Grünen-Co-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, der SPD-Gesundheitsexperte Dirk Wiese und der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, stellten am Mittwoch ein gemeinsames Eckpunkte-Papier der drei Parteien vor. "Schulschließungen, Lockdowns und Ausgangssperren wird es jedenfalls mit uns nicht mehr geben", sagte Wiese. Die CSU und der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek reagierten mit Kritik.

Die bis zum 25. November geltende "epidemische Lage von nationaler Tragweite", also die Festlegung eines Corona-Notstands, soll nicht verlängert werden. Im Infektionsschutzgesetz soll zudem im Paragraph 28a die Maßnahmenliste gestrichen werden, die Grundlage für weitgehende Eingriffe der Länder wie Kontaktbeschränkungen war. Stattdessen sollen für einen Übergangszeitraum bis Frühlingsanfang 2022 "weniger eingriffsintensive Maßnahmen" angeordnet werden können. Zugleich wollen die drei Parteien, dass die erweiterten Regeln für Kinderkrankentage bis in das Jahr 2022 verlängert werden.

Der Bundestag soll möglichst am 10. oder 11. November über die nötige Gesetzesänderung beraten, sagte Göring-Eckardt. Eine Bundesrats-Sondersitzung wäre nach Angaben Wieses vor dem 25. November nötig. Das Gesundheitsministerium bot an, helfend zur Seite zu stehen. Die parlamentarische Verantwortung für die Pandemie-Politik gehe nun aber auf die neue, sich bildende Ampel-Koalition über. Im Laufe der neuen Legislaturperiode soll das Infektionsschutzgesetz dann grundsätzlich überarbeitet werden.

"SEHR KÜHNE POLITISCHE FESTLEGUNG"


Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, dass die Kanzlerin bereit sei, mit den Ländern über das Thema zu sprechen, wenn dies erforderlich und gewünscht sei. "Wir wissen, dass sich regional in Krankenhäusern wieder schwierige Zustände ankündigen", sagte er. "Da stellt sich für die Bundeskanzlerin eben die Frage, ab wann, ab welchem Warnwert etwa in der Krankenhausbelegung gegebenenfalls über zusätzliche Maßnahmen zu beraten wäre."

Holetschenk reagierte mit Kritik: "Es ist nicht sinnvoll, dass die Landtage künftig in ihrem Recht beschnitten werden sollen, selbst über eine epidemische Lage in ihrem Land zu entscheiden (§28a Abs. 7 IfSG)", teilte er mit. "Damit schränkt die Ampel Flexibilität ein, die Handlungsmöglichkeiten der Länder werden weniger." Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zeigte sich unzufrieden. "Ich halte dieses klare Enddatum am 20. März für eine sehr kühne politische Festlegung", sagte er. Zudem kritisierte er die lange Festlegung der Übergangsregelung, die das Parlament schwäche.

Zustimmung kam dagegen vom baden-württembergischen Gesundheitsminister Manne Lucha. "Es ist wichtig, durch eine Übergangsregelung den Bundesländern weiterhin eine Rechtsgrundlage zu geben, um die Pandemie, die sich mittlerweile zu einer Pandemie der Ungeimpften entwickelt hat, wirksam zu bekämpfen", teilte er mit. Lucha erwähnte etwa 2G- und 3G-Regeln, aber auch Hygienekonzepte oder die Kontakt-Datenverarbeitung.

"BEFRIEDUNG EINER WIRKLICH VERGIFTETEN DEBATTE"


Die FDP hatte seit längerem auf eine Beendigung der epidemischen Lage und von Grundrechtseinschränkungen gedrängt. Das Eckpunktepapier diene nun der "Befriedung einer wirklich vergifteten Debatte", sagte Buschmann. Die nun gewählten Maßnahmen seien "Grundrechts-schonender". "Die absolute Dominanz der Exekutive ist nun beendet", fügte er mit Blick darauf hinzu, dass Bund und Länder bisher weitreichende Corona-Verordnungen ohne eine Parlamentszustimmung erlassen können.

Göring-Eckardt und Buschmann wiesen Bedenken etwa von Intensivmedizinern zurück, dass sich die Lage im Winter so dramatisch verschlechtern könnte, dass man die rechtlichen Möglichkeiten einer festgestellten epidemischen Lage doch brauche. Es gebe sicher regionale Schwerpunkte in der Pandemie, auf die man reagieren müsse, sagte die Grünen-Politikerin. Aber mit dem abgespeckten Instrumentenkasten müssten die Herausforderungen zu bewältigen sein. Die 16 Landesregierungen dürfen nach Angaben von Buschmann dann keine Maßnahmen mehr verhängen, die nicht in dem abgespeckten Maßnahmenkatalog stehen. Sie könnten aber weiter über den Einsatz von 2G- oder 3G-Regeln bestimmen.

Das Robert-Koch-Instituts meldete unterdessen 23.212 neue Corona-Fälle. Das sind 6197 mehr registrierte Positiv-Tests als am Mittwoch vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg zum Vortag von 113 auf 118. 114 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus. Auch die Hospitalisierungsrate steigt laut RKI weiter auf 3,07. Sie ist aber noch weit von den Werten des vergangenen Winters entfernt. In Krankenhäusern stieg die Zahl der Corona-Intensivpatienten auf 1761.

Die stark steigenden Corona-Infektionszahlen können nach den Worten von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier den Aufschwung dämpfen - auch ohne neuen Lockdown. "Wir haben vor uns einen zweiten Pandemie-Winter", sagte der CDU-Politiker in Berlin bei der Vorstellung der Herbstprognose der Regierung. Er gehe davon aus, dass auf neue Lockdowns verzichtet werden könne. Die hohen Infektionszahlen könnten aber "zu negativen wirtschaftlichen Auswirkungen" führen. Daher sei es wichtig, weiter Masken zu tragen und Vorsichtsregeln zu beachten.

rtr