von Christine Bortenlänger, Vorstand Deutsches Aktieninstitut e. V.

Obwohl den Menschen vielfach bewusst ist, dass die Aktie eine Sachwertanlage ist und von den wirtschaftlichen Erfolgen der Unternehmen langfristig profitiert, sind nur wenige bereit, den Schritt in die Aktienanlage zu gehen. Das zeigt die Studie des Deutschen Aktieninstituts und der Börse Stuttgart, "Aktienanlage ist Kopfsache", die Anfang Mai veröffentlicht wurde. Mit gerade einmal 8,4 Millionen Aktien- und Aktienfondsbesitzern führt die Aktie in deutschen Depots nach wie vor ein Schattendasein. Auch das seit Jahren andauernde Niedrigzinsumfeld hat nicht zu einer Trendwende geführt.

Ein Grund dafür könnte sein, dass allgemein ein hohes Maß an Unsicherheit darüber besteht, für wen Aktien überhaupt geeignet sind. So waren 74 Prozent der Umfrageteilnehmer überzeugt, dass die Aktienanlage gute wirtschaftliche Kenntnisse voraussetzt, dass sie bei kleineren Anlagebeträgen nicht sinnvoll (55 Prozent) sowie unsicher und riskant ist (44 Prozent). Nur knapp einem Drittel der Befragten war der Renditevorteil, den Aktien im Vergleich zu anderen Anlageformen haben, bekannt.

Dabei sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache. Wer über einen Zeitraum von 20 Jahren jedes Jahr 1000 Euro zur Seite legt, kommt bei dem aktuellen Zinsniveau von selten über zwei Prozent am Ende nur auf ein Vermögen von knapp 25 000 Euro vor Kosten und Steuern. Dagegen kann sich der Anleger bei einer durchschnittlichen Aktienrendite am deutschen Aktienmarkt, die historisch über diese Zeiträume fast nie unter sechs Prozent lag, über ein Endvermögen von fast 39 000 Euro freuen. Die Ergebnisse der Studie zeigen also, dass viele Bürger die Chancen der Aktienanlage unter- und die Risiken überschätzen.

Auf Seite 2: Vorurteile führen zur Zurückhaltung





Die verschiedenen Vorurteile führen denn auch zu einer spürbaren Zurückhaltung gegenüber der Aktienanlage. 55 Prozent der Studienteilnehmer würden, wenn sie 10 000 Euro für 25 Jahre anlegen sollten, keinen einzigen Cent in Aktien oder Aktienfonds investieren. Positiv gewendet zeigen demnach aber immerhin 45 Prozent Interesse an einer langfristigen Aktienanlage. Das liegt deutlich über dem tatsächlichen Anteil der Aktionäre und Aktienfondsbesitzer in Deutschland von aktuell 13,1 Prozent. Trotz der belasteten Beziehung der Deutschen zur Aktie belegt die Studie also, dass das Interesse der Bürger an Aktien größer ist, als die Zahl der tatsächlichen Aktionäre vermuten lässt.

Es ist also Potenzial für die Gewinnung von mehr Aktionären vorhanden, das erschlossen werden kann und muss. Um dies zu tun, ist eine intensive Aufklärungsarbeit über die Aktienanlage notwendig, denn eine bessere Aktienkultur nimmt in den Köpfen der Anleger ihren Anfang. Dabei ist die Erfahrung mit der Aktie häufig der Schlüssel, denn die Studie zeigt, dass Aktienerfahrung das Bild eines Aktieninvestments offenbar positiv beeinflusst. Aktienbesitzer schätzen im Vergleich zu Nichtaktienbesitzern die Eigenschaften der Aktienanlage öfter richtig ein.

Leider hat die Finanzkrise die Einstellung zur Aktie verschlechtert, obwohl deren Ursachen nicht in den Aktienmärkten zu finden sind. Das Bauchgefühl der Bürger, dass die Aktienanlage unsicher ist, muss überwunden werden. Die Anlagekultur in Deutschland ist heute viel zu einseitig auf vermeintlich "risikoarmes Sparen" ausgerichtet. Dabei ist Aktienanlage auch mit kleinen Beträgen, ohne großen zeitlichen Aufwand und ohne ausgeprägte wirtschaftliche Kenntnisse möglich. Die langfristige, breit gestreute Aktienanlage ist für den Vermögensaufbau und die Altersvorsorge unerlässlich. Deshalb sind nicht nur die Marktteilnehmer gefordert. Auch die Politik kann und muss Impulse für die Aktie setzen, damit die Deutschen Aktie und Kapitalmarkt für den Vermögensaufbau und die Sicherung ihres Lebensstandards im Alter stärker nutzen. Je länger die Niedrigzinsphase dauert, desto wichtiger ist das. Letztlich wird Unsicherheit aber nur über Erfahrung abgebaut.

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Christine Bortenlänger

Nach dem Betriebswirtschaftsstudium arbeitete Dr. Christine Bortenlänger 1994 bis 1996 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Organisation der LMU München. Im Jahr 2000 wurde sie zum Vorstand der Bayerischen Börse AG berufen, seit 2012 ist sie geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts in Frankfurt, das aktiv an der Gestaltung der deutschen und europäischen Kapitalmärkte mitarbeitet.