Die EU will die Rechte der ­Aktionäre stärken. Die ent­sprechende Aktionärsrechte­richtlinie muss in nationales Recht überführt werden. Vor wenigen Tagen hat nun das Bundeskabinett den Gesetzentwurf durchgewinkt. Und dabei hakt es hierzulande gewaltig. Der wichtigste Punkt - die Kontrolle der Vorstandsvergütung - wird nicht konsequent geregelt.

Demnach sollen Anleger zwar mindestens alle vier Jahre ihr Votum zur Vergütung abgeben. Der Wille der Aktionäre - also der Eigentümer - soll allerdings nicht bindend sein. Die Aktionäre können also auch zukünftig dem Griff in die Firmenkasse keinen Riegel vorschieben. Zu oft werden Vorstands­vergütungen vom Aufsichtsrat wie in einem Rotweinklub geregelt. Die Vergütungs­skandale bei Automobilherstellern und bei Großbanken sind nur die Spitze des Eisbergs. Das Problem ist flächendeckend. Persönliche Verbindungen führen zu einem Geflecht von Abhängigkeiten. Man kennt sich und fühlt sich einander verpflichtet. Oder wie der Volksmund sagt: "Eine Hand wäscht die andere."

Muss das so sein? Mitnichten. Die Justizministerin hätte auch ein verpflichtendes Votum vorschlagen können. Dann könnten die Aktionäre überzogene Vergütungspakete zukünftig verbindlich zurückweisen. Diese Möglichkeit will die Ministerin aber verweigern. Der Vorschlag aus ihrem Ministerium folgt der Devise "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass". Die Aktionäre dürfen alle vier Jahre bellen, aber nicht beißen.

Ausgerechnet bei Unternehmen mit einer starken Rolle der Gewerkschaften treiben die Vergütungen auf den Vorstandsetagen besonders üppige Blüten. Denn auch die Gewerkschaften profitieren vom Griff in die Firmenkassen. Stichwort VW: Beispielsweise sorgten die Vergütungen des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn und die Abfindung des kurzzeitigen Vorstandsmitglieds Christine Hohmann-­Dennhardt für öffentliche Empörung. Die Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat haben die Pakete offenbar durchgewinkt.

Beruhen diese "Deals" auf Gegenseitigkeit? Werden die Vergütungen der Aufsichtsräte erhöht, klingelt es auch in der Gewerkschaftskasse. Denn deren Vertreter müssen den größten Teil ihrer Vergütungen abführen. Dabei erhalten hauptamtliche Betriebsräte üppige Schecks. Jahresbezüge bis zu 750 000 Euro für den Vorsitzenden des VW-­Betriebsrats sprechen Bände. Kein Wunder, dass die Begünstigten auch überzogene Gehaltspakete für die Vorstände durchwinken. Fühlte sich die SPD-Ministerin Katarina Barley den gewerkschaftlichen Ränkespielen in den Aufsichtsräten verpflichtet?

Eigentümer sollen über Bezüge der Vorstände entscheiden


Der Gesetzesentwurf aus dem Justiz­ministerium ist unausgewogen. Viele Vergütungspakete in Aktiengesellschaften eliminieren jegliches persönliche ­Risiko. Führen die Entscheidungen im Vorstand zu geschäftlichen Erfolgen, zünden die erfolgsabhängigen Vergütungskomponenten. Stürzen die Gewinne des Unternehmens ab, verabschieden sich die Vorstände mit goldenen Fallschirmen. Sogar bei Gesetzesverstößen sind viele Vorstände abgesichert. Dann zahlt die Manager-­Haftpflichtversicherung. Solchen Missständen gilt es zukünftig vorzubeugen. Der Blick über den Rhein genügt. Anders als hierzulande sind Abstimmungen auf französischen Hauptversammlungen bindend.

Die angebliche Signalwirkung der Aktionärsvoten ist in Deutschland zu schwach. Zu oft haben neben den Kapitalvertretern auch die Vertreter der Belegschaft überzogene Vergütungs­pakete abgenickt. Eine bloße Meinungsäußerung der Aktionäre alle vier Jahre verkommt zur Staffage. Das Grundgesetz sagt zu Recht: "Eigentum verpflichtet." Dann sollen aber zukünftig auch die Eigentümer entscheiden, wenn die Bezüge ihrer obersten Angestellten - also die Vorstandsvergütungen - festgelegt werden. Hier ist der Gesetzentwurf inkonsequent. Verabredungen im Aufsichtsrat zulasten Dritter, also zulasten der Eigentümer, muss zukünftig ein Riegel vorgeschoben werden.

Kurzvita

Michael Diegelmann
Vorstand der IR-Beratung Cometis
Diegelmann hat ­International Business Administration in ­Wiesbaden, den USA, Kanada und England studiert. Im Jahr 2000 gründete er die IR-­Beratungsagentur ­Cometis AG. Seit 1998 erarbeitete er sich einen breiten Erfahrungsschatz über die ­gesamte Bandbreite der Investor Relations. ­Darüber hinaus ist ­Diegelmann Co-Autor zahlreicher Fachpublikationen, ­darunter der Bestseller "100 Finanzkennzahlen".