollte per Jahressteuergesetz Totalverluste aus Kapitalanlagen steuerlich nicht mehr anerkennen lassen - und stellte sich damit diametral gegen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Deshalb hagelte es heftige Kritik. Doch wenige Tage, nachdem es so schien, als gebe Scholz Ruhe, kam das: Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD starteten am 11. November, also pünktlich zu Faschingsbeginn, einen Änderungsantrag zum Entwurf des "Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen". Ziel: die Verlustverrechnung bei Einkünften aus Termingeschäften und aus dem Ausfall von Kapitalanlagen im Privatvermögen zu beschränken. "Scholz verhält sich wie ein lästiger Vertreter, den man an der Vordertür hinausgeworfen hat und der sofort durch die Hintertür eindringt", ärgert sich ein Kenner der Szene, der ungenannt bleiben will.

Grenze von 10 000 Euro


Der neue Vorstoß der Großen Koalition sieht Folgendes vor: Geplant ist zum einen, dass Verluste aus Termingeschäften nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit den Erträgen aus Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden dürfen - es wird also ein neuer Verlustrechnungskreis geschaffen. Das wirkt wie ein schlechter Faschingsscherz, denn es ist gegenüber der aktuellen Rechtslage eine erhebliche Verschärfung. Überdies soll die Verlustverrechnung auf 10 000 Euro pro Jahr beschränkt werden. Für Privatanleger sei das ausreichend, heißt es in dem Änderungsantrag. Erzielt man höhere Verluste, sollen die auf Folgejahre vorgetragen werden können.

Beispiel: Erzielt ein Anleger mit einem Optionsgeschäft einen Gewinn von 20 000 Euro und mit einem anderen einen gleich hohen Verlust, erzielt er zwar wirtschaftlich betrachtet einen Überschuss von null Euro, muss aber auf 10 000 Euro Abgeltungsteuer zahlen. Diese Regel soll auf Verluste Anwendung finden, die ab 31. Dezember 2020 entstehen.

Ein zweites Vorhaben ist für Besitzer von Aktien und Anleihen brisant. Verluste aus der kompletten oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung und aus der Ausbuchung oder Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter an einen Dritten sollen nur mit Einkünften aus Kapitalvermögen bis 10 000 Euro ausgeglichen werden. Sind die Verluste höher, dürfen sie ebenfalls auf Folgejahre vorgetragen und jeweils in Höhe von 10 000 Euro mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Diese Regelung soll sogar schon für Verluste gelten, die ab Anfang 2020 anfallen.

Hier stellen sich wichtige Detailfragen, etwa wann ein Wirtschaftsgut als wertlos gilt. Denn laut Änderungsantrag sollen die neuen Regeln auch für Veräußerungen gelten, "die zu Gestaltungszwecken abgewickelt werden, also insbesondere dann vorgenommen werden, wenn sich das Solvenzrisiko bereits ganz oder teilweise realisiert hat". Wann das im Einzelfall gegeben ist? Großes Fragezeichen. Nicht nur der Bundesverband deutscher Banken (BdB) hegt erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Pläne. Dass Gewinne komplett besteuert, Verluste dagegen möglicherweise nur partiell anerkannt werden sollen, sei nicht zu rechtfertigen, so der BdB.

Verkauf von Pleitebeständen


Privatanleger sind auf jeden Fall gut beraten, den weiteren Gang des Verfahrens zu verfolgen. Wenn jemand auf größeren Wertpapierbeständen sitzt, die de facto wertlos sind - beispielsweise Aktien oder Anleihen von Pleiteunternehmen, die ab 2009 angeschafft wurden -, empfiehlt es sich, noch bis Jahresende aktiv zu werden. Denn sonst läuft man Gefahr, die Verluste künftig nur noch erschwert geltend machen zu können.

Anleger müssen aber auch bei einem Verkauf von hohen Verlustpositionen 2019 aufpassen: Zwar stellt sich der BFH gegen die Finanzverwaltung und akzeptiert hohe realisierte Verluste aus Wertpapieren, selbst wenn der Verkaufserlös nicht einmal die Spesen deckt (Az. VIII R 32/16). Aber solche Verluste müssen die Banken erst ab 2020 in ihren Bescheinigungen ausweisen. Anleger müssen das Minus also unter Umständen auf eigene Faust ermitteln und am besten mitsamt An- und Verkaufsbelegen bei der Steuererklärung einreichen.

Noch nicht höchstrichterlich geklärt ist auch die Frage, ob es zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust kommt, wenn eine Bank die wertlos gewordenen Aktien ersatzlos ausbucht (Az. VIII R 5/19). Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz sieht das jedenfalls so. Betroffene sollten sich auf dieses Verfahren beziehen und solche Verluste in ihrer Steuererklärung angeben.